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Eine Legende wurde fünfundsiebzig Jahre alt:
BUCK OWENS
Von Ulrich Rechau

 

Die Countryklassiker “I’ve Got The Tiger By The Tail“, “Cryin’ Time” oder “Act Naturally” wurden zu unvergesslichen Evergreens. Letzteres war auch ein Hit der legendären Beatles im Jahre 1965. Gemeint ist Buck Owens, jener Countrysänger, der gemeinsam mit Merle Haggard das kalifornische Städtchen Bakersfield kurzzeitig zu einem Musikzentrum werden ließ. Ende der achtziger Jahre hatte er noch einmal ein kurzes Comeback. Im August 2004 wurde Buck Owens 75 Jahre alt. Mit einem Portrait soll ihm an dieser Stelle (nachträglich) gratuliert werden. 

 

Auf die Welt kam er als Alvis Edgar Owens am 12. August 1929 in Sherman/Tx. Er bekam als Kind den Spitznamen “Buck“, der später sein Künstlernamen wurde. Buck Owens dazu: “Wir hatten auf unserer Farm einen Maulesel der ’Buck’ hieß. Als dreijähriger Junge kam ich eines Tages ins Haus und verkündete stolz, daß auch ich so heißen wollte.“ Auf der elterlichen Farm verbrachte Buck Owens seine Kindheit. Bereits als kleiner Junge mußte er auf der Farm mitarbeiten. Vormittags ging es zur Schule, nachmittags auf das Feld. Trotzdem wurde das musikalische Talent des Jungen frühzeitig erkannt. Vom Vater bekam Buck eine gebrauchte Elektrogitarre geschenkt. Auch Mutter Owens war eine begeisterte Pianistin. Buck denkt an seine Kindheit zurück: “Solange ich mich erinnern kann, war immer ein Klavier im Haus. Mama spielte es, und wir sangen mit. Von ihr habe ich viel gelernt.“ Gern hörte Buck Radio. Seine Idole waren damals Hank Williams, Red Foley, Ernest Tubb und Bob Wills. Im Alter von fünfzehn Jahren machte er seine ersten Versuche als Künstler. 

Nach der neunten Klasse verließ Buck Owens die Schule. Er wurde frühzeitig erwachsen. Buck: “Die ganze Familie leistete harte Arbeit. Wir waren Baumwollpflücker, hoben Gräben aus, halfen bei der Maisernte mit, immer das was gerade anstand. Ich war groß und stark genug und auch willens, Männerarbeit zu verrichten - aber auch Männerlohn zu kassieren.“ Buck Owens’ Jugend fiel in die Zeit der wirtschaftlichen Depression. Er vergleicht das Leben in seiner Jugend mit dem Roman “Grapes Of Wrath (Früchte des Zorns)“ von John Steinbeck. In diesem Roman schildert der Autor die Situation der Menschen im amerikanischen Süden während der Weltwirtschaftskrise. 

Wie viele andere Farmer aus Texas und Oklahoma gaben die Owens ihre Heimat auf, um sich in Kalifornien eine neue Existenz aufzubauen. Doch das überladene Auto gab nach drei Tagen den Geist auf. Familie Owens blieb in Mesa/Az liegen und fand in Arizona ein neues Zuhause. Hier mußte Buck Owens jede sich bietende Arbeit annehmen, unter anderem als LKW-Fahrer. Das Ziel Musik verlor er dennoch nicht aus den Augen. Buck dazu: “Ich versuchte mich als Musiker zu verbessern und nahm mir nach der Arbeit noch die Zeit zum Üben.“ Im Alter von achtzehn Jahren war er bereits verheiratet. Seine erste Gattin hieß Bonnie Campbell. Sie heiratete später den Countrystar Merle Haggard. Das mag vielleicht ein Grund sein, warum sich Buck Owens und Merle Haggard nicht so gut verstehen.  

Seinen ersten Auftritt hatte Buck Owens in einem kleinen Städtchen namens Eloy, südöstlich von Phoenix/Az. Im Lokal gab es eine handfeste Prügelei. Buck erinnert sich daran noch sehr genau: “Erst spielte ich weiter, aber als mir Flaschen und Gläser um die Ohren flogen, lief ich davon. Der Wirt rief mich zurück und trug mir auf weiterzuspielen.“ Im Jahre 1951 wurde Buck von einigen Verwandten ermuntert, in Bakersfield/Ca sein Glück zu versuchen. In einem Club namens “Blackboard“ bekam er sein erstes, festes Engagement als Gitarrist. Die Band hieß “Bill Woods & The Orange Blossom Playboys“. Buck Owens dazu: “Ich war damit zufrieden. Eines Tages fiel der Sänger der Band aus. Der Clubinhaber wollte, daß ich als Sänger einspringe. Ich stand vor der Wahl zu singen oder den Job zu verlieren. Also sang ich.“ Buck kam beim dortigen Publikum gut an. Sein Engagement im “Blackboard“ dauerte bis 1956. Diese Zeit als Musiker war eine harte Schule, die sich später auszahlen sollte. 

Buck Owens musikalische Fähigkeiten sprachen sich herum. So wurde er für eine kurze Zeit Leadgitarrist in der Band von Tommy Collins. Ken Nelson, ein Mitarbeiter von “Capitol Records“, holte Buck als Studiomusiker für Schallplattenaufnahmen ins Studio. Als Lohn für eine Sitzung bekam Buck Owens 110 Dollar, für die damalige Zeit ein stattlicher Betrag. Er wirkte unter anderem bei Schallplattenaufnahmen für Wanda Jackson, Sonny James, Tennessee Ernie Ford und Gene Vincent mit. 

Die ersten eigenen Aufnahmen machte Buck Owens 1956 für die kleine Plattenfirma “Chesterfield“. Die erste Single hieß “Down On The Corner Of Love“. Unter dem Pseudonym “Corky Jones” veröffentlichte er auf dem Label “PEP“ das Lied “Hot Dog”, das 30 Jahre später bei “Capitol“ nochmals veröffentlicht wurde. Der britische Rock’n Roller Shakin’ Stevens nahm “Hot Dog“ als Coverversion in sein Repertoire. Die original “PEP“-Single ist heute eine gesuchte Rarität. 

1957 nahm die große Firma “Capitol Records“ Buck Owens unter Vertrag. Die erste Notierung in der Billboard-Hitparade hieß “Second Fiddle“ und kam auf Platz 24. Gleich die zweite Single “Under Your Spell Again“ wurde einer Nummer Vier. Buck Owens hatte den Durchbruch geschafft. Die sechziger Jahre sollten seine große Zeit werden. Insgesamt schaffte Buck Owens 21 mal die Nummer Eins in der Countryhitparade. Als Beispiel zu nennen wären: “Act Naturally“ (1963), “Together Again“ (1964), ”I’ve Got A Tiger By The Tail“ (1965), “Sam’s Place“ (1967) und ”Tall Dark Stranger“ (1969). Den letzten Superhit hatte Buck Owens 1988 gemeinsam mit Dwight Yoakam und hieß “Streets Of Bakersfield“. Auch zuvor konnte Buck einige interessante Duette produzieren. Gemeinsam mit Rose Maddox nahm Buck ”Sweethearts Of Heaven“ auf, mit Susan Raye sang er ”The Great White Horse“. 

Nicht nur als Sänger, sondern auch als Autor verdiente sich Buck Owens Meriten. So stammen beispielsweise seine Hits “Cryin’ Time“, “Together Again“ und “Who’s Gonna Mow Your Grass“ aus eigener Feder. Nicht nur für sich, sondern auch für andere Künstler schrieb Buck Owens die Texte. Er hat die besondere Gabe, simple Wörter mit eingängigen Melodien zu kombinieren. Auch der kürzlich verstorbene Ray Charles nahm sein “Cryin’ Time“ auf und hatte selbst Erfolg damit. Ende der fünfziger Jahre lernte Buck Owens den legendären Songschreiber Harlan Howard kennen. Beide verband eine jahrelange Freundschaft. Ihm widmete Buck ein Album mit dem Titel “Buck Owens Sings Harlan Howard“. 

Anfang der siebziger Jahre begann Buck Owens Stern zu sinken. Die Plattenfirmen begannen die Countrymusic zu verwässern. Trotzdem blieb er seiner Linie treu. Auch ein neuer Vertrag mit “Warner Brothers“ im Jahre 1976 half nicht. Statt seine Seele zu verkaufen, trat er den Rückzug an. Buck ruhte sich nicht auf den Lorbeeren aus, sondern begann sich als Geschäftsmann zu betätigen. Während andere Stars ihre Tantiemen verspielen oder vertrinken, baute er sich in Bakersfield/Ca ein kleines Imperium auf. So besitzt er heute eine Künstleragentur, ein Aufnahmestudio, einen Musikverlag, 4 Radiosender und eine TV-Produktionsfirma. Seine Söhne sind dort heute in leitender Position tätig. 

1987 ermöglichte Dwight Yoakam für Buck Owens eine kurze Rückkehr ins Rampenlicht. Buck blickt zurück: “Immer wieder wurde ich gefragt, wann ich wieder aktiv werden würde. Damals wollte Buck Owens am 31.12.2004 in Bakersfield. Bild: Hauke Strübingich nicht mehr. Die Country Music passte nicht mehr zu mir. Pop-Country war einfach nicht mein Ding. Dann wurde ich auf Dwight Yoakam aufmerksam. Ich bekam Zeitungsartikel zu lesen, in denen er sehr viel über mich sprach. Wir kannten uns nicht, auch als Dwight mir sein erstes Album widmete. Dann hatte er einen Auftritt in Bakersfield. Eines Morgens stand er in meinem Büro und fragte, ob ich ein Duett mit ihm singen würde. Ich willigte ein“. Buck Owens und Dwight Yoakam wurden gute Freunde. Buck führt fort: “1987 kam die ’Country Music Association’ (CMA) auf mich zu und fragte, ob ich bereit wäre, in der Awards Show aufzutreten. Als Erinnerung an die Bakersfield-Zeit sollte ich gemeinsam mit Merle Haggard ’Streets Of Bakersfield’ singen. Merle lehnte das ab. Daraufhin bestand ich darauf, daß Dwight Yoakam mit mir singen würde. Zuvor trat ich nie mit anderen Countrysängern auf. Nach der Show riefen viele Rundfunkleute an und fragten, ob wir das Lied aufnehmen würden.“ Es wurde auf Dwight Yoakams drittem Album, “Buenas Noches from A Lonely Room“, veröffentlicht. Dieses Duett war 1988 auch Buck Owens letzte Nummer Eins in der Hitparade. 

Buck Owens bekam daraufhin von “Capitol Records“ nochmals einen Vertrag. Es erschienen die Alben “Hot Dog“ (1988) und “Act Naturally“ (1989). Auf dem letztgenannten Album sang Buck Owens den Titelsong als Duett mit dem Ex-Beatle Ringo Starr. Buck: “Bisher hatte ich Ringo noch nie getroffen. Ich wusste nicht, was mich von ihm erwartete. Über ihn wurden die tollsten Geschichten erzählt. Er stellte sich als einer der angenehmsten Menschen heraus, die ich kennenlernen durfte.“ Ein weiteres Duett der CD war der Klassiker “Cryin’ Time“, den Buck gemeinsam mit Emmylou Harris sang. Trotz guter Titel konnte Buck Owens sich in den Hitparaden nicht mehr durchsetzen. 

Ein Markenzeichen war die Begleitband “Buckaroos“, die sich 1963 formierte. Sie bestand aus Don Rich (Gitarre, Fiddle), Doyle Holly (Bass), Tom Brumley (Steel) und Willie Cantu (Drums). Der Band gelang mit dem Lied “Buckaroo“ 1965 ein Top Ten-Hit. Ein Aspekt zu Buck Owens Erfolg war sicherlich die Tatsache, daß er seine Schallplattenaufnahmen immer mit den “Buckaroos“ machte. Er arbeitete nie mit Studiomusikern. 

1974 erlitt Buck Owens einen schweren Schicksalsschlag. Sein Gitarrist Don Rich verunglückte tödlich mit dem Motorrad. Buck erinnert sich: “Mein Sohn war am Telefon und sagte mir, daß er schreckliche Nachrichten habe. Dann erzählte er mir von Dons tragischem Unfall. Danach mußte ich Don Richs Gattin informieren. Es war einfach furchtbar. An so etwas möchte ich mich nie mehr erinnern müssen.“ Buck führt fort: “Nach Dons Tod war ich sehr deprimiert. Ich konnte lange Zeit nicht über ihn sprechen.“ 

Auch Buck Owens Sohn Buddy Alan versuchte sich als Countrysänger. In die Erfolgsstapfen des Vaters konnte er allerdings nicht treten. Sein einziger großer Hit war 1968 ”Let The World Keep A Turnin’“. Alle anderen Titel waren nur mittelmäßig. Nicht nur als Sänger und Autor, sondern auch als TV-Moderator hatte Buck Owens seine Verdienste. Mehrere Jahre war er gemeinsam mit Roy Clark Gastgeber der Fernseh-Show “Hee Haw“. 1984 stieg er aus der Sendung aus. Buck dazu: “Das Fernsehen verhilft einem zu großer Popularität. Ich glaube aber, daß das meine Schallplattenkarriere geschädigt haben könnte. Wenn die Leute dich regelmäßig im Fernsehen erleben, werden nicht mehr so viele Schallplatten gekauft. Die Fernsehkamera durchleuchtet dich. Das Besondere eines Sängers geht verloren.“ 

Buck Owens schuf einen eigenwilligen Sound, der sich als harter Honky-Tonk-Stil mit Rockabilly-Einflüssen präsentiert. Das war ein totaler Gegensatz zum kosmopolitanen Nashville-Sound mit Jim Reeves oder etwa Eddy Arnold. Die musikalische Echtheit von Buck Owens Musik geht mit Sicherheit auch auf seine Wahlheimat Bakersfield/Ca zurück. Buck Owens im Oktober 2002 in Bakersfield. Bild: Hauke StrübingIn der Depressionszeit der dreißiger Jahre kamen Menschen aus Texas und Oklahoma in den amerikanischen Westen. Sie erhofften sich dort eine neue Lebensperspektive. Selbstverständlich brachten die “Okies“, wie man die Fremden dort geringfügig bezeichnete, auch ihre Music mit in die Stadt. So erklang in den Bars von Bakersfield Country Music. Umliegende Radiostationen stellten sich auf das neue Publikum ein. Westernswing von Bob Wills sowie Lieder von Jimmie Rodgers und Ernest Tubb kamen in die Programme. Es kamen auch Countrystars in die Stadt um dort Konzerte zu geben. Agenturen und Musikverlage begannen sich anzusiedeln. Der Begriff “Nashville West“ war geboren. Der Unterschied war, daß die Musik in Bakersfield wesentlich authentischer war als die in Nashville/Tn. Das Urwüchsige mit Fiddle und Steelgitarre wurde beibehalten, während man an Nashvilles “Music Row“ den süßlichen “Nashville-Sound“ mit Streichern und Chören entwickelte. In Bakersfield wurde geradezu dagegen opponiert. Buck Owens und Merle Haggard waren die bekanntesten Kinder Bakersfields. Auch Tommy Collins, Ferlin Husky und Jean Shepard hatten dort mit ihrer Karriere begonnen. Inzwischen ist Bakersfield wieder aus der Musikszene verschwunden. 

Trotz der großen Berühmtheit hat Buck Owens lange Zeit nie einen “CMA-Award“ bekommen. Das liegt wohl an der Tatsache, daß er sich nie von der Musikindustrie bevormunden lassen hat. Buck ging seine eigenen musikalischen Wege und hatte großen Erfolg damit. Dazu nahm er seine Alben nicht in Nashville, sondern in seiner Wahlheimat Bakersfield/Ca auf. Das war dem Establishment an der „Music Row“ in Nashville nicht genehm. 1996 wurde Buck Owens in die “Country Music Hall Of Fame“ gewählt. Endlich hatte man bemerkt, daß man an einem solchen Künstler nicht vorbei kommt. Das kann man als “späte Einsicht“ bezeichnen. Auch außerhalb der USA war Buck Owens sehr beliebt. Er war oft gefeierter Star des Londoner Wembley-Festivals. Ebenso war Buck mehrfach in Deutschland, zuletzt 1989 in der Ludwigshafener Friedrich-Ebert-Halle. Dort spielte Buck Owens eine Stunde lang. Er lieferte mit seiner Band ein wahres Feuerwerk seiner Hits ab. In seinem vorgerückten Alter war das eine große Leistung, von der sich mancher Jungstar eine “dicke Scheibe“ abschneiden kann (Mr. Buck Owens, I´m coming). 

Buck Owens ist und bleibt ein Superstar, auch wenn er in den Ruhestand gegangen ist. Er hat viele andere Countrystars beeinflusst. Dwight Yoakam ist ein erwähnenswertes Beispiel.

Bilder: Hauke Strübing

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