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Bluegrass aktuell:
1. Internationales Bluegrass Festival in Bühl / Baden

Am 12. April 2003 fand in Bühl, Baden (Bürgerhaus Neuer Markt, Europaplatz) das erste internationale Bluegrass Festival statt. Folgende Gruppen traten auf: 

  Erste Hälfte: 14.00 - 18.00 Uhr
 
1. Groundspeed (GER)

  2
. Bluegrass
Stuff (I)
 
3. Four
Wheel Drive (NL)
 
4. Special
Consensus (USA)
          Moderation: Walter Fuchs 

  Zweite Hälfte: 19.00 - 23.00 Uhr
 
1. Four
Wheel Drive (NL)
 
2. Bluegrass
Stuff (I)
 
3. Groundspeed
(GER)
 
4. Special
Consensus (USA)
          Moderation: Walter Fuchs

 

Bluegrass Express:
Der vielversprechende Karrierebeginn von GroundSpeed
Von Hauke Strübing

Neusüdende im Norden Deutschlands, schrieb ich in Teil 2 dieser Serie, steht auch noch für ein weiteres Ereignis: Neusüdende war 1973 vor allem der Beginn der Karriere der deutschen Gruppe BLUEGRASS EXPRESS - Vorläufer von GroundSpeed. Jener Gruppe also, die am 12. April dieses Jahres beim 1. Internationalen Bluegrass Festival in Bühl auftritt.

Immer wieder tauchte im vorausgegangenen Beitrag über GroundSpeed der Name einer früheren Formation auf.  "Mit BLUEGRASS EXPRESS brachte Ulli Sieker bereits in den 70er Jahren eine der ersten europäischen Bluegrass-LPs heraus, und eine Begegnung mit Ulli Sieker und der Band BLUEGRASS EXPRESS machte für den Ragtime-Gitarristen Matthias Malcher Ende der 70er Jahre den Wandel zu einem Bluegrass-Gitarristen und Banjospieler perfekt, eine musikalische Partnerschaft mit Ulli Sieker, die seit den frühen 80er Jahren bis zum heutigen Tage hält."

Wer war nun BLUEGRASS EXPRESS? Was zeichnete diese Gruppe aus?

Ich hatte das Vergnügen, die ersten Schritte von BLUEGRASS EXPRESS journalistisch zu begleiten und den Begleittext für die Langspielplatte "Bluegrass Express" (WAM MLP 15.545) zu verfassen. Was ich allerdings bis dato nicht wußte: Daß dieses Album eines der ersten europäischen Bluegrass-Alben überhaupt war.

Die Gruppe Bluegrass Express im Jahr 1975 (von links): Hajo Windolph, Rolf Sieker, Ulrich Müller, Ulrich SiekerNach einigen Jahren der selbst verordneten Abstinenz vom "Country-Journalismus" fand ich Anfang 1973 den Weg zu COUNTRY CORNER, konnte mich nicht mehr zurückhalten, schrieb in Heft 34 vom April 1973 meine ersten Rezensionen (Capitol-Sampler "Best Of Bakersfield"/Freddie Hart "Got The All Overs From You"/Capitol-Dot-Sampler "Hits From The Golden West"), fuhr am 9. Juni 1973 nach Oldenburg, erlebte mein erstes "Country Meeting", das aber schon das 9. insgesamt war, regelte dort verschiedene Dinge, schrieb in Heft 35 als neuer Mitarbeiter von COUNTRY CORNER (Ausgabe August 1973) 7 Plattenbesprechungen und mehrere Artikel - unter anderem auch die kritische Würdigung  "Bluegrass - Oldtime - Oldenburg (Country Music Goes To Oldenburg/10 Stunden lang Musik)". In dem Beitrag war die Rede von Chris Comber und Mike Paris, von der Bluegrass-Gruppe "Grasshoppers" aus Dänemark und der Bluegrass-Gruppe "Country Ramblers" (mit Jan Roelofs, Berry Selles und Lody van Vlodrop) aus Holland. Und weiter schrieb ich:

Nur am Rande - in der Pause - trat schließlich noch eine dritte Gruppe auf, BLUEGRASS EXPRESS aus Bad Oeynhausen, die sich erst Ende des vergangenen Jahres formierte - aber dennoch einen guten Eindruck hinterließ. Man sollte sich den Namen dieser Gruppe vielleicht einmal merken und zum nächsten Meeting offiziell einladen. Die Spezialität des BLUEGRASS EXPRESS (Rolf Sieker: 5-string-banjo, Ulrich Sieker: mandolin, Hans-Joachim Windolph: 12-string-guitar, Ulrich Müller: string bass) ist die authentische Bluegrass Music.

Ein Jahr später, genau am 1. Juni 1974, stand der BLUEGRASS EXPRESS dann ganz offiziell im Programm des 10. Country Meetings in Neusüdende, und mit auf dem Ticket standen Bonnie Dobson (USA), Norris (USA), The Southern Eagle String Band (England), The Grasshoppers (Dänemark), The Corner Boys (die dann durch Abwesenheit glänzten)  und The Emsland Hillbillies (beide Gruppen aus Deutschland). In einer Ankündigung schrieb ich über den BLUEGRASS EXPRESS:

Eine junge Bluegrass-Band kommt nach Neusiidende
BLUEGRASS EXPRESS

(hps). Noch 1973 reisten die vier jungen Männer aus Bad Oeynhausen auf gut Glück nach Neusüdende. Nicht programmiert war ihr - wenn auch gelungener - Pausenauftrittt, noch viel weniger das Malheur mit ihrem Vehikel, das ihnen die verständliche Freude dennoch gewaltig verdarb. Anders nun in diesem Jahr. Zum Jubelfest verpflichteten die Veranstalter die Gruppe BLUEGRASS EXPRESS nach Neusüdende und ins Hauptprogramm!

Einen guten Ruf genießen die Brüder Rolf und Ulrich Sieker, Hajo Windolph und Ulrich Müller mittlerweile in englischen Folk - Clubs benachbarter Städte von Bad Oeynhausen. Und daß Country Music, im speziellen Bluegrass Music, nicht nur bei Country-Fans ankommt, erfahren die jungen Interpreten seit gut einem Jahr immer wieder bei folkloristischen Veranstaltungen, bei Heimatfesten und Tanzfesten. Die Besetzung ist authentisch: Rolf Sieker spielt das 5-String Banjo, Bruder Ulrich die 12-String Mandolin und die Fiddle, Hajo Windolph die 12-String Guitar und Ulrich Müller den String-Bass.

Ihre Musik? Bluegrass! Ihr Stil? "Wir spielen und singen ausschließlich echten, authentischen Bluegrass", so Rolf Sieker zu COUNTRY CORNER. "Wir haben uns nicht auf einen bestimmten Stil eines US-Interpreten spezialisiert. Unser Programm umfaßt Songs von fast allen bedeutenden Bluegrass-Gruppen der USA." Durch den Einsatz der beiden 12-saitigen Instrumente ist es BLUEGRASS EXPRESS gelungen, den typischen Bluegrass-Sound zu erreichen. Zudem beherrscht jedes Mitglied der Gruppe mehrere für die Original-Interpreten charakteristische Stil-öder Spielarten auf seinem Instrument. Rolf Sieker: "Wir bemühen uns, einen Song der Stanley Brothers oder von Don Reno/Red Smiley auch Stanley-like und Reno/Smiley-like zu bringen."

Dank guter persönlicher Beziehungen zu bedeutenden Musikern in den Staaten konnte BLUEGRASS EXPRESS in den 18 Monaten ihres Bestehens wertvolle Erfahrungen sammeln. Da nun aber Erfahrungen allein noch lange nicht zum Erfolg führen, sieht ihr Übungsprogramm wie das eines Olympioniken aus: "Wir üben täglich fünf Stunden."

Sie müssen sich der Bluegrass Music verschrieben haben. Fürwahr, selten genug in Deutschland!

Und noch einmal ein Jahr später, am 3. November 1975 erschien dann die eingangs schon erwähnte Langspielplatte von BLUEGRASS EXPRESS - aufgenommen am 31.5. und 1.6.1975 im Tonstudio-Schellerten.

  Molly And Tenbrooks
  Little Maggie (Arr.: U. Sieker)
  Lonesome Road Blues (Arr.: U. Sieker)
  Barefoot Nellie
  Carroll County Blues (Arr.: U. Sieker)
  Little Girl In Tennessee
  Bugle Call Rag
  Roll On Buddy (Arr.: U. Sieker)
  Willie´s Hornpipe (U. Sieker)
  Washington County
  Bummin´ An Old Freighttrain
  Daybreak In Dixie
  Sail Away Ladies (Arr.: U. Sieker)
   WAM 15.545 (im Vertrieb der Metronome Records)

Die deutsche Country-Music-Szene wächst und gedeiht. In den Reigen einiger namhafter deutscher Country-Bands und Interpreten reiht sich mit dem BLUEGRASS EXPRESS jetzt eine junge Formation ein, die den authentischen Bluegrass-Stil pflegt — und das mit großem Erfolg. Der BLUEGRASS EXPRESS besteht als Gruppe knappe vier Jahre, seine vier Mitglieder Rolf Sieker (21), Ulrich Sieker (17), Hajo Windolph (18) und Ulrich Müller (18) haben in dieser kurzen Zeitspanne eine erstaunliche Entwicklung LP "Bluegrass Express" von 1975 der Gruppe BLUEGRASS EXPRESSdurchgemacht. Als ich den BLUEGRASS EXPRESS 1973 erstmals in Neusüdende beim jährlichen „Country & Bluegrass Festival" traf, standen die vier Musiker gerade am Anfang ihrer gemeinsamen Arbeit. Und daß die Gruppe damals „noch" nicht in der offiziellen Programmfolge des Festivals aufgeführt war, lag wohl mehr an dem Umstand der Anonymität. Der kurzfristig angesetzte „Pausenauftritt" jedenfalls brachte es an den Tag: Publikum und Experten waren sich darin einig, daß man den vielversprechenden Beginn einer Karriere miterlebt hatte. Und mehr noch. Mit dem BLUEGRASS EXPRESS stellte sich erstmals eine deutsche Gruppe einer größeren Öffentlichkeit vor, die den hierzulande überaus geschätzten — und bislang doch stark vernachlässigten — authentischen Bluegrass-Stil spielte und vor allen Dingen auch beherrschte. Das kam an! Der 1973er Erfolg in Neusüdende beflügelte den BLUEGRASS EXPRESS entscheidend. Dabei hatten die Brüder Rolf und Ulrich Sieker, Hajo Windolph und Ulrich Müller selbst wohl kaum mit dieser schnellen Entwicklung gerechnet. Sie knüpften Verbindungen zu den bedeutenden Bluegrass-Musikern in den USA, dem Ursprungsland dieser Musikrichtung, und sammelten Erfahrungen.

„Um den Bluegrass stilecht zu interpretieren", so Rolf Sieker, „war es nötig, die Kultur der in den Bluegrass-Staaten heimischen Bevölkerung eingehend zu studieren und sich ein wenig von ihrer Denkweise, ihrem Slang und ihrem Temperament anzueignen."

Bisheriger Höhepunkt ihrer Musikerlaufbahn indes war zweifelsohne die Begegnung mit Bill Monroe und dessen Blue Grass Boys, mit denen sie im Mai 1975 beim „11. Country & Bluegrass Festival" in Neusüdende auf der Bühne standen. Nur zwei Wochen später spielte der BLUEGRASS EXPRESS dann die 13 Aufnahmen dieser Langspielplatte ein, darunter auch, und das ganz nach Art leuchtender Vorbilder, Ulrich Siekers eigens verfaßtes „Willie's Hornpipe".
Hauke Strübing (Mitarbeiter bei COUNTRY CORNER, der ältesten deutschen Country-Music-Zeitschrift)

 

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