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Am 12. April 2003 fand in Bühl, Baden (Bürgerhaus Neuer Markt, Europaplatz) das erste internationale Bluegrass Festival statt. Folgende Gruppen traten auf:
Erste Hälfte:
14.00 - 18.00 Uhr |
Zweite
Hälfte: 19.00 - 23.00 Uhr |
4 Wheel Drive: Dutchgrass der Extraklasse
Von Martijn Govers
Ohne Paul van Vlodrop hätte es 4 Wheel Drive wahrscheinlich nie gegeben. Der
holländische Mandolinen- und Banjospieler wurde 1987 von einer
Theatergesellschaft gefragt, eine Gruppe als „Live Soundtrack" für eine ihrer
Produktionen zu formieren. Bei der amerikanischen Originalversion von Sam
Shepard's „A Lie Of The Mind" spielten die Red Clay Ramblers Oldtime-artige
Musik zu den Aufführungen. Das Rotterdamer RO-Theater wollte eine Bluegrass Band
für die holländische Bearbeitung des Stückes. Van Vlodrop, zu dieser Zeit
Mitglied der Country Ramblers in Holland sowie der niederländisch-belgischen
Band Smoketown Strut, fragte einige seiner Freunde. „Ich dachte sofort an Peter
Broekhuysen. Er war ein langjähriger Freund von mir, und ich wusste, dass er
einen Job suchte. Zudem spielte er Banjo und ebenfalls Gitarre. Johannes
Bodingius war ein solider Bassist und ein guter Leadsänger, und ich fragte
Hendrik Ahrend als Gitarrenspieler. Dies war die erste Version von 4 Wheel
Drive."
Mehr als sechs Monate war die Band an allen großen Theatern von Holland auf
Tournee. Van Vlodrop: „Nach der letzten Aufführung war uns klar, dass wir
richtige Bluegrass Auftritte spielen wollten. In einem Theaterprogramm zu
spielen war o.k. für eine Weile, aber wir spielten im Grunde jeden Abend die
selben Noten. Die Zusammenarbeit als Band funktionierte sehr gut und wir
beschlossen, zusammen zu bleiben."
In der 14-jährigen Bandgeschichte gab es eine beachtliche Zahl an Umbesetzungen.
Derzeit ist Paul van Vlodrop das einzige Gründungsmitglied. Irgendwie hat er das
Gefühl, dass 4 Wheel Drive nie in besserer Form war, als in den letzten zwei
Jahren. „Im Frühjahr 2000 brachten wir unser richtiges Debut heraus. Davor
nahmen wir ein paar Kassetten auf, aber ich glaube, dass No Doubt About It
ein Wendepunkt für die Band war. Seitdem spielten wir viele Auftritte und
darunter waren einige wirklich schöne, z.B. Festivals in ganz Europa. Aber das
Wichtigste ist, dass wir in der jetzigen Besetzung gerne zusammen spielen."
Die aktuelle Besetzung ist wahrscheinlich die beste von 4 Wheel Drive seit den
späten 80er Jahren. Sie formiert sich aus dem Mandolinen/Banjospieler Paul
Van Vlodrop, Spitzenklasse Fiddler Joost van Es, Theo Lissenberg
am Leadgesang, Kontrabass und Clawhammer-Banjo, und dem belgischen
Bluegrass
Veteranen Jan Michielsen an der Gitarre. Für größere Konzerte kommt
Banjovirtuose Jürgen Biller aus Deutschland dazu. Zusammen repräsentieren
diese Jungs ein bedeutsames Kapitel europäischer Bluegrass Geschichte.
Theo Lissenberg war Mitglied der Smokey Mountain Rangers, einer der
allerersten Bluegrass Gruppen in Holland. Als solider Bassist ist er ebenso ein
sehr anerkannter Clawhammer Banjospieler und hat bei einigen der wichtigsten
amerikanischen Old Time Fiddle Contests teilgenommen. Mit seiner vollen
unaufdringlichen Tenorstimme ist er zu einem grossen Teil für den
charakteristischen 4 Wheel Drive Sound verantwortlich.
Jan Michielsen und Paul van Vlodrop spielten mehr als zwei
Jahrzehnte zusammen bei Smoketown Strut. Mit Smoketown Strut brachten sie 4
Platten heraus, darunter eine mit dem legendären Jim Eanes. Der Belgier Jan
Michielsen ist der perfekte Bluegrass Gitarrist: man stellt erst fest, was er
für die Musik leistet, wenn er einmal nicht spielt. Michielsens Spiel - flüssig,
geschmackvoll und mit einem mörderischen Timing - wurde stark von Larry Sparks
beeinflusst.
Als jüngstes Mitglied von 4 Wheel Drive ist Bandleader Joost van Es
bereits eine Legende in eigener Sache - unbestritten der wichtigste Bluegrass
Fiddler aus Holland und weithin bekannt als einer der besten Bluegrass Musiker
in Europa. Van Es hatte eine klassische Violinen-Ausbildung und spielte Klezmer,
Zigeuner Swing und Balkan Musik, bis er seine echte musikalische Liebe fand: die
Bluegrass Fiddle. Er begleitete Bill Clifton auf seiner letzten Europatournee,
genauso wie Lou Reid & Carolina. Er arbeitete auch mit den meisten holländischen
Country Acts wie Ruud Hermans, Major Dundee and Savannah und Desperado.
Obwohl er nicht Vollzeit-Mitglied bei 4 Wheel Drive ist, spielt der deutsche
Banjospieler Jürgen Biller eine sehr wichtige Rolle beim klassischen 4
Wheel Drive Sound. Biller lernte das Banjo, indem er sich für ein paar Jahre im
Keller einschloss, um erst dann als der richtige Virtuose, welcher er jetzt ist,
wieder herauszukommen. Biller gilt als Autorität, was traditionelles Banjo
anbelangt und ist am bekanntesten für seinen authentischen Sound und
halsbrecherische Geschwindigkeit. Er spielte sehr viel mit den deutschen Gruppen
Helmut & The Hillbillies und Hard Times und begleitete die beiden Legenden Jim
Eanes und Bill Harell.
Diese Jahrzehnte Bluegrass Erfahrung werden offensichtlich, wenn man sich die
Stücke von No Doubt About It anhört, die erste richtige Platte der Band.
4 Wheel Drive bietet geschmackvolle traditionell orientierte Musik, die
angelehnt ist an die goldenen Zeiten der Bluegrass Musik. Van Vlodrop sagt „Ich
möchte nicht behaupten, dass wir eine sehr innovative Band sind. Wir lieben es
einfach, traditionelle Bluegrass Musik zu spielen, weil das der Sound ist, der
uns am meisten gefällt." Entgegen dieser konservativen Einstellung hat 4 Wheel
Drive kürzlich ein paar Pop Songs ins Live-Repertoire aufgenommen, wie Listen
To The Music von den Doobie Brothers, Bye Bye Love von den Everly
Brothers und Creedence Clearwater Revival's Bad Moon Rising. Zu all dem
gibt es bei ihren meisten Auftritten ein paar Old Time Fiddle Tunes von
Lissenberg und Van Es - ein weiterer Beweis dafür, dass die Gruppe flexibler als
je zuvor ist.
Nicht nur Van Vlodrop ist sehr erfreut über die Richtung, die 4 Wheel Drive zur
Zeit eingeschlagen hat. Bandleader Van Es sagt: „Die Stimmung in der Gruppe ist
lockerer den je, und das ist etwas, was das Publikum bemerkt. In diesem Punkt
hat uns Michielsen mit seinem Beitritt viel Gutes erwiesen. Vor kurzem
gastierten wir auf vielen internationalen Festivals in Wales, Irland, Norwegen
und in der Schweiz und es ist schön zu sehen, dass Zuhörer, die uns vorher nie
gesehen haben, sehr begeistert auf 4 Wheel Drive reagieren. Eine unserer
schönsten Erlebnisse im letzten Jahr, war ein Festival in Litauen, wo wir vor
über 40 000 Leuten auftraten."
No Doubt About It had sehr gute Kritiken in Europa bekommen und sogar in den
U.S.A. Das amerikanische Magazin Bluegrass Unlimited zeichnete das Album
als Highlight (sehr empfehlenswert) aus. Das Album wurde herausgebracht bei CRS,
der europäischen Tochter von ROUNDER. Einer der schönsten Nebeneffekte dieser
Verbindung waren einige 4 Wheel Drive Titel auf holländischen und amerikanischen
Samplern. Van Vlodrop erinnert sich: „Die Tatsache, dass uns ROUNDER auf einem
amerikanischen Sampler präsentierte, kam völlig überraschend. Eigentlich war es
witzig. Ich erinnere mich daran, eine CD wegen einigen bekannten Namen gekauft
zu haben: Tony Rice, Alison Krauss. Ich schaute sie erst zuhause genauer an. Als
ich den Begleittext las, entdeckte ich plötzlich 4 Wheel Drive unter all diesen
grossen U.S. Bluegrass Acts. Joost wusste ebenfalls nichts davon - er war in der
Tat ziemlich schockiert. Irgendwie hat ROUNDER es vergessen, uns zu informieren,
also war es eine absolute Überraschung für uns alle."
In nächster Zukunft hat 4 Wheel Drive ein neues Album geplant. Es soll im Laufe
von 2003 erscheinen. Zudem möchten die Bandmitglieder mehr internationale
Auftritte haben. Veranstalter in England, Wales, Irland, Skandinavien,
Frankreich und der Schweiz möchten die Band für zukünftige Festivals buchen. Was
denken die Bandmitglieder über Auftritte in den U.S.A.? Van Vlodrop. „Eine
U.S.-Tournee war schon immer unser Wunsch. Das Problem ist nur, dass es sehr
viel zu planen erfordert, aber ich glaube, dass wir es in naher Zukunft
schaffen. Vielleicht auf ähnliche Weise, wie wir es in Irland anfingen: Spielen
für die Unkosten. Wenn die Leute dich einmal kennen, wirst du ein nächstes Mal
wieder eingeladen. Natürlich ist die Frage, ob das amerikanische Publikum eine
europäische Bluegrass Band hören will. Im Moment vielleicht nicht.... Obwohl,
wenn ich die Reaktionen auf unser Album betrachte, glaube ich sicher sagen zu
können, dass europäische Bluegrass Music in den U.S.A. ernst genommen wird."
Die ersten Bilder aus Bühl vom 12. April 2003