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Das gelungene Winterfestival der SBMA in Brugg
Von Walter Fuchs mit Bildern von Jens Holger Jensen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Wer am 15.November 2003  dem Ruf der Swiss Bluegrass Music Association (SBMA) gefolgt und nach Brugg zum Winterfestival gefahren war, der war gegen Mitternacht dieses denkwürdigen Tages um ein grossartiges Musikerlebnis reicher. Pünktlich um 14.00 hatte die Show im idyllisch gelegenen ehrwürdigen Salzhaus begonnen und schon die erste Band, „Big Stone“ aus der Schweiz, war eine Überraschung. Die gestandenen Herren, jeder hätte durchaus in ein Fotoalbum aus Amerika’s Pionierzeit gepasst, boten ein ganz breites Songspektrum. Vom Traditional aus dem 19. Jahrhundert über Grandpa Jones’ „Eight More Miles To Louisville“ bis zu Tom Russell’s „The Next Thing Smokin’“ aus dem Jahre 2001 wurde bewiesen, dass auch Old Time Music stilistisch durchaus zu einem Bluegrass Festival passt, ja, unbedingt präsentiert werden sollte, um aufzuzeigen, was Bill Monroe, der Vater der Bluegrass Music, während seiner Sturm- und Drangzeit geleistet hat. Dabei braucht sich die Old Time Music, vor allem wenn sie von einer so virtuosen Band wie „Big Stone“ interpretiert wird, keineswegs zu verstecken. Ob ein 5-String-Banjo nun im Clawhammer-Stil eines Grandpa Jones gespielt wird oder im 3-Finger-Picking-Stil eines Earl Scruggs, ist keine Qualitätsfrage, sondern lediglich ein stilistischer Unterschied. Jedenfalls hatte „Big Stone“ die über 200 Gäste auf ihrer Seite, der Beifall war riesig.

Was in Bühl/Baden am 12.April dieses Jahres beim 1. Internationalen Bluegrass Festival noch als eine kleine, zufällige und willkommene Überraschung begonnen hatte, das wurde nun, an diesem 15.November in Brugg, zum originellen, eigenständigen Programmpunkt: Der Auftritt der gesamten Musselwhite Family aus dem U.S.Bundesstaat Georgia, die zur Zeit in Deutschland in der Nähe von Bad Kissingen wohnt. Mit der Einbeziehung des 6-jährigen basszupfenden John Musselwhite, der in Bühl/Baden noch nicht auf die Bühne durfte, komplettierte man die Bluegrass-Standard-Besetzung aus Gitarre, 5-String-Banjo, Mandoline, Fiddle und Bass. Dabei glänzten vor allem die Banjospielerin Molly und die Mama Cindy Musselwhite als Sängerin, die mit aufmunternden, manchmal auch strengen Blicken die Band voll im Griff hatte. Der kleine John hatte besonders durch seinen unbekümmerten Gesang und seine merkwürdige Mimik das Publikum auf seiner Seite.

Mit dem Trio „Morning Dew“ aus der Schweiz wurden etwas ruhigere Klänge präsentiert, wobei der irische Einfluss kaum zu überhören war. Dabei forderte die lyrische Qualität dieser Gruppe die konzentrierte Aufmersamkeit der Zuhörer.

Dann war die Gruppe „Poutnici“ aus der tschechischen Republik an der Reihe, die den guten Ruf, der ihr vorauseilt, voll und ganz bestätigte. Was da an technischen Raffinessen und musikalischer Perfektion geboten wurde, das erlebt man auch in den USA nicht alle Tage. Auch bei atemberaubender Geschwindigkeit sass jeder Ton an der richtigen Stelle, ohne jemals in kalter Routine auszuarten. Der Gesamtsound, unterstützt durch die vorzügliche Akustik des Saales, war unwahrscheinlich transparent. Die Musik war immer voller Seele, klang immer engagiert und jede instrumentale Solopassage wurde durch heftigen Beifall belohnt.

Schliesslich präsentierte sich die mit Spannung erwartete James King Band aus den USA. Und was die 6-köpfige Gruppe trotz eines gewissen Schlafdefizits und trotz des etwas erkälteten Bandleaders leistete, das war schon Bluegrass Music vom Feinsten. Zugegeben, im Powersound der Gruppe, dem einige Saiten zum Opfer fielen, mag vielleicht manche filigrane Feinheit auf der Strecke geblieben sein, der Stimmung des Festivals hat’s nicht geschadet, das Publikum war fasziniert, die Begeisterung kannte keine Grenzen. Ein Wiedersehen und Wiederhören mit der James King Band scheint damit vorprogrammiert zu sein.

Die Initiatoren des Events, Angelika Torrie und Pablo Dettwiler, die sympatisch und locker durchs Programm führten, konnten am Ende des über 9-stündigen Festivals zufrieden sein, denn nur so, mit einem angenehmen Ambiente, einer reibungslosen Organisation und einer guten musikalischen Leistung, kann man das Publikum zufrieden stellen und der Bluegrass Music neue Freunde zuführen.