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Die vielen Seiten der Bluegrass Music
beim 3. Internationalen Bühler Bluegrass Festival
Von Hauke Strübing; Bilder: Jens Holger Jensen

"Elektrisches und Schlagzeug und so´n Teufelszeug kommen mir in Bühl nicht auf die Bühne" - das dachten wohl auch Mitglieder der "Crooked Jades", als sie in Vorbereitung ihres Auftritts einen Bass-Verstärker vorfanden, den die Österreicher vor ihnen vergessen hatten. Zunächst mußte das "Teufelszeug" mal weg - doch dann ging´s zur Sache. Dem einen oder anderen Besucher im großen Saal des Bürgerhauses Neuer Markt in Bühl mag es am Samstag Nachmittag ungewohnt in den Ohren geklungen haben, denn was sie zu hören bekamen, klang verwegen, neu und vollkommen ungewohnt. Die 5köpfige Gruppe "The Crooked Jades" von der Westküste der USA führte etwas vor, was Eingeschworene bestenfalls noch von altem Vinyl her kannten, vielleicht noch von den Monroe Brothers. Und die machten diese Art von Musik schon in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Oldtime Music, Stringband Music. Musik, die mit zu den Quellen der Bluegrass Music zählt. Musik, die unverstärkt auf den Original-Instrumenten jener Zeit gespielt wird, wie sie heute noch an den Originalschauplätzen "The Crooked Jades" am 9.4.2005 in Bühl. Bild: Jens H. Jensenihrer Entstehung gepflegt wird, in jedem x-beliebigen kleinen Ort im Süden der USA. Das Publikum folgte gespannt den Ausführungen der "Crooked Jades", die spannend waren  wie ein Seminar in Sachen Oldtime und Stringband Music. Hauptsächlich in der Nachmittagsvorstellung, denn in der "Show" am Abend wurde der Vortrag etwas populärer, weniger musikwissenschaftlich. Auf jeden Fall wußte "The Crooked Jades" bei ihrem ersten Auftritt bei einem Bluegrass Festival in Deutschland das Publikum zu fesseln. Gelegentlich hörte man auch die Frage nach der Bedeutung des Namens "Crooked Jades", was am ehesten mit "Die buckligen Weiber" ins Deutsche zu übersetzen ist. Und irgendwie paßte zum gesamten Szenario dann der gelegentliche Auftritt des 6. Mitglieds der "Crooked Jades", das nun alles andere als "bucklig" mit faszinierenden Tanzeinlagen die Bedeutung und den Sinn der Musik von damals unterstrich. Bis zu den Fingerspitzen war der ganze Körper der Tänzerin in Bewegung. Und als sich dann wohl völlig unvorgesehen ein 10-12jähriges Mädchen aus dem Publikum ebenfalls tanzend zur Tänzerin gesellte, war das totale Feeling da: So und nicht anders muß das früher mal gewesen sein. Das Publikum feierte "The Crooked Jades" einhellig als Bereicherung des Festivals.

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Die Gruppe "Nugget" aus Österreich zählt zu den besten Bluegrass Bands Europas. Eine Band in Vierer-Besetzung, die Bluegrass pur ebenso gekonnt wie jazzigen und swingenden Bluegrass vorzutragen versteht. Mit ihren Liedern brachten Helmut Mitteregger, Gesang, Mandoline, dessen Gattin Katarina Mitteregger, Gesang, Bass, Jakub Racek, Gesang, Gitarre und Jarda Jahoda, Gesang, Banjo gleich zu Beginn der Veranstaltung gehörigen "Dampf in die Bude". Und Helmut Mitteregger folgte seinem vorauseilenden Ruf als  toller Conférencier - immer gut für eine lustige, geistreiche Worteinlage ("Danke für die Einladung zu diesem Festival, Rüdiger. Das war mutig von Dir"/"Eine Bluegrass-Gruppe ohne Banjospieler - das heißt, die Musik von der Bluegrass-Ecke in die Kunst-Ecke zu stellen"). Der oben schon erwähnte Bass-Verstärker, der die "buckligen Weiber" irritierte, stammt übrigens aus der technischen Bühnen-Ausstattung von "Nugget" - aber das hat außer den Gästen aus den USA und vielleicht einigen Puristen kaum jemand gestört. Wichtig ist das Ergebnis aller Bemühungen, und damit hatte "Nugget" keinerlei Probleme, und dem Publikum gefiel die Vorstellung von "Nugget" sichtlich.

"Nugget" am 9. 4. 2005 in Bühl. Bild:Jens H. Jensen

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Den "Stammgästen" der Festivals im Bürgerhaus Neuer Markt sind einige Gesichter der holländischen Gruppe "Grand Ole Country" sicherlich noch in guter Erinnerung. Gespannt hat man darauf gewartet, ob der eine oder andere es diesmal wieder tut. Aber niemand tat es, keiner ist gehupft, und so blieben dann die Gemüter der "Puristen" ganz ruhig. Im letzten Jahr traten sie als "Bluegrass Boogiemen" auf - in diesem Jahr nun mit dem Fiddle-Virtuosen Joost van Es und dem Sänger und Gitarristen Cor Sanne als "Grand Ole Country". Gespannt durfte man sein. Und die Zuhörer wurden nicht enttäuscht, denn "Grand Ole Country" brachte eine neue, eine erweiterte Note in den Ablauf des Bluegrass Festivals. Country-Bluegrass oder Bluegrass-Country, je nach Geschmack ausgedrückt, dargeboten in traditionsreichen Arrangements, wobei die typische Bluegrass-Instrumentierung, wie wir sie zuvor noch bei "Lost Highway" erlebten, bescheiden in den Hintergrund rückte: Old school country the accoustic way, that is! "Grand Ole Country" versteht sehr gut, was wir Country-Traditionalisten nur allzu gern hören! Dabei spielte der Sänger Cor Sanne die entscheidende Rolle, weil er sich bei seinen einzelnen Liedvorträgen jeweils dem Vorbild anpasste: In "All Over Again", "Suppertime", "Ring Of Fire" und "I´ve Gotta Think About Trains" erlebten wir Johnny Cash, in "He´ll Have To Go" natürlich Jim Reeves, als Hank Williams-Interpret stellte er sich mit "You Win Again" und dem seltenen "A Lie To My Heart" vor. Ja, und wann, frage ich, hat man in unseren Breiten schon jemals Merle Haggards " The Way It Was In 51" gehört? Oder Porter Wagoners "Your Old Love Letters"? Oder noch seltener: "The Best Years Of My Life" von Carl Smith? "Grand Ole Country" brachte Bluegrass-Breaks, Bluegrass-Swing, Bluegrass-Gospel, Fiddle Breakdowns und Bluegrass-Country in allen Facetten. AFNs "Stickbuddy Jamboree", "Hillbilly Gasthaus" und "Hillbilly Reveille" einmal hoch und einmal runter gespielt. Erinnerungen pur an Zeiten, als Country noch Country war! Diese Art von Bluegrass kommt sehr gut an. Wir wollen mehr davon.

"Grand Ole Country" am 9. 4. 2005 in Bühl. Bild Jens H. Jensen

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Von wegen "It Never Rains In Southern California"! Und wie es in San Diego regnete über den Jahreswechsel 2004/2005 bis Mitte Januar hinein. So viel Regen wie sonst nicht in 5 Jahren. Den Besuchern aus der wunderschönen Stadt nahe der mexikanischen Grenze machte das miese Wetter am Samstagvormittag in der Bühler Fußgängerzone nicht allzu viel aus. Und gegen die Kälte Mitten im Frühling hatte Mitorganisator Rüdiger Schmitt längst Vorsorge getroffen: Ein Heizgerät erwärmte die Freiluftbühne im Zelt zumindest etwas. Aber auch die Kälte konnte den 5 San Diegians "Lost Highway" am 9. 4. 2005 in der Fußgängerzone in Bühl. Bild: Hauke StrübingKen Orrick, Gesang, Gitarre, Eric Uglum, Gesang, Mandoline, Gitarre, Richard „Dick“ Brown, Gesang, Banjo, Gitarre, Mike Tatar, Fiddle und Joe Ash, Bass nichts anhaben. "Lost Highway" verbreitete schon in der ersten Freiluftveranstaltung hervorragende Stimmung, die sich dann später ins Bürgerhaus Neuer Markt übertrug: Harmoniegesang aus einem Guss, vollsoundig und studioreif die Instrumentalbegleitung. Ein Lied passte so richtig zur Wetterlage: "November Rain", da war die erste CD am Verkaufsstand fällig. Die andere, "Heaven´s Got An Angel", ist ein herzzerreissendes Lied, das allerdings erst in 2 Monaten auf der nächsten CD von "Lost Highway" veröffentlicht wird. Immerhin, man konnte sich beiden Liedern an diesem Tag zweimal hingeben. Die Musiker um Ken Orrick haben während des knapp 10stündigen Festivals einen weitere Höchstmarke gesetzt: Perfekte Musiker, perfekte Harmonien. Wer immer auch von sich behauptet: Wenn ich 5 Bluegrass-Titel hintereinander gehört habe, dann reicht es erstmal für die nächste Zeit, der wurde an diesem Tag eines Besseren belehrt. Denn die Musik von "Lost Highway" schafft Freunde, schafft Anhänger und schafft schließlich auch Liebhaber.

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Was unterschied nun die beiden Vorgänger vom 3. Internationalen Bühler Bluegrass Festival? Die Veranstaltungen werden von Mal zu Mal "reifer". Das Verständnis der Zuhörer abgerundeter. In diesem Jahr wurde die ganze Bandbreite des Genre Bluegrass deutlich herausgestellt. Es galt, mehr zu begreifen und zu verinnerlichen als in den Jahren zuvor. Die anfängliche Frage "Was erwartet mich in Bühl eigentlich?" weicht der erwartungsvollen Feststellung "Mit was überraschen mich die Organisatoren diesmal?".

Walter Fuchs führte ein weiteres Mal kenntnis- und erfahrungsreich und auch schon mal mit "gruseligen" Geschichten durch das Programm. Die Stimmung war hervorragend, und  der Oberbürgermeister der Stadt Bühl, Hans Striebel, stellte in seinem Grußwort fest: Das 4. Internationale Bühler Bluegrass Festival findet am 29. April 2006 statt. Ein herzliches Dankeschön und ein dickes Lob an die Stadt Bühl, an Rüdiger Schmitt und an Walter Fuchs.