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Carl Smith - You Are The One!
Hauke Strübing würdigt den Sänger Carl Smith

Späte Ehre für einen Sänger, der sehr früh in Vergessenheit geraten ist. Wer von der sogenannten "new country Generation", also derer, die ihr Wissen aus Veröffentlichungen schöpfen, deren Stunde Null bestenfalls bis in die 80er Jahre zurückreicht, wer kennt noch den Namen Carl Smith? Wer kennt die Titel von zwei, drei Aufnahmen des Honky Tonk-Sängers, der in den frühen 50er Jahren auftrumpfte, dessen Fluss dann in den 60er Jahren versiegte? Wer weiß noch, dass "Karlchen Schmidt", wie wir ihn etwas respektlos nannten, einige Jahre mit June Carter verheiratet war (1952 bis 1956), einige Jahre bevor sie sich mit Johnny Cash liierte und June Carter-Cash wurde? Und wer weiß noch, dass Carlene Carter die gemeinsame Tochter von June Carter und Carl Smith ist?

Nur die ganz Frühen unter uns erlebten Carl Smith noch auf der Bühne (u.a. von 1950 bis 1956 im alten Ryman in der Opry). Ich selbst hatte nur einen winzigen Moment die Gelegenheit, Carl Smith auf einer Bühne zu sehen - oder besser: neben der Bühne zu sehen. Das war damals Mitte der 90er Jahre im Grand Ole Opry-Haus in Nashville: Er sang nicht, er sagte nichts, er stand nur da für eine kurze Weile im linken Zugangsbereich der Opry-Bühne, wo ihn der Opry-Announcer kurz begrüßte und seine Leistungen pries. Das war´s. Carl Smith live.

Es war wieder einer jener Momente, die sich in die Erinnerung einbrennen und ein Leben lang nicht in Vergessenheit geraten. Denn Carl Smith hatte damals in den ersten Stunden meines Country-Daseins (als Hörer und in zunehmendem Maß als Liebhaber dieser Musik) einen hohen Stellenwert. Schuld daran war eine seiner Aufnahmen. Zwar führte mich "Bimbo" von Jim Reeves ein in die Materie. Aber es waren zwei Aufnahmen von Carl Smith, die mich in den Dauerzustand des Suchens, Forschens und Immer-Habenwollens versetzen: Seine Aufnahme "You Are The One" und "Let Old Mother Nature Have Her Way". "You Are The One" - dieser flotte Titel, den ich dann bis Mitte der 90er Jahre immer wieder in Sendungen einsetzte, entstand am 26. Februar 1956 und prägte im wesentlichen meinen Einstieg in die Country Music. Die Steel Guitar entpuppte sich sich schnell als tragendes, eigenartig fremd und gleichsam schön klingendes, typisches Instrument dieses Genre. Doch in der Musik von Carl Smith hatte die Steel Guitar einen anderen, einen herben Sound, für den - wie ich erst später begreifen sollte - der Musiker Johnny Sibert verantwortlich war, ein Mitglied der Tunesmiths von Carl Smith, seiner Begleitband. Diese beiden Aufnahmen waren neben einigen Porter Wagoner-Titeln, dem "Truck Drivin´ Man" mit Terry Fell, "I Guess I´m Crazy" mit Tommy Collins meine absoluten Highlights - und das Ziel aller Country-Wünsche. Ein Wunsch, der erhört wurde zu einer Zeit, als es noch EPs (und leider keine Bear Family Records) gab.

"Let Old Mother Nature Have Her Way" (1951), "Don´t Just Stand There" (1952), "Hey Joe!" (1953) und "Loose Talk"(1954) waren Carl Smith´s # 1 Songs, nicht aber " You Are The One"(1956, # 4). Danach ging´s dann ab in die etwas tieferen Country-Hitparaden-Gefilde, was aber nichts an Carl Smith´s Leistung schmälert gemessen an der Dauerhaftigkeit seiner Präsenz in der Szene. Von 1950 bis 1973 sang er für Columbia Records auf Schellack und Vinyl. BILLBOARD notierte in dieser Zeitspanne 86 seiner Aufnahmen in den Country Charts. Danach sang er noch einige Titel für Hickory bzw. ABC-Hickory ein. 1977 verabschiedete er sich und zog sich mit Ehefrau Goldie Smith geb. Hill ins Privatleben zurück auf seine Farm in Franklin bei Nashville. Zu früh für mich als ihn mehr als nur für einen Moment als Ikone der Country-Vergangenheit zu erleben.

Carl Smith wurde am 15. März 1927 in Maynardville im Bundesstaat Tennessee geboren. Am 6. November 2003 wird er als neues Mitglied in die Country Music Hall Of Fame eingeführt. Nach der großen, in weiten Kreisen nicht positiv aufgenommen "Abwaschaktion" im vorletzten Jahr, hat die diesjährige Introduktion von Carl Smith und von Floyd Cramer wieder den Hauch des Exklusiven.

Eine kleine Carl Smith-Diskographie erhältlicher CDs:

Die CD-Box "Carl Smith - Satisfaction Guaranteed" enthält auf 6 CDs sämtliche Columbia- Einspielungen vom 11. 5. 1950 bis zum 20. 12. 1959 (Bear Family Records BCD 15849).


Auf der CD "The Sixties Hits Of Carl Smith" (Collectors´ Choice Music A 59788/296-2) sind in chronologischer Reihenfolge weitere 24 Carl Smith-Aufnahmen von 1959 - 1970 verewigt, die dann weniger an den puren Honky Tonk-Stil der 50er Jahre erinnern, für ihre Zeit dennoch Country pur waren, während das moderne Nashville sich schon längst anderen Ufern zuwandte. Erstmals auch auf dieser CD das wunderschöne "Air Mail To Heaven" und das rasante "The Best Dressed Beggar (In Town)".

Ten Thousand Drums - Make The Waterwheel Roll - Cut Across Shorty - Kisses Never Lie - Air Mail To Heaven - Things That Mean The Most - The Best Dressed Beggar (In Town) - In The Back Room Tonight - I Almost Forgot Her Today - Triangle - The Pillow That Whispers - Take My Ring Off Your Finger - Lonely Girl - When It´s Over - Man With A Plan - You Better Be Better To Me - Deep Water - Foggy River - You Ought To Hear Me Cry - Good Deal Lucille - I Love You Because - Heartbreak Avenue - Pull My Strings And Wind Me Down - How I Love Them Old Songs