Uhr

Country Picks (10):
Jedd Hughes – Transcontinental
Von Tobias Brockly

Etwas voreingenommen war ich ja schon. Der Mann kommt immerhin aus Down Under. Und welcher aktuelle Top-Star kommt noch aus dieser Gegend? Genau, Keith Urban! Mmmh, wenn ich mir so die Optik des Herrn Hughes ansehe und sie dann mit der des Herrn Urban vergleiche, dann lassen sich da schon Ähnlichkeiten feststellen. Okay, es mag nur die Frisur sein, die ein wenig an Keith Urban erinnert. Aber genau diese beiden Tatsachen, Frisur und Herkunft, lassen mich dieses Album sehr kritisch nach musikalischen Einflüssen von Keith Urban durchsuchen. Ich lege es also in den CD-Player, das erste Album von Newcomer Jedd Hughes. Und schon geht´s los. Die ersten Takte ertönen…

„I´m your man“ heißt der erste Song dieser Platte, und beginnt wie ich es irgendwie erwartet hatte. Zuerst kommen mir Zweifel, ob ich auch wirklich die CD von Jedd Hughes eingelegt und nicht aus Versehen zu Keith Urban gegriffen habe. Ein Blick in die leere CD-Hülle zeigt mir aber, dass es sehr wohl Jedd Hughes sein muss, der da im Player seine Runden dreht. Sowohl die Instrumentierung, als auch der Aufbau des Songs erinnern sehr an Keith Urban. Ich frage mich momentan ernsthaft, ob das nicht irgendeine Krankheit ist, die da aktuell durch die Country-Szene geht. Nicht nur Trent Willmon („The good life“) und Darryl Worley („Awful beautiful life“) scheinen Gefallen am markanten Keith Urban-Banjo-Sound zu finden, sondern eben auch dieser Jedd Hughes. Nun ja, trotz allem gefällt mir der Song recht gut. Ein fetziger Opener für dieses Album.

Weiter geht´s mit
„I´ll keep movin´“, einem Song, der mich auf Anhieb überzeugt hat. Wenn mich mein musikalisches Fachverständnis nicht komplett täuscht, dann ist das eine überraschend neue Melodie, die da gerade in mein Gehör dringt. Jedd, das hast du gut gemacht! Du scheinst ja doch ein kreativer Songwriter zu sein, der durchaus mehr drauf hat, als nur bei anderen Australiern abzukupfern. Um es noch mal für alle verständlich zu machen, die diese CD noch nicht gehört haben: Es ist ein Mid-Tempo Song über das Suchen, und hoffentlich auch Finden, nach dem Sinn des Lebens. „I´ll keep movin´, ´til I get somewhere, keep believin´, there´s something out there...”. Mit diesen Zeilen bringt er es auf den Punkt. Das hat Klasse, das hat Stil, das ist frisch, das ist innovativ... na ja, nicht ganz so innovativ, aber trotzdem hervorragend! Genug des Lobes, der dritte Song wartet auf mich.

Schock! Was macht dieses Banjo da? Keith Urban? Nicht ganz! Es ist immer noch Jedd Hughes, der hier am Werk ist. „Snake in the grass“ heißt dieser Titel und überzeugt mich mehr durch Melodie und Text, als durch die Urbansche Instrumentierung. Der Song hat Schwung, der Song macht Spaß! Und alleine schon die Zeile „She´s your beauty, she´s your queen“ verleitet mich zu einem spontanen Beifall!

„Time to say goodnight“. Was, jetzt schon? Aber Jedd, es ist doch erst der vierte Song! Ausdauer scheinst du nicht gerade zu haben. Passend zum Namen verbirgt sich dahinter die erste waschechte Ballade des Albums. Das Gitarrensolo erinnert ein wenig an „Angels“ von Robbie Williams. Ein netter Titel mit kraftvollem Refrain.

Bei Song Nummer 5 heißt es dann auch schon wieder: „Aufstehen!“ Mann, die Nacht war aber ganz schön kurz!
Mit
„I don´t have a clue“ rockt er wieder los, dieser Mister Hughes. Eine Spaß-Nummer, das lässt sich nicht leugnen. Er singt zwar, dass er keine Ahnung hat, was er falsch gemacht haben könnte, aber irgendwie hat man so den Eindruck, als wüsste er es doch genau. Dieser Schelm!

„Soldier for the lonely“ bekommt von mir schon mal einen Award für den ultimativen „Tränendrüsendrück“-Song. „Nobody holds me, ´cause I´m the only, soldier for the lonely“. Schnief! Ein prominenter Gast singt im Hintergrund mit. Bühne frei für Patty Loveless, die mit ihrer Stimme auch schon Alan Jacksons „Monday morning church“ auffüllte. Sehr markant bei diesem Song ist die E-Gitarre, deren Klang sich irgendwo zwischen Carlos Santana und Mark Knopfler einordnen lässt. Toll gemacht, Jedd!

Hey, was ist das denn? „High lonesome“ bringt wieder etwas Schwung hinein. Da fällt mir ein, wie nennt man eigentlich diese Art von Song? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung! Aber ein hervorragender Song ist es allemal. Aus diesem Grunde ist es vermutlich auch die erste Singleauskopplung geworden. Eine bessere Wahl hättest du nicht treffen können, lieber Jedd!

„All mixed up“ präsentiert sich mit einer für den Country-Sektor bisher vollkommen unbekannten Melodie. Im Pop-Bereich hat man so etwas aber schon mal gehört. Trotzdem finde ich´s innovativ und fühle mich richtig erfrischt, durch diesen frischen Wind, der da aus den Lautsprechern weht.

Und es wird wieder ruhiger mit „The only girl in town“. Dieser Song landet bei der Verleihung meiner „Tränendrüsen“-Awards direkt auf Platz Zwei. Ist es da verwunderlich, dass im Hintergrund wieder jemand säuselt? Nein, ganz und gar nicht! Ich muss ganz genau hinhören bis ich erkenne, dass es doch tatsächlich Alison Krauss ist, die da säuselt.

„Damn! You feel good“ vermittelt mir das ultimative Bryan Adams-Feeling. Sag mal Jedd, hast du den Song zufällig für ihn geschrieben? Dementsprechend bekommt man hier keine besonders neue Songstruktur zu hören. Ein stinknormaler Titel, der sich problemlos in die Reihe der „Ich fahre im Cabrio über den Highway“-Songs unterbringen lässt.

Titel Nummer 11 “Luxury liner“ stimmt mich ein wenig traurig. Nicht aber wegen seiner Dramatik, sondern eher, weil es der letzte Song dieses Albums ist. Es ist der einzige Titel, der nicht von Jedd selbst geschrieben wurde. Gram Parsons war hier am Werk und hat eine spaßige Uptempo-Nummer hinterlassen. Ein fröhlicher Abschluss eines beeindruckenden Albums.

Fazit: Jedd Hughes präsentiert sich auf seinem Debüt-Album sehr abwechslungsreich. Ja sogar so abwechslungsreich, dass man in einigen Songs etwas den Country-Sound vermisst. Ich bin mir aber sicher, man wird noch viel von ihm hören, zumal wir es hier mit einem exzellenten Gitarristen und Songwriter zu tun haben. Wen wundert´s da noch, dass er im Booklet sogar folgendes erwähnt: „Thanks to Rodney Crowell for being a friend and hero.“ 4,5 von 5 Sternen für Jedd!

Jedd Hughes – Transcontinental (MCA NASHVILLE B000190302) veröffentlicht am 31. August 2004
I'm Your Man - I'll Keep Moving - Snake In The Grass - Time To Say Goodnight (Sweet Dreams Baby) - I Don't Have A Clue - Soldier For The Lonely - High Lonesome - All Mixed Up - The Only Girl In Town - Damn! You Feel Good - Luxury Liner

Anmerkung: Das Album wurde produziert von Terry McBride. Terry McBride? Richtig. Terry McBride war der Kopf von McBride & The Ride (1991 bis 1993) und von Terry McBride & The Ride (1994/1995). Sein Vater hieß Dale McBride, ebenfalls Country-Sänger (gestorben am 30.11.1992). Als Terry McBride ein junger Teenager war, lebte die Family in Lampasas, Texas. (Anmerkung von Hauke Strübing)