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Country Picks (TIME WELL WASTED besprochen von Hauke Strübing und  von Tobias Brockly):

Brad Paisley - Sein Name steht für gute Country Music
Von Hauke Strübing

Also gut, sprechen wir über Brad Paisley, den (fast) einzigen, über den sich das Sprechen lohnt in diesen Tagen. Brad Paisley hat seit 16. August 2005 eine neue CD in den Regalen. "Time Well Wasted " heißt sie, sie ist die vierte in seiner noch so jungen Karriere. CDs von Brad Paisley erscheinen pünktlich im 2-Jahres-Takt: Am 1. Juni 1999 "Who Needs Pictures", am 29. Mai 2001 "Part II", am 22. Juli 2003 " Mud On The Tires" und jetzt also "Time Well Wasted". Das soll schon was heißen, in dieser Zeit durchzustehen, wo andere bereits nach der ersten Veröffentlichung spurlos verschwinden. Und ich will es gleich zu Beginn sagen: Mist, dass ich nicht gerade jetzt Best Buy, Target oder Wal-Mart schon in aller Herrgottsfrühe aufsuchen kann, drüben natürlich, denn diese Läden bieten wieder einmal das Besondere: Best Buy fügt der "Time Well Wasted"-CD eine DVD mit 60 Minuten Konzert-Mitschnitten bei. Bei Target gibt es zusätzlich zu den 16 Titeln vier weitere: Yes You Will / Hard To Say Hello / Toilet Song / College (mit Pat Green). Und die Wal-Mart-CD enthält eine DVD mit 5 Videos und 8 Minuten "Behind The Scene"-Mitschnitten. So viel zu dem, was man verpasst.

Mit "The World" geht es gleich "hart" zur Sache mit dem unbedingt nötigen Zugeständnis an die Gegenwart der Country Music: Wild wie nun mal diese Welt ist, dem US-Country-Radio muss eben Tribut gezollt werden. Doch die Melodie behält dann doch die Oberhand, und schnell herauszuhören ist die schon unvergleichliche Stimme des Jungstars. Das ist wichtig für die Zukunft, Mr. Paisley. Denn an den Stimmen wird man sie erkennen, die Großen - na sagen wir mal in 30 Jahren, wenn sich die Country Music nochmals anders anhört. Mit "Alcohol" hat sich Brad Paisley in diesen Wochen schon reichlich breit gemacht in den Charts. Okay, und warum soll mich "Time Well Wasted" sonst noch vom Hocker reissen? Schlicht und einfach deswegen, weil Brad Paisley für moderne gute und sehr gute und vor allem verlässliche Country Music steht, und er somit das Kunststück fertig bringt, auch einmal die Ansichten der älteren wie jüngeren Anhänger auf einen Nenner zu bringen. Wie wohl sonst nur noch Alan Jackson. Doch zählt der nicht inzwischen auch schon zu einer älteren Generation?

Brad Paisley ist ein glänzender Gitarrist - auf der Bühne in seinen Shows wie als Musiker in seinen Musikdarbietungen auf CDs. "I´ll Take You Back" beginnt mit einem furiosen Auftakt, und der schon obligatorische Instrumental fehlt auch nicht: "Time Warp" heißt er. Ganz interessant wird die Musik dieser Zusammenstellung immer dann, wenn sich Brad Paisley dem Old School Country annähert oder sogar praktiziert. Das geschieht ab Lied 6 (You Need A Man Around Here) und ist ein gewisser Bruch in der Hörfolge. Das wird natürlich in erster Linie die "Traditionalisten" unter uns hoch erfreuen: Wenn wir mal 50 Jahre zurückdenken, dann hätte damals ein Ray Price (Flowers), hätte ein Charlie Walker (Love Is Never-Ending), hätte ein Bill Phillips gemeinsam mit Mel Tillis (Out In The Parkin´ Lot) diese Lieder auch singen können. Doch nun sind wir eben 50 Jahre weiter, und heute singt Brad Paisley, das was früher andere taten. Oder er singt gemeinsam mit Alan Jackson: Das Duett "Out In The Parkin´ Lot" verspricht noch Großes. Vielleicht "Event Of The Year"?

Und dann lässt Brad Paisley Ruhe einkehren mit "Rainin´ You" - die Instrumente (dabei Mandoline und Dobro-Gitarre) dezent im Hintergrund. Und ich überlege schon die ganze Zeit, an wen mich der ungewöhnliche Bruch der Stimme im Wort "rain" erinnert. Reichlich ungewöhnlich Brad Paisley am 31.12.2004 in Bakersfield. Bild: Hauke Strübingfür dieses Genre. Im Bereich der Oper würde man sagen: Das singt er nicht aus der Brust heraus sondern mit Kopfstimme. Aber halt, jetzt erinnere ich mich: Slim Whitman war´s, der so sang! Und ins Grübeln komme ich auch: Zurück in die Zeit eines Jimmie Rodgers geht´s zumindest für knappe 50 Sekunden mit "The Uncloudy Day". Erklärung tut not. Ich habe beim besten Willen keine dafür, welchen Sinn diese 50 Sekunden machen.

Die 2. Duett-Aufnahme "features" Dolly Parton eher im Hintergrund. Eine nette Melodie. Mehr noch? (When I Get Where I´m Going). Und mit "She´s Everything" gibt es ein weiteres Zugeständnis an das US-Country-Radio. Ab und zu braucht man als Autofahrer in den USA auch einmal seine Ruhe. Dafür ist dieses Lied wie geschaffen. (Bei uns spielt dieser Gesichtspunkt jedoch keine Rolle, denn der Musik von Brad Paisley wird man sich ohnehin im deutschen Äther verschließen.) Ungewöhnlich an dieser Zusammenstellung ist dann noch, dass eine der stärksten Aufnahmen dieser CD, nämlich der Titelsong "Time Well Wasted", als allerletzte einer Reihe schöner, guter, so lala und wunderschöner Aufnahmen angeboten wird.

Und was fange ich nun mit der "Cornographie" an? Vielleicht so viel: Das Grand Ole Opry-Theatre bietet auf: George Jones, Bill Anderson, James Burton, Dolly Parton, Little Jimmy Dickens u.a. als Hauptdarsteller in einer kurzen Radio-Show alten Stils der 30er Jahre. Spaß muß halt sein. Und die bereitet diese CD allemal.

Brad Paisley - Time Well Wasted  Arista 69642 (veröffentlicht am 16. August 2005)
The World -  Alcohol -  Waitin’ On A Woman -  I’ll Take You Back -  She’s Everything -   You Need A Man Around Here -  Out In The Parkin’ Lot (with Alan Jackson) -   Rainin’ You -  Flowers -   Love Is Never-Ending -  The Uncloudy Day -  When I Get Where I’m Going (Featuring Dolly Parton) -  Easy Money -  Time Warp -  Time Well Wasted -  Cornography (featuring James Burton & the Kung Pao Buckaroos)

Brad Paisley –  Eine seiner größten Fähigkeiten ist der Umgang mit Emotionen
Von Tobias Brockly

Brad Paisley hat seine Zeit nicht verschwendet – ganz im Gegenteil. Er hat die vergangenen zwei Jahre genutzt, eine Menge guter Songs geschrieben und seine Gitarrenarbeit nochmals verfeinert. Von vielen Leuten wird er als großer Hoffnungsträger der traditionellen Countrymusic gesehen. Er selbst weiß sehr genau um diese Verantwortung und auch um die Sensibilität mit der man dieses Thema behandeln muss. Doch irgendwie wird man den Eindruck nicht los, als spiele er damit ein ganz raffiniertes Spiel. Seine Musik klingt nicht nur traditionell, sondern gleichzeitig auch modern. Diese Gratwanderung beherrscht er perfekt – auch auf seinem vierten Album. 

Mit dem Opener „The world“ legt er dann gleich auch richtig los. Ein flotter Song, mit einem eigentlich simplen Text, der sofort gute Laune verbreitet. Beeindruckend ist hier sein Gitarrensound, der so vielschichtig klingt, wie selten zuvor. Die erste Single des Albums, „Alcohol“, gehört eindeutig zu den schwächeren Songs des Albums. Brad Paisley singt hier aus der Perspektive des Alkohols und behandelt die Dinge, die Menschen unter Alkoholeinfluss tun. Eigentlich eine nette Idee, nur leider will der Funke nicht so recht überspringen… 

Eine von Brad Paisleys größten Fähigkeiten ist der Umgang mit Emotionen. Hat man bei einem Song noch Tränen gelacht, so möchte man beim nächsten am liebsten in Tränen ausbrechen. Ein Beispiel für dieses Wechselbad der Gefühle sind die beiden Songs „She´s everything“ und „You need a man around here“. Der erste Song ist eine unglaublich schöne Liebeserklärung an seine Frau, die Schauspielerin Kimberly Williams. Der zweite Song ist – um es mit einfachen Worten zu sagen – einfach nur brüllend komisch. Hier geht es um die Dinge, die einer Frau fehlen, wenn sie keinen Mann hat. Denn irgendjemand muss ja die Spinnen töten, den Fernsehkanal auswählen und das Bier trinken. So sieht es zumindest Brad… 

Ein weiteres Highlight ist der Song „Flowers“, der sich als gewöhnlicher Honky Tonk-Schunkler tarnt, wie man ihn schon mindestens 10 000mal von Alan Jackson oder George Strait gehört hat. Doch Brad wäre ja nicht Paisley, wenn er nicht mal wieder ein Ass im Ärmel hätte. In diesem Fall ist es ein absolut genialer Text, der zwar im Grunde auch genau das ausdrückt, was die anderen Honky Tonk-Schunkler auch tun, aber eben halt im Paisley-typischen Stil. Textauszug gefällig? Na gut: „Tell me how many flowers have to die, before you give this love another try, I´ve asked you to forgive me, at least ten dozen times, tell me how many flowers have to die…“. Einen sicheren Hit enthält das Album auch, nämlich den Song “Easy money”. Die Produktion erinnert etwas an „It’s 5 o’clock somewhere“ von Alan Jackson, der Text ist einfach zu merken und gute Laune ist bei diesem Song ohnehin garantiert. So gesehen spricht eigentlich alles dafür, ihn als Single auszukoppeln. 

Fazit:
Das Album hat alles, was man von einem guten Album erwartet. Wunderschöne Melodien, geniale Texte und zu allem Überfluss gibt es auch noch prominente Unterstützung von Alan Jackson, Dolly Parton, James Burton, sowie den „Kung Pao Buckaroos“, besser bekannt als George Jones, Bill Anderson und Little Jimmy Dickens. Es ist ein nahezu perfektes Album geworden, das wohl auch die letzten Zweifler nun endgültig überzeugen wird. Brad Paisley beweist mit seinem vierten Album, dass er kein vorübergehender Trend ist, sondern die große Zukunft der Countrymusic.