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Country Picks (28): 1. Keith Anderson/2. Willie Nelson/3. Erika Jo
CDs rezensiert von Hauke Strübing
1. Keith Anderson - Three Chord Country And American Rock & Roll

Forsche Musik, die sich heute Country Music nennt. "Three Chord Country" hatte ursprünglich eine ganz andere Bedeutung und wies untrügerisch auf COUNTRY hin. Heute ist das nicht mehr so. Wenn man nur endlich ehrlich wäre, sollte man einen Strich ziehen zwischen solcher Musik, die Country ist, und solcher, die sich zur Rechtfertigung des Namens noch einiger Country-Instrumente bedient. Immerhin sind die 11 Titel der Debut-CD des aus Oklahoma stammenden Keith Anderson abwechslungsreicher als manche andere Gewächse der letzten Monate - wenngleich auch diese Produktion Gitarren-überladen ist. "Podunk" ist ein netter Einfall. Mit "Pickin´ Wildflowers" marschiert Anderson derzeit in die US-Country-Hitparaden, mit einer Aufnahme, mit der er sein Markenzeichen verpasst bekommen hat. Was gefällt an der "Three Chord Country" - CD, sind die gelegentlichen Melodieneinfälle, eigentlich ein Markenzeichen der Country Music. Z. B. "Plan B", ausdrucksvoller, dem Genre ähnlicher. In "Lazy With Your Love" und "I´ll Know When I Get There" kommt seine Stimme besser zur Geltung, wo sie doch sonst einen recht harten Stand hat. Und zum Schluss komme ich doch wieder zu dem Urteil, dass auch "Three Chord Country" überproduziert ist - DoubleXL überproduziert sozusagen, und nichts ist mit ruhigem Anhören und Entspannen. Country? Naja. Hat nicht viel zu tun mit der Art Country von Alan Jackson und Brad Paisley. Eigentlich gar nichts.

Keith Anderson - Three Chord Country And American Rock & Roll (RCA, veröffentlicht am 2. Mai 2005)
Three Chord Country And American Rock & Roll - Podunk - Wrap Around - Xxl - Pickin' Wildflowers - Every Time I Hear Your Name - Stick It - Plan B - Lazy With Your Love - The Clothes Don't Make The Man - I'll Know When I Get There


 

2. Willie Nelson - Countryman

Die Stile, die Willie Nelson in seiner musikalischen Karriere durchlebt hat, sind zu messen an seinen LP bzw. CD-Veröffentlichungen. Begonnen hatte alles 1962 mit dem Songwriter Willie Nelson (Then I Wrote), der für andere Stars die Hits lieferte. Dann belieferte er sich zunächst mal selbst, bevor er mit "Red Headed Stranger" die nächste Vorgabe machte, danach ein musikalischer Outlaw wurde, herzzerreißend Lefty Frizzell in Erinnerung brachte, im Frankie Sinatra-Stil die Country-Welt umkrempelte (Stardust, 1978), und sich schließlich im Laufe der Jahrzehnte durch sämtliche Studios sang und Weltmeister im Duettieren wurde. Seine Duett-Aufnahmen, seine Duett-Lps sind Legende. Einige Duett-Aufnahmen haben Country-Geschichte geschrieben. Habe ich noch etwas vergessen? Natürlich Willie Nelson, der Highwayman. Willie Nelson, der Horseman. Und dann machte er noch seine berühmten Aufnahmen für das Finanzamt. Und Willie Nelson, der Countryman, war er eigentlich immer schon. Mit den seit einem knappen Jahrzehnt im Archiv schlummernden, jetzt vorliegenden Aufnahmen hat er nun eine ganze neue Seite seines Schaffens geöffnet: Willie Nelson ist auch der Reggaeman.Und ab geht die Post! Da bekommt vieles einen neuen Schwung, den man gelegentlich vermisste in seinen Aufnahmen: Aufnahmen mit Pfiff sind das. Schon "Do You Mind Too Much If I Don´t Understand" hat alles, was einen Willie Nelson-Fan begeistert. Und nicht nur den: eine herrliche Melodie, einen stimmungsvollen Text, einen Willie in Hochform, eine Country-Instrumentierung à la Nelson, wie man sie seit Jahrzehnten kennt und gern hört mit dem unverkennbaren Sound seiner zerschlissenen Akustik-Gitarre und alles aufgepeppt mit Reggae-Rhythmen. Man fragt sich, woher dieser Mann die Kraft für seine Stimme nimmt. Der unkomplizierte Gesangsvortrag ohne Schnörkel und künstliches Getue ist Willie Nelsons Stärke. Nur eins sollte man beim Hören oder Genießen von "Countryman" nicht tun: keine Vergleiche ziehen zum lange, lange zurückliegenden Original von"Darkness On the Face Of The Earth" und "Undo The Right". Aber der Rest stimmt, wenn man die Größe hat, Willie Nelson als "Allroundman" einzustufen.

Willie Nelson - Countryman (Mercury/Universal, veröffentlicht am 12. Juli 2005)
Do You Mind Too Much If I Don't Understand - How Long Is Forever - I'm A Worried Man - The Harder They Come - Something To Think About - Sitting In Limbo - Darkness On The Face Of The Earth - One In A Row - I've Just Destroyed The World - You Left Me A Long, Long Time Ago - I Guess I've Come To Live Here - Undo The Right

3. Erika Jo - Erika Jo

Sternchen oder Star? Immer wieder die bange Frage, wenn man ein Erstlingswerk in den Händen hält. Zu lang ist die Liste der Namen, die nur allzu schnell wieder in der Versenkung verschwanden. Am 26. April 2005 gewann die in Texas gebürtige 18Jährige aus Nashville, Tennessee, die Casting-Show "Nashville Star" - die "Wilson County High School"-Absolventin mit der hohen, kraftvollen Stimme, die sich nun in die Gefilde der Nashville Studios begab. Zu früh? Möglicherweise, denn in Windeseile wurde die Debut-CD produziert, was man ihr - sorry - auch anmerkt: Es mangelt schlicht und einfach an einer guten Liedauswahl. In der Überzahl heißt das Ergebnis wieder einmal Country-Pop, überproduziert mit erheblichem Mangel an Melodieneinfällen. Einige Lieder flott, andere langsam im typischen aktuellen Nashville Sound dieser Jahre mit gelegentlichem Einsatz von Fiddle und Steel. Dann aber auch das melodiöse "There Are No Accidents", sehr schön. Noch suche ich nach dem Geheimnis ihrer alles überragenden Stimme, die sie von den anderen aus der Nashville-Maschinerie entstammenden Sängerinnen absetzt. Anyway, singen kann das zierliche Mädchen (Strong Tonight). Mal sehen, auf wessen Stufe sich Erika Jo mit der Zeit setzen wird: als Begleiterin von Martina McBride, Faith Hill, Shania Twain?

Ihre Qualitäten als Sängerin stellt sie mit dem Klassiker "I´m Not Lisa" (Jessi Colter, 1975) unter Beweis. Ach, wie schön kann doch Country Music auch heute noch klingen! Von diesen melodiösen, so mustergültig einfach arrangierten Liedern wünschten wir uns mehr - und eine lang andauernde Zukunft von Erika Jo wäre zu ahnen. Solche Lieder wie "I´m Not Lisa" braucht Erika Jo, um sich gesanglich "auszutoben". Trotz allem: Für "I´m Not Lisa" gibt es den 2. Stern, für den starken Gesang den 3. Stern von insgesamt 5 Sternen.

Apropos "Geheimnis ihrer Stimme": Mir fällt ein, an wen mich Erika Jo Heriges mit der Kraft ihrer Stimme erinnert - an Connie Cato. Und wer erinnert sich noch an sie?

Erika Jo - Erika Jo (Universal South,  veröffentlicht am 14. Juni 2005)
I Break Things - Who You Are - There Are No Accidents - Go - Strong Tonight - Good Day for Goodbye - Wish You Back To Me - They Say Love is Blind  - Going Til Your Gone - Love Is - I’m Not Lisa