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Country Picks (3):
Neue Country CDs kurz und bündig vorgestellt
Von Hauke Strübing

Alan Jackson -  What I Do  (ARISTA 82876-63655-2)

Welche Gedanken kommen mir, wenn ich eine neue CD von Alan Jackson in den Händen halte? Ist er nicht der einzige derzeitige große Country Sänger, von dem man sich ein Album kaufen kann im Vertrauen darauf, tatsächlich auch Country Music auf seine Lautsprecher zu bekommen?! Der einzige! Seine neue CD "What I Do" mag in den Ohren vieler wie ein Rückschritt in die musikalische Erinnerung klingen. Aber Freunde: So klingt nun einmal klassische Country Music. Alan Jackson ist und bleibt schlechthin der Interpret der klassischen Stilrichtung. Er singt und schreibt (fünf Lieder dieser Zusammenstellung stammen aus seiner Feder - etwas weniger als sonst) mit unübertroffener Leichtigkeit und mit Disziplin, und er transportiert Gefühle ohne sie herauszuplärren. Und das alles mit einfachen, verständlichen Worten und griffigen Melodien. Seine Lieder sind eine Studie dessen, was man eigentlich unter klassischer Country Music zu verstehen hat. Und da kommen dann schon mal solche Titel zustande wie "If French Fries Were Fat Free". Ein Teil der deutschen Intelligenz mag da wieder einmal die Nase rümpfen und das nächste Vorurteil gegen die Country Music schüren. Schließlich hat sie es jetzt auch fertiggebracht, Johnny Cash ein Jahr nach seinem Tod in die Folk-Szene zu packen. Johnny Cash und Country Music? Aber bitte schön, wie kann man nur! Doch wer den klassischen Stil dennoch schätzt, dem sei die neue Alan Jackson-CD wärmstens empfohlen. Der Titelsong "To Do What I Do" ist übrigens ein Livemitschnitt aus dem Gaylord Entertainment Center in Downtown Nashville. Und Johnny Cash ist und bleibt die Ikone der Country Music! Da mag die deutsche Intelligenz schreiben und reden, was sie will. Und Alan Jackson wird einmal danach kommen. Gemeinsam mit George Jones, Buck Owens und ......

Alan Jackson - What I Do
Too Much Of A Good Thing - Rainy Day In June - USA Today - If Love Was A River - If French Fries Were Fat Free - You Don´t Have To Paint  Me A Picture - There Ya Go -The Talkin´ Song Repair Blues - Strong Enough - Monday Morning Church - Burnin´ The Honky Tonks Down - To Do What I Do
(20. September 2004)

Big & Rich -  Horse Of A Different Color  (Warner Brothers 48520)

Hier ist etwas, für das ein Kritiker diese Worte fand: "Das bedeutendste Album seit "Wanted! The Outlaws"." Und das Ereignis geht bekanntlich ins Jahr 1976 zurück. Eine lange Zeit also ist es her, seit unisono in Begeisterungsstürme ausgebrochen wird über das, was Nashville in diesem Frühjahr auf die Beine gestellt hat. Eine Vocal Group, die von ganz unten herkommt und nicht vom (umstrittenen) Country Radio in den USA zuvörderst aufgenötigt wurde mit Musik, die sowieso keiner versteht. Anders Big & Rich. Big (Kenny) & (John) Rich bringen "country" wieder ins richtige Lot, in die richtige Richtung: Modern - jawohl, sehr gut. Honky Tonk - noch besser. Mit Elementen des Rock und Rap und Hip-Hop - auch Klasse. Und wie das alles harmonisch klingt. Die Stimmlagen erinnern nicht selten an Brooks & Dunn. Unbestreitbar Country Music!

Noch gibt es keinen Namen für diese (Stil)-Richtung: New Country wäre zu plakativ, abgegriffen und doch so leer. Mal abwarten, was Nashville für diese (im positiven Sinne) abgefahrene Musik auf die Beine stellt. Auf jeden Fall tut sich etwas in Nashville. Vielleicht läuten Big Kenny & John Rich (ehemals lead vocalist von Lonestar) eine neue Epoche für die Country Music ein. Und das teilweise unerträgliche Country-Gejaule vergangener Jahre bleibt uns zukünftig erspart.

Mit von der Partie auf der Debut-CD von Big & Rich: Martina McBride, der andere Shooting-Star der Country-Szene Gretchen Wilson,  "black cowboy rapper" Cowboy Troy und Jon Nicholson.

Big & Rich - Horse Of A Different Color:
Rollin' (The Ballad Of Big & Rich) - Wild West Show - Big Time - Kick My Ass - Six Foot Town - Holy Water - Saved - Real World - Save A Horse (Ride A Cowboy) - Drinkin' 'Bout You - Love Train - Deadwood Mountain - Live This Life

Don Williams -  My Heart To You (Universal1922011)

Es gibt Sänger, Sängerinnen und Gruppen, bei denen man eigentlich nichts anderes erwartet  auf einer neuen CD, als das, was sie schon immer und ewig machten. Don Williams ist so einer. Seine musikalischen Vorgaben machte er inzwischen vor rund 30 Jahren bei JMI und etwas später bei DOT bzw. ABC/DOT und MCA. Diese Einstellung mag oberflächlich etwas althergebracht klingen, aber wer Don Williams Musik von A bis Z kennt und hat, wer Don Williams in den Jahren immer wieder live auf der Bühne erlebt hat und gleichermaßen die Erfahrung machte, dass sich an ihm und seiner Musik quasi nichts änderte außer der Besetzung seiner mehr oder weniger "großen" Begleitgruppe, der wird eher bestärkt in dieser Auffassung. Und so stellt sich nun die Frage: Erfüllt er seine eigenen Vorgaben, erfüllt er sie nicht? Ist die große Veränderung des "stillen" Don eingetreten mit "MY HEART TO YOU", der ersten Studio-Produktion seit knapp 5 Jahren? Die Antworten: Ja, er erfüllt alle Erwartungen. Und nein, es sind keine  großartigen Veränderungen zu bemerken.

Mit Spannung hörte ich mir sein "I´ll Be Faithful To You" an. Wer diesen Don Williams-Standard auch nur einmal live gehört hat, dem treibt es spätestens beim zweiten Mal die Tränen in die Augen. Und wer früh genug anfing, seine LPs zu sammeln, der kann auf die bislang einzige Studio-Fassung von "I´ll Be Faithful To You" ("Cafe Carolina", MCA 5493) von 1984 zurückgreifen, an der sich nun diese zweite Version zu messen hat: ihr fehlt nur etwas von der Einfachheit der umwerfenden Erstversion. Die alten Zeiten werden aber so richtig mit "When I´m With You" (Original auf der LP "Expressions") wachgerufen. Eindrucksvoll auch der Titelsong "My Heart To You". Und wunderschön die Aufnahme "The Rose", die mit Leichtigkeit zu einem neuen Identifikations-Lied des Altmeisters gedeihen könnte. Diese Rolle spielte bislang "Some Broken Hearts Never Mend" mit den drei Einleitungs-Worten "Coffee black, cigarette". Das Lied, das auch in der hiesigen Pressung angeboten wird in einer nicht näher bezeichneten Live-Version.

All das, was ich noch zu "Silver Turns To Gold" zu sagen hatte, trifft für "My Heart To You" nicht mehr zu. Auch wenn den 11 Aufnahmen etwas die "Weichheit des Sounds" von früher fehlt, die seine Aufnahmen so unvergeßlich machen - wir haben hier viel vom alten Don Williams zurück erhalten. Die Titel 12, 13 und 14 sind Zugaben für die europäische Ausgabe von "My Heart To You"; die beiden Aufnahmen "If You Could Read My Mind" und "Fever" sind bereits auf "Silver Turns To Gold" und der 1995er CD "Borrowed Tales" zu hören. Und "Some Broken Hearts Never Mend" - wie gesagt - ist eine nicht zu identifizierende Live-Version eines Konzerts im größeren Rahmen. Übrigens nicht jenes berühmten Konzerts in der Carnegie Hall am 17. Mai 1977. Denn damals sang er das Lied nicht, zumindest nicht in der Plattenfassung.

Don Williams - My Heart To You:
Running In The Fast Lane - Fly Away - I´ll Be Faithful To You - Oh Misery - My Heart To You - One Like Me - The Rose - When I´m With You - Get Away - Wonderful Tonight - Years From Now. Bonusaufnahmen: If You Could Read My Mind - Fever - Some Broken Hearts Never Mend (live)

Amazing Routes -  You´ve Got A Dream To Catch (Artychoke AP-1004)  Deutschland

Amazing Routes - das sind Christine Schmidt (mit 13 minus 2 Lieder beherrschende Vocals) und das sind Helmut Voss (Acoustic Guitar und Dobro Guitar), Jörg Janssen (Bass) und Achim Janßen (Drums und Percussion). Eine Country Gruppe aus dem hohen Norden, aus Emden. Das liegt recht nahe bei Neusüdende, und das wäre wohl auch eine Empfehlung für Neusüdende. Für die vorliegende Debut-CD  "You´ve Got A Dream To Catch" hat Amazing Routes dann noch einige Freunde gewinnen können: Erwin Wilken, Stephan Kok und Jörg Fröse, die mit ihren Instrumenten (Pedal Steel/Mandoline/ Banjo und Fiddle) einen zusätzlichen Country Touch in die Gesamtproduktion brachten.

Mit "You´ve Got A Dream To Catch" liegt Amazing Routes wohl goldrichtig im derzeitigen Nashville-Mainstream mit Musik, die eigentlich jeden anspricht. Wunderbar und gekonnt arrangiert und instrumentiert - doch des Country-Anhängers Sehnsucht nach COUNTRY bleibt. Zumindest in einigen Aufnahmen. Wie heißt es doch in der Ankündigung der CD? "Die neue CD "You've got a dream to catch" präsentiert 13 eigene Country Songs beeinflußt durch Rock und Blues, aber auch Traditionelles und Bluegrass sind darauf zu hören." Naja, Bluegrass ist wohl etwas überzogen. Doch da ist noch eine ganz spezielle Aufnahme, für die ich meine Hand ins Feuer lege: "Wanna Be Loved". Ein Lied, das unbedingt Waylon Jennings ins Konzept gepaßt hätte. Und wenn nicht ihm - dann aber Jessi Colter! Und irgendwie gewinnt die Zusammenstellung nach dem Instrumental (einer von insgesamt zweien) "The Last Minute Of A Rodeo Ride" und dem eben erwähnten "Wanna Be Loved" mit dem schwungvollen "Fields, Clouds And Water" im texanischen Two-Step-Stil so richtig an Fahrt. Und zum ersten Mal übernehmen die Begleitmusiker von Christine Schmidt eine gleichberechtigte Rolle, womit ich sagen will, dass sie im übrigen die tragende Rolle in dieser Produktion spielt. Die Spuren ihrer musikalischen Herkunft (Jazz, Blues, Folk und Rock) spiegeln sich in all ihren Gesangsvorträgen und ihrer Stimme wieder. Gelegentlich wünschte ich mir etwas mehr country. Von ihr stammen (solo und co) die Texte aller Gesangstitel. Die Musik schrieben Helmut Voß (7), Christine Schmidt (5). "There Is A time" stammt aus der Feder von Cristine Schmidt und Helmut Voß.

Amazing Routes - You´ve Got A Dream To Catch:
There Is A Time - Gone - Be My Groom - You´ve Got A Dream To Catch - The Last Minute Of A Rodeo Ride (Instr.) - Wanna Be Loved - Fields, Clouds And Water - Miss You Right Now - Every Night - You Still Feel Young - Nashville South (Instr.) - Just To Be Your Side - Big Fat Man