Uhr

Kommentar

"Cry" von Faith Hill doch nicht Country?
Das Country-Radio in den USA stellt sich quer
Von Hauke Strübing, dem Selbsternannten und Macher von bunten Seiten

Sie erinnern sich noch an meine Besprechung der neuen Faith Hill-CD "Cry", die ich letztendlich als puren Pop einordnete, ohne jegliche Spur von Country? Erinnern Sie sich noch? Zu dieser Meinung und dem Inhalt des Beitrages ( Tränenreicher Country-Abschied und ad acta: Die CD "CRY" von Faith Hill ist purer Pop) stehe ich auch heute noch, ebenso zu der Meinung, daß die neuen Aufnahmen von Shania Twain alles andere als Country-Aufnahmen sind. Da täuscht auch nicht der Versuch darüber hinweg, neben dem Mix für den europäischen Markt  einen Country-Mix anzubieten -  wohl für das amerikanische Country-Radio. Grüne Version hin, rote Version her. Für diese und andere Meinungen habe ich einige verbale Prügel einstecken müssen, als ich mich damit in anderen Foren an der Diskussion beteiligte - eben mit meiner Meinung. Man riet mir, "einfach die Klappe zu halten". Und an anderer Stelle kommentierte man meine Meinung zur Situation der Country Music in Deutschland so: "Ich befürchte einfach mal, Hauke, DU bist kein Künstler und mußt Dich mit solchen Dingen nicht tagtäglich auseinandersetzen, sondern gibst lieber pseudoironische Kommentare zu Dingen ab, die über Deinen Horizont gehen."  Na klasse, nun weiß ich ja endlich, was für einer ich bin. Aber der Spaß ist ja bei weitem noch nicht zu Ende. Auf meine Homepage von dritter Seite hingewiesen wird noch einmal nachgekartet: "Eine bunte Seite und ein paar kluge Worte machen noch keinen Fachmann aus. Von diesen selbsternannten gibt´s hier schon genug." Das saß aber! Jetzt bin ich verschreckt, verunsichert und habe mein Selbstvertrauen verloren. Immerhin hat mir dieser schlaue Kerl dann doch noch ein paar kluge Worte attestiert. 

So, und nun frage ich mich und Sie aber, was Sie hier eigentlich im Augenblick auf dieser Seite noch suchen, auf der Seite eines Selbsternannten, auf der Seite mit bunten Bildern, wo Sie doch spätestens jetzt wissen müßten, daß ich hier nur Pseudo-Zeugs zum Besten gebe. Na gut, ich halte Ihnen zugute, daß Sie darauf warten, was ich Ihnen  außer diesen Randbemerkungen eigentlich zu sagen habe. Und da gibt es eine Meldung, die mir irgendwie wieder zu meinem inneren Frieden verhilft. Und zwar zum Thema: Was machen denn nun die beiden Damen Faith Hill und Shania Twain? Machen sie Country? Machen sie Pop? Speziell zur Musik von Faith Hill gibt es eine interessante Entwicklung.

Meine Meinung zur Rolle des Country-Radios in den USA kennen Sie mittlerweile. Nichts bringt mich davon ab, daß es das Country-Radio in den USA war und ist, das die Country Music in das derzeitige Stimmungstief stürzte. Änderung nicht in Sicht. Nashville beugte sich dem Diktat des US-Country-Radios zu willig - und auf der Strecke blieb das Traditionelle in der Country Music, das Eigentliche der Country Music. Diese Neigung Nashvilles gibt es schon immer. Erinnern wir uns vielleicht an die 70er Jahre, als die Country Music in den Bereich "Middle Of The Road" abschwebte. Als sich das so entwickelte, gab es dazu parallel auch immer eine Schiene, die die traditionellen Bedürfnisse der Country-Hörer- und Käuferschaft bediente. Man hatte damals und auch bis in die frühen 90er Jahre hinein immer noch die Wahl, ob man sich nun der Nashville-Linie anpasst oder Conway Twitty, John Anderson, Dwight Yoakam, Randy Travis oder George Strait hört. Dieser Country-Grat wurde ab Mitte der 90er Jahre indes immer schmaler. Die Country Music verkam zu einem Versuchslabor auf der Suche nach Stars, die - wenn es nicht klappte - schon nach der ersten CD abgelegt wurden: Die Zahl der 1-CD-Künstler in der Country Music ist inzwischen riesengroß. Die Kluft zum Country-Anhänger wurde von Jahr zu Jahr größer. Dank eines immensen Zuspruchs, den Garth Brooks weltweit hatte, konnte sich Nashville noch einige Jahre sonnen in den lukrativen Verkaufszahlen ihres Vorzeigekünstlers. Doch was kam nach Garth Brooks?

Die Plattenumsätze sanken, die zwei größten Märkte in den USA (New York und Los Angeles) stehen ohne Country-Radio da, Studios in und um Nashville schlossen ihre Tore. Die Berichterstattung in den Medien über die Country Music ging zurück: BILLBOARD kürzte seine Country-Single-Hitparade von 75 auf 60 Positionen. Die einst breit angelegte Berichterstattung anläßlich der Award-Verleihung zum Beispiel speckte gewaltig ab - in diesem Jahr kein Buchstabe mehr als in jeder anderen Ausgabe. Vielmehr kehrte die Tradition zurück zu BILLBOARD in Form einer Bluegrass-Alben-Hitparade, etwas was es nie zuvor gab! Und die Käufer rebellierten, indem sie "O Brother, Where Art Thou?" kauften, kauften und immer noch kaufen.

Aber jetzt sind da ja noch Shania Twain und Faith Hill, versteifen sich unsere deutschen, anscheinend doch nicht so umfassend aufgeklärten Country-Foren-Experten. Denn just in diesen Tagen erreichte uns eine Horrormeldung! "Faith´s Album Is No. 1, But Radio Balks" heißt es in BILLBOARD. Was so viel heißt wie: Zwar ist das Album CRY von Faith Hill auf Platz 1 der Hitparade, doch das Country-Radio in den USA stellt sich quer. Aber jetzt! Sollte sich das Country-Radio in den USA wirklich besinnen? Da gibt es nämlich Programm-Direktoren im Country-Radio der USA, die der Ansicht sind, Faith Hills Single "Cry" und das gleichnamige Album würden das Country-Format sprengen. Und verwiesen wird darauf, daß sich andere Formate mit "Cry" anfreunden: In BILLBOARDS ADULT CONTEMPORARY-Hitparade zum Beispiel steht "Cry" in der 9. Woche nach Erscheinen schon auf Platz 1, dagegen erreichte "Cry" in der Country-Hitparade, in dem Format also, wo es eigentlich hingehört, lediglich einen enttäuschenden Platz 12, um danach wieder abzusegeln: Über die Plätze 16, 18 und 27  abwärts auf Platz 33 am 16. November. Das US-Country-Radio also in der Besinnungsphase? Das wird´s dann wohl doch nicht ganz sein. Aber Aufnahmen wie "Cry" gehen auch dem Country-Radio in den USA inzwischen zu weit.

Also dann: "Cry" doch kein Country! Und Shania Twain und "Up" und  "I´m Gonna Getcha Good!"? Wir werden das Geschehen verfolgen.