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Seinen zweiten Frühling erlebte er in Deutschland
Dave Dudley
Der King der Trucker Music starb am 22. Dezember 2003
Von Hauke Strübing

„Als TRUCK STOP, die Hamburger Gruppe,  die »Cowboys der Nation« vor einigen Jahren »Ich möcht´ so gern Dave Dudley hör´n« sang, da gelang den Country-Barden von der Waterkant der bis dahin und dato einzige Merkstein in der deutschen Country-Music-Geschichte. Ihren Titel werden wir auch noch in 20 Jahren hören, wenn vieles andere nur noch Erinnerung ist. Mit »Ich möcht´ so gern Dave Dudley hör´n« weckten sie in den Büroräumen mancher deutscher Schallplattenfirma die Country-Geister, als gelte es, den Stich des Jahrzehnts zu machen. Auch den Szenenkenner muss es überraschen, was das Repertoire von Dave Dudley alles hergeben kann. Am meisten wird dieser späte Ruhm Dave Dudley indes selbst überrascht haben!" 

Diese Einleitungssätze meiner Besprechung der Intercord-LP „Dave Dudley – Starportrait" (INT 155.047) im Januar 1982 sagen viel über die Bedeutung des Country Sängers Dave Dudley für die deutsche Country-Szene. Knüpfte Johnny Cash 1963 seinen „Ring Of Fire" unsterblich mit dem Genre Country Music, dann war es Truck Stop 15 Jahre später, die die Eindrücke via Dave Dudley, Hank Snow und Charley Pride weiter vertieften. Vor allem natürlich über Dave Dudley, der in der Folgezeit hierzulande seinen zweiten Frühling erlebte. 

Im Mai 1980 war Dave Dudley einmal mehr fast zwei Wochen in Deutschland. Grund des Besuchs war, seine neue LP zu unterstützen, die Werbetrommel zu rühren und den Menschen Dave Dudley ein wenig näher zu bringen. Manfred Vogel schrieb aus diesem Anlass in der August-Ausgabe 1980 von COUNTRY CORNER den folgenden Beitrag:

"Und so wurde der legendare Trucker-Song-Interpret und Ex-Baseballprofi zwischen München, Hamburg, Köln und Lu­xemburg hin und her chauffiert, was ihm großes Vergnügen bereitete: ,,Uschi fahrt wie der Teufel, es ist herrlich, einmal ohne Geschwindigkeitsbegrenzung fahren zu können", schwärmte er von seiner Fahrerin, "wir sehen viel von Deutschland und haben immer wieder Gelegenheit, das ausgezeichnete Bier zu genießen. Zu Hause trinke ich fast gar kein Bier!" Dave Dudley besuchte in Köln auch die CC-Redaktion und plauderte über seine Pläne: ,,Im Oktober werde ich wohl für eine Tournee wieder nach Deutschland kommen, auch nach Holland wird es dann gehen. Möglicherweise lässt sich sogar eine Tournee zusammen mit Truck Stop arrangieren."

Der Hamburger Gruppe ist Dudley natürlich sehr verbunden, war sie es doch, die mit einem einzigen Lied den Namen Dave Dudley plötzlich in aller Munde brachte. Irgendwie stieg durch die unerwartete Beliebtheit in Deutschland auch sein Marktwert in den USA wieder: ,,Man sagt, in den USA ginge die Zahl der Shows generell zurück, ich merke davon nichts, bis November bin ich pausenlos unterwegs. Außerdem wurden und werden bei Shelby Sing­leton eine Reihe von Platten gemacht, insbesondere sollen einige der klassischen Songs wieder vorgestellt werden, Lieder, wie ,,Mad", ,,Cowboy Boots" und ,,Last Day In The Mine"." 

Immer noch aber denkt man bei Dudley in erster Linie an die Welt der Trucker, der Fernfahrer. Es gibt die wildesten Gerüchte darüber, ob Dave selbst auch einmal zu dieser Zunft gehört hat. Er stellt die Dinge ins rechte Licht: ,,Ich stamme aus Wisconsin und war zunächst einmal Berufssportler. Eine schwere Verletzung zwang mich, etwas anderes zu tun. Etwa drei Jahre war ich dann auch Fahrer, aber ich bin nie ein echter Trucker gewesen, dafür war die Zeit zu kurz. Wohl habe ich mit Trucker-Familien zu tun gehabt, für sie ein wenig gesungen usw."

Vom Geld, das er nach einem schweren Unfall von der Versicherung erhielt, kaufte er sich eine kleine Plattenfirma und produzierte den Song, der eine ganz neue Karriere eröffnete ,,Six Days On The Road". Seither kennen wir den Country-Sänger Dave Dudley, es ist natürlich, dass er dieses Lied immer noch als sein bevorzugtes Truckerlied bezeichnet. ,,Ich habe eine Reihe meiner Lieblingslieder auf dem neuen Album ,Interstate Gold' verewigt. Ich repräsentierte die Trucker sehr gerne. Aber wenn man sich einmal genau umsieht, wird man wehmütig. Ich bin offenbar der einzige typische Truck-Sänger, der übrig geblieben ist. Dick Curless ist krank und kann kaum noch etwas machen, Red Sovine ist kürzlich gestorben, Red Simpson hat sich zurückgezogen. 

Anders als bei uns gehören die Fernfahrer in den USA, insbesondere nachdem die Eisenbahn immer mehr Strecken stilllegte, zu den modernen Helden, die Bevölkerung schätzt sie wegen ihrer lebensnotwendigen Bedeutung und die Trucker selbst haben viel dazu beigetragen, ein positives Image aufzubauen. Dave Dudley, ein Mann von hünenhafter Statur, mit einer sehr tiefen Stimme, er scheint wie geschaffen für Lieder über das harte Leben der harten Männer in ihren Trucks. Wesentlich weniger bekannt, aber mindestens genau so gut, sind seine gefühlvollen Balladen. Man wird sich erinnern an ,,A Thing Called Love", ,,For The Good Times" oder auch ,,George". ,,Dies waren nicht große Verkaufserfolge für mich, aber ich hatte die Chance, sie für meine LPs aufzunehmen und bin sehr glücklich darüber. Als meine Karriere begann, wollte ich Balladen singen, auch heute habe ich dieses Verlangen immer wieder einmal." Es sollte nicht wundern, eines Tages Dave Dudley mit einer Ballade in den Charts zu finden, zumal er mit Tom T. Hall einen der heute besten Balladensänger zum Start verholfen hat. ,,Tom kam damals nach Nashville und landete bei Jimmy Key, Jimmy Newman und mir, wir hatten ein gemeinsames Unternehmen. Anfangs habe ich Tom sogar mit auf Tourneen genommen, natür­lich finden sich auf meinen Platten viele von seinen Songs, er ist ein sehr guter Mann und ich bin stolz, ein wenig für ihn getan zu haben."

Mit 52 Jahren ist der vitale, lebensfrohe Hüne mit seinem Cowboyhut und den dazugehörenden Boots voll im Geschäft. Auch wenn seine Platten in den Country-Charts kaum noch zu finden sind, kann er sich über Mangel an Beschäftigung nicht beklagen. ,,Dieser Promotiontrip war zwar anstrengend, Auftritte in ,Disco' und ,Country Music', Besuche bei Sendern usw., das geht auf die Kondition aber es macht uns so unwahrscheinlichen Spaß – mir und meiner Ehefrau Marie Dudley, die von Deutschland so angetan war, dass sie gar nicht in die Staaten zurück wollte. Marie Dudley, dies sei nicht verschwiegen, spielt eine wichtige Rolle im Leben des Trucker-Kings, dessen Vorfahren aus Königsberg stammen.

Das Leben geht oft seltsame Wege, bei Dave Dudley führte ein deutscher Country-Song zu einem Auftritt in einer sehr gut aufgenommenen Fernsehshow und offen­bar zu einem neuen Höhepunkt einer bereits langen und sehr erfolgreichen Karrie­re. Wenn das Glück ihm weiter zur Seite steht, kann Dave Dudley sogar in Deutschland ein Star werden — und das auch noch mit Country Music. Wir wünschen es ihm von Herzen.

Als Uschi Gas gab und Dave Dudley zum Abschied mit seinem Cowboyhut aus dem Auto winkte, hörte man von einem Passanten: ,,Der Mann ist ja wie ein Wirbelwind, der ist kaum zu bremsen."

David Darwin Pedruska alias Dave Dudley starb am 22. Dezember 2003 in Danbury, Wisconsin. Er wurde am 3. Mai 1928 in Spencer, Wisconsin geboren. Der Sänger, Songwriter und Gitarrist begann seine Karriere bei verschiedenen Radio-Sendern. Mit "Six Days On The Road" begann seine Sängerkarriere - allerdings zu Beginn nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Das Lied erschien zunächst auf seinem eigenen Label "Golden Ring" (Six Days On The Road/I Feel A Cry Coming Out - Golden Ring 3020), erreichte am 3. August 1963 einen Platz 2 in den Country Charts von BILLBOARD (hinter "Ring Of Fire") - doch dann gab es rechtliche Schwierigkeiten: WING war damals das (so genannte) Billig-Label von Mercury Records, und wegen der Namensähnlichkeit RING - WING gab Dudley seine Firma auf und wechselte zu Mercury Records, nachdem auch noch sein zweiter Erfolg "Cowboy Boots/I Think I´ll Cheat" (Golden Ring 3030) unter dem alten Logo erschienen war.

Und das war dann damals meine Besprechung der eingangs erwähnten INTERCORD-Doppel-LP "Starportrait Dave Dudley" (INT 155.047):

Eine neue Dave-Dudley-Zusammenstellung kommt nun aus Stuttgart: Bin Doppelalbum mit 24 Aufnahmen, die in ihrer Vielzahl im Jahre 1973 entstanden sind. Ein Jahrgang übrigens, der von der nackten Zahl her nicht unbedingt Country Music von der pursten Seite signalisiert. Als eine Art Reaktion auf den modernen Trend der frühen 70er Jahre kann diese 24er Zusammenstellung allemal verstanden werden: Alles ist — wie das ja gewünscht wird - recht einleuchtend und gelegentlich sogar einfach arrangiert. Die beiden Produzenten Jimmy und Jack Key brachten »country« wieder in die Country Music zurück. Im Übrigen gibt es neben einer Reihe von Love Songs auch schon mal eine Coverversion (The Most Beautiful Girl) und dann natürlich die unverwüstlichen, für Dave Dudley so typischen Trucker Songs, wobei die hier gehörte Fassung von »Six Days On The Road« alles andere als der 1963 populär gewordene Superhit ist. Interessant ist der Hinweis auf der Plattenhülle, wonach die hier angebotene Fassung bereits 1961 entstanden sein soll. Dem Dave-Dudley-Fan muss mittlerweile der Hinweis etwas wert sein, deutsche Dudley-Veröffentlichungen genau zu prüfen. Da scheinen verschiedene Firmen gleichzeitig an einer Quelle zu saugen: Gleichzeitig erscheint ein Marifon-Album und etwas später als dieses »Portrait«-Doppelalbum ein Teldec-Album, und bei allen Platten ist die Überschneidung der Titel geradezu eklatant. Sicherlich war es nicht das, was Truck Stop meinte, als die Gruppe sang »Ich möcht´ so gern Dave Dudley hör´n «.