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Der Meister knapper Worte
Don Williams live in der Carnegie Hall in New York
Von Hauke Strübing

 


Bei der Zusammenstellung der Don Williams-Diskographie fiel mir auf, daß auf anderen Seiten, eine Langspielplatte von Don Williams überhaupt oder in den meisten vergleichbaren Quellen fehlt. Sicherlich, das Doppelalbum "Country Comes To Carnegie Hall" ist keine Soloplatte von Don Williams, weil sie auch unter den Namen von Hank Thompson, Freddy Fender und Roy Clark firmiert. Dennoch ist dies kein Grund, sie unerwähnt zu lassen. Vielmehr muß sie besonders hervorgehoben werden, weil sie wohl immer schon das einzige Tondokument für das war, was die Besucher seiner Konzerte so fasziniert: Er läßt sein Publikum singen! Damals schon - und heute immer noch. Und das Publikum macht mit, wenngleich der Text des Liedes "You´re My Best Friend" nicht jedem mehr so geläufig ist. Als das Doppelalbum 1977 erschien, beschrieb ich in der deutschen Zeitschrift COUNTRY CORNER "Country Comes To Carnegie Hall" aus meiner Sicht. Hierunter lesen Sie den Beitrag - veröffentlicht in Heft 56 von COUNTRY CORNER am 1. Oktober 1977.

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ABC Dot´s Mann in Nashville, Jim Foglesong, konnte am 4. April 1977 in Nashville noch nicht wissen, was sich am 17. Mai 1977 in New York tun würde. Anfang April meinte er in einem Gespräch mit uns noch, daß Don Williams in Europa erfolgreicher sei als in den U.S.A. Dieses Phänomen gab ihm ein gewiß nicht kleines Rätsel auf. Eine kleine Lösung gab ihm dann ebenso gewiß jenes Konzert am Abend des 17. Mai 1977 in New Yorks Carnegie Hall in der 57. Straße, aus dem Don Williams als großer Gewinner herausging: Die New Yorker und auch jene, die weit angereist waren, lagen ihm zu Füßen - oder besser: sie standen. Während seiner 35-Minuten-Show und 10 Gesangsvorträgen gleich dreimal (knapp 17 Minuten sind auf dem Doppelalbum festgehalten).

Der Meister der knappen Worte (während der ersten drei Aufnahmen begnügte er sich mit den zwei Worten "thank you") brachte es mit zwei, drei Sätzen, einem "oooooh" und der Wiederholung der zwei, drei Sätze fertig, Show-verkehrt zu improvisieren: Zum Schluß sang der große "Carnegie-Hall-Chor" sein "You´re My Best Friend" und entlarvte seine zweifelnde Frage, ob dieses Lied hier wohl überhaupt bekannt sei, als einen seiner spartanischen Texas-Witze! Fischer-Chor made in U.S.A. Was ein Glück, daß die Technik dieses Ereignis gekonnt und überhaupt konserviert hat. Sie hören es nun auf diesem Doppelalbum.

Don Williams, Country Comes To Carnegie Hall, Cover der LP

Wer Don Williams Ende 1975 hier bei uns in den US-Clubs und später in England gehört hat, spürt auf Seite 4 dieses Doppelalbums viel von dem, was in Europa so viel Begeisterung auslöste. Diese 17 Minuten sind überhaupt der erste technische Beleg dafür. Erstmals also Don Williams live auf Platte.

Ebenso wie auch Freddy Fender, dessen Show nun schon eher nach Freddy Fender auf Platten klingt. Die Veranstalter M. Nederlander, Jim Halsey und die Radio-Station WHN (die Show wurde live auch im Rundfunk übertragen) haben ihr Programm gut ausgewogen. Neben dem Schweiger Don Williams trat der Redner Roy Clark auf. Was soll man nun mehr bewundern: Roy Clarks vielen Worte oder seine Gitarrenakrobatik? 50 Minuten dauerte sein Show-Part an diesem Abend, von neun Titeln hält dieses Doppelalbum fünf fest. Er muß also schon allerhand erzählt haben!

"Von allen Künstlern", schrieb BILLBOARD am 18. Juni "war Hank Thompson der bedauernswerteste" und wollte damit wohl (in nette Worte gekleidet) das "out of big business" signalisieren. Aber was soll´s! Hank Thompson ist lebendige Western-Swing-Legende. Und für uns hat gerade Hank Thompson auf dieser Doppel-LP eine besondere Bewandtnis: Von Kirchgöns, Baumholder und Schwäbisch Hall direkt in die Carnegie Hall in New York. Schnurstracks! Ist das nicht diese Platte wert? Mit Importveröffentlichung oder sogar deutscher Veröffentlichung kann gewiß gerechnet werden (bei ARIOLA). Na bitte!

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Zusatz: "Country Comes To Carnegie Hall" wurde dann tatsächlich auch in Deutschland veröffentlicht: ABC 25454 XCT.