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Ein Ästhet der Country Music
Don Williams am 13. 12. 1975 in Stuttgart
Von Hauke Strübing

Don Williams war  hier. Nach viel Utrecht hin und viel Utrecht her, nach Utrecht ja und nein und dann doch wieder ja. Hier in Deutschland war er auf US-Base-Tournee. Alles ging so schnell und zackig - und überraschend dazu. Viele, die ihn hätten sehen wollen, sind seit dem 13. Dezember 1975 um ein wirkliches Erlebnis ärmer.

Don Williams war mit seinen zwei Mannen erstmals in Europa auf "Tournee", in Deutschland sowieso das erste Mal, London Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfieldwird ihn, wenn nicht noch kurzfristig eine Änderung eintritt, an Ostern sicher wiedersehen. Aber Deutschland? Es ist kein Anlaß zur Freude, wenn man weiß, daß sich seine bisherige Lizenzfirma (EMI) nicht einmal zum Hauch einer Veröffentlichung durchringen konnte: kein Album, keine Single, keine irgendwo verstreute Aufnahme. Nichts! Und doch hat er hier seine Anhänger, die seit Jahren keine Mühen scheuen, seine Alben zu erhalten. Don Williams ist über seine Popularität überrascht. Er, der in jeder Phase überlegt handelt und äußerst kontrolliert wirkt, freut sich darüber. Überhaupt ist Don Williams im persönlichen Gespräch ein anderer Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield (2)als auf der Bühne. Gewollt oder nicht: Sein auffallend ruhiges, fast wortkarges Auftreten während seiner 70minütigen Vorstellung haben zwischen ihm und den Zuhörern eine spannungsvolle, eine respektvolle Distanz geschaffen (Fast verschämt schon schlichen sich die Fotografen an ihn heran, peinlichst darauf achtend, bei jedem neuen Versuch mindestens einige Zentimeter Terrain gutzumachen. Seine unveränderliche Haltung "direkte Tuchfühlung mit dem Mikrofon" machte diese Versuche ohnehin verflixt schwierig). Man kann partout nicht behaupten, daß jener viel zitierte Funke diesmal von der Bühne ins Publikum übergesprungen sei. Aber irgendwie gab´s die Verbindung Don Williams - Publikum (zumeist Angehörige der US-Army) dann doch. Nur, sie gestaltete sich viel komplizierter als sonst in anderen Shows. Don Williams gräbt sich ins Unterbewußtsein seiner Zuhörer ein. Don Williams zeigt Nachwirkung!

Denn Don Williams macht keine Show im herkömmlichen Stil etwa. Er macht überhaupt keine Show, auch wenn seine Vorstellungen Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield (3)als solche angekündigt sind und wohl immer wieder so angekündigt werden. Es fiel (sogar) das Wort von der Anti-Show. Eigens für Don Williams müßte tatsächlich zunächst ein Begriff geschaffen werden, der seine Auftritte am ehesten beschreiben. Show ist bei Don Williams Vortrag, Show das sind seine Lieder: Lied an Lied ohne verbindende Wortpassagen. Und es bedurfte schon einer langen Weile, bis das Publikum diese Art der Ansprache begriff. Fast 70 Minuten dauerte dieser Liedvortrag - es muß Don Williams am 12. September 2002 in Bakersfield (4)wohl annähernd sein komplattes auf Alben veröffentlichtes Material gewesen sein. Und das war es wohl: Ohne Euphorie sang und sang er, als wolle er sagen: Du mußt so viel bieten wie irgend nur möglich. Schließlich erlebte man auch schon das gegensätzliche - wenig künstlerische Darbietungen und viele Wortgefechte. Sicher lockern Witze und Witzchen und viel Geschwätz eine Vorstellung belebend auf und schaffen auf direktem Wege eine direkte Begeisterung. Begeistert war man an jenem Dezember-Abend auch im ausverkauften "Candlelite"-Club in Stuttgart. Hinzu kam jedoch diese Spannung, die sich nicht einmal beim respektvollen, beim bewundernden Beifall zu lösen vermochte. Man erlebte mit Don Williams einen Ästheten der Country Music.

Die Darbietungen von Don Williams und seinen zwei Mannen (er nannte sie "small compact group") David Williamson/Bass und Danny Flowers/Lead Guitar unterschieden sich noch in einem weiteren Punkt von denen anderer. Mit einem Kleinstaufwand an Instrumenten zaubetrten diese drei Perfektionisten diesen so typischen Williams-Sound einfach so hin: es war schon verblüffend. Man erlebte den "real" Don Williams.

Fünf Langspielplatten hat Don Williams auf dem Markt. Seine sechste erscheint in diesen Tagen. Nach großen Versäumnissen in den letzten Jahren liegt es nunmehr an ARIOLA in München, diesem Sänger endlich Beachtung zu schenken - zumindest aber einmal einen Versuch zu starten.

Anmerkung zu diesem Artikel: Der Beitrag erschien in Heft 48 vom Februar 1976 in COUNTRY CORNER (11. Jahrgang) und war die erste deutschsprachige Abhandlung über den Sänger Don Williams. Die angesprochene Firma ARIOLA kümmerte sich in der Folge speziell sehr um Don Williams wie überhaupt um die Country Music in Deutschland. Bilder: Hauke Strübing