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Schöner als das Lied "Kentucky" mit Gail Davies kann die Country Music nicht sein
Gail Davies am Sonntag, 30. Oktober 2005 in Fichtenberg
Acoustic Country & Bluegrass im "Crazy Saloon/Zur Scheuer"
Von Hauke Strübing

Es kommt ja nicht häufig vor, dass sich Country-Sänger/Sängerinnen in die nähere Umgebung von Schwäbisch Hall verirren - bedeutende oder gar welche aus der 1. oder 2. Garnitur aus Nashville, der immer noch angesagten Hochburg der Country Music, im US-Bundesstaat Tennessee, nun schon mal gar nicht. Die letzte Erinnerung an ein Ereignis dieser feinen Art geht weit, weit zurück bis in die 70er Jahre, als der heutige "Solpark" noch das Camp Dolan war. Damals traten - natürlich bevorzugt im Rahmen der Kulturpflege für das US-Militär-Personal - auch die Großen der Country-Szene in den USA im NCO-Club auf: Am 16. September 1973 Teddy & Doyle, The Wilburn Brothers, am 15. Juni 1975 Del Reeves, am 27. Januar 1977 Joe Stampley, am 28. Februar 1977 Red Steagall, am 27. April 1977 die Country-Legende Hank Thompson, am 4. Dezember 1977 Sue Thompson und am 6. September 1979 David Houston. Danach war dann der Traum vorbei. Die Dolan Barracks in Schwäbisch Hall-Hessental sind nach dem Abzug der Amerikaner im September 1993 Geschichte. Zwar existiert der NCO-Club heute noch an gleicher Stelle als Veranstaltungsstätte im "Solpark" in Schwäbisch Hall-Hessental, doch wurde dort nach dem Auftritt von David Houston anno 1979 kein Country-Star mehr gesehen - geschweige denn gehört.

Aus der Traum vom Country-Ereignis vor der Haustüre. Zumindest die letzten 25 Jahre. Es sei denn man betrachtet Fahrten im Umkreis von 100 bis 300 km nicht als außergewöhnliche Belastung, denn in Stuttgart, Heilbronn, Nürnberg, Frankfurt und Bühl wurde und wird dann und wann schon etwas geboten. Als ich damals Anfang September 1973 erfuhr, dass die Wilburn Brothers quasi vor der eigenen Wohnungstür auftreten würden, verschlug es mir fast den Atem. Das war gefühlsmäßig so ähnlich wie Weihnachten und Neujahr an einem Tag mit Brunch am Ostersonntagmorgen. Zur Erinnerung: Das Gesangsduo Teddy & Doyle Wilburn zählte in den 60er Jahren zu den Top-Stars der Country Music! Ähnlich wie damals - nur nicht mehr ganz so heftig - erwischte mich anderntags die Nachricht, dass Gail Davies am 30. Oktober 2005 auch in Fichtenberg auftreten würde. Fichtenberg? Richtig: Fichtenberg liegt knapp 25 km entfernt von Schwäbisch Hall, 30 km entfernt von Backnang, 35 km entfernt von Schwäbisch Gmünd - also knapp vor der eigenen Haustür, ganz großzügig gesehen und überhaupt nun kein Hindernis, sich hoppla hopp auf die Socken zu machen. Denn mit Gail Davies erleben wir Country Music pur!

Gail Davies, 1948 in Broken Bow, Oklahoma, geboren, ist "eine der bedeutendsten und einflussreichsten Sängerinnen und Songwriterinnen, die in den vergangenen 20 Jahren in der Country Music aktiv mitmischten" (Country Music International). Im Juli 1978 platzierte sie mit der Aufnahme "No Love Have I" ihren ersten Single-Erfolg in BILLBOARDs Country-Hitparade. Andere Erfolge heißen "Poison Love", "Someone Is Looking For Someone Like You", "Blue Heartache", "Like Strangers", "I´ll Be There (If You Ever Want Me)" und "It´s A Lovely, Lovely World". Ihre ersten Alben produzierte Gail Davies 1980 und 1981 für Warner Brothers ("The Game", "Blue Heartache" und "I´ll Be There") - und brach in eine bisherige Männer-Domäne ein: Sie schrieb, produzierte und arrangierte als erste Frau ihre eigenen Alben. Sie war überhaupt die erste Schallplatten-Produzentin in der Geschichte der Country Music. Ihre Kompositionen wurden in mehreren Sprachen überall in der Welt von Künstlerinnen wie Jann Browne, The Whites, Susan McCann, Martina McBride, Emmylou Harris und Nana Mouskouri aufgenommen. Eine ihrer großen Leistungen war die im Januar 2002 veröffentliche CD "Caught In The Webb" - ihre Produktion von 21 der bekanntesten Lieder des Sängers Webb Pierce, einem der Country-Stars der 50er Jahre.

Gail Davies ist mit ihrer Musik heute weit entfernt von dem, was Nashville als letzten Schrei anbietet: Sie macht acoustic country in fast schon klassischem Bluegrass-Stil - mit Gitarren, Mandoline, Dobro und Bass. Im Laufe der Darbietung erklingen immer wieder die Lieder aus der guten, alten Zeit: "Are You Teasing Me" (Carl Smith), "Poison Love" und "Ashes Of Love" (Johnnie & Jack). Und dann sollte es kein Besucher eines ihrer Konzerte in Untermeitingen, Heilbronn, Rheinau, Bühl und auch in Fichtenberg unversucht lassen, sie um das Lied "Kentucky" zu bitten. Schöner als "Kentucky" mit Gail Davies kann die Country Music nämlich nicht sein.

Gail Davies trat
am Sonntag, 30.10.2005, um 20 Uhr im "Crazy Saloon/Zur Scheuer"  in 74427 Fichtenberg (bei Schwäbisch Hall) auf. Ein Konzertbericht.