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Von der Opry nach Fichtenberg:
Gail Davies im schwäbischen Honky Tonk "Crazy Saloon/Zur Scheuer"
Ein Konzertbericht von Hauke Strübing


Gail Davies am 30. Oktober 2005 in Fichtenberg. Bild: Hauke Strübing

Direkt von der Opry Plaza und der Grand Ole Opry in Nashville am 1. Juli 2005 nach Fichtenberg ist natürlich leicht übertrieben, denn inzwischen trat Gail Davies tags zuvor bereits in Meitingen auf. Und nun - wie gesagt am Sonntag, dem 30. Oktober 2005, in Fichtenberg ganz in der Nähe von Gaildorf, Murrhardt, Backnang und Schwäbisch Hall - ganz wie sie wollen. Im "Crazy Saloon/Zur Scheuer" fand das Ereignis statt. Und eigentlich konnte sich die Sängerin und Songwriterin hier so richtig wohlfühlen im Ambiente eines texanischen Honky Tonks. Und sichtlich wohl gefühlt hat sie sich gemeinsam mit Ehemann Rob Price (Bass und Vocals) und dem Dritten im Bunde, mit Dave Luke (Gitarre, Mandoline und Vocals), im Kreise einer interessierten Zuhörerschaft. Von 20:45 Uhr bis 23:30 Uhr (mit nur einem kurzen Break) zog Gail Davies mit ihrem Duo ein Feuerwerk an eigenen Songs und anderen bekannten Liedern ab - ohne Punkt und ohne Komma: Gail Davies das bis in die Fußspitzen musikalische Energiebündel. Und es ist immer wieder faszinierend, US-Künstler zu erleben, die - egal ob 25, 45 oder 57 Jahre jung - diese Energie von der Bühne aufs Publikum übertragen. "Acoustic Country und Bluegrass Music" - so hieß es in der Ankündigung. Bei drei Leuten auf der Bühne ein gewagtes Unternehmen, doch das vermutete Problem löste sich sehr schnell auf, wenn Dave Luke auch schon mal im fliegenden Wechsel die Gitarre gegen eine Mandoline austauschte. Und so kam dann jeder auf seine Kosten: Rock´n´Roll, Country, Gospel, Bluegrass - eigentlich alles: Ein Mix aus flotten neueren Melodien und Country-Oldies der Standard- und Superklasse. Irgendwann kam dann ihre Bemerkung an das Publikum: Wenn Sie viele Lieder nicht kennen, dann liegt das daran, dass ich sie geschrieben habe. Die Frau wollte den Satz als Joke rüberbringen und war in dem Augenblick dennoch sehr, sehr ehrlich!

Gail Davies Vortrag war gleichsam auch eine Songwriter-Session. Die Worte, die an diesem Abend am häufigsten fielen, hießen: Here´s a song I wrote. Aber zwischendurch erklangen sie dann auch, die guten alten Bekannten: "Are You Teasing Me" (Louvin Brothers), "Poison Love" und "Ashes Of Love" (Johnnie & Jack), "It Ain´t Me Babe", "Frankie And Johnny" und "I Still Miss Someone" (Johnny Cash), " I Don´t Hurt Anymore" (Hank Snow), mit Hank Williams "Lovesick Blues" gab sie alles her, was sie an Stimme und Einfühlungsvermögen hat, "The Race Is On" (George Jones), den alten Katalog-Song "Wreck Of The Old ´97", "Singin´ The Blues" (Melvin Endsley, Marty Robbins). Eine besondere Rolle im musikalischen Leben von Gail Davies spielte und spielt der 1991 verstorbene Country-Sänger Webb Pierce, den sie als ihren "Father der Country Music" in Erinnerung brachte mit einer Reihe von Liedern des Sängers, der in den frühen 50er Jahre weitgehend das country-musikalische Geschehen beherrschte. Seine Lieder zogen sich durch das ganze Programm an diesem Abend: More And More / No Love Have I / Love, Love, Love / Slowly / Backstreet Affair. Die Musik von Webb Pierce hat im musikalischen Schaffen von Gail Davies einen hohen Stellenwert. Das bereits 1990 erschienene Album "Caught In The Webb" legt dafür Zeugnis ab, ein Album mit 21 Webb-Pierce-Hits - gesungen von Sängern/Sängerinnen mit klangvollen Namen und produziert von Gail Davies.

Es gab viele Höhepunkte während des gut 2 1/2stündigen Konzerts von Gail Davies: Das - wie sie andeutete - "controversial" Lied "Unwed Fathers", das sie für Tammy Wynette schrieb, ihren größten Hitparaden-Erfolg "I´ll Be There (If You Ever Want Me)", den exzellenten Satzgesang in verschiedenen Bluegrass- und Gospel-Liedern. Und schließlich ihr einfach umwerfendes "Kentucky", von dem ich schon in der Ankündigung schrieb, dass es kein Besucher eines ihrer Konzerte unversucht lassen soll, sie um ihr Lied "Kentucky" zu bitten. Eigentlich brachte ich "Kentucky" immer in Verbindung mit den Louvin Brothers, doch im Vorgespräch erzählte mir Gail Davies, dass sie "Kentucky"von den Everlys her kenne. Klar doch, eins ist so gut wie das andere, und das "Kentucky" mit Gail Davies war mein größtes Erlebnis an diesem Abend in Fichtenberg: Für den einen ist es halt die Stretta im "Troubadour", für den anderen Pachelbels Canon in D-Dur und für den dritten "Kentucky" mit Gail Davies.

Mit einer Strophe von "El Rancho Grande" (in spanisch), mit "Singing The Blues" und der 3. Zugabe "I Can´t Help It" (Hank Williams) ging ein Country-Ereignis im intimen Rahmen zu Ende. Es wird lange haften bleiben.

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Die CD "Caught In The Webb - A Tribute To The Legendary Webb Pierce" ist bei den Gail Davies-Konzerten erhältlich.
Eine neuere Version von "Kentucky" ist auf der CD "Greatest Hits" von Gail Davies zu hören und ebenfalls bei den Gail Davies-Konzerten erhältlich. Das Original von "Kentucky" erschien 1980 auf der LP "Gail Davies - I´ll Be There" (Warner Bros. 23509).

Die weiteren Gail Davies Konzerte in Deutschland:
am Donnerstag, 03.11.05, Ebene 3 im K3, Berliner Platz 12, 74072 Heilbronn (Tel. 07131-393077),
am Freitag, 04.11.05, Kulturkneipe Hirsch, Eninger Straße 11, 72555 Metzingen Glems. Info unter 07123-20881,
am Samstag, 05. 11. 05, Stadthalle Freistett, 77866 Rheinau 
am Freitag, 11.11.05, Schütte-Keller, Blumenstraße 5, 77815 Bühl (Tickethotline 07223 / 25 00 76)


Von links: Dave Luke, Gail Davies und Ehemann Rob Price. Bild: Hauke Strübing