Uhr

The
Great
George Jones
(1)
 
  Porträtiert von Hauke Strübing

 

In der Ausgabe vom 20. Oktober 2001 meldete die Musik-Zeitschrift BILLBOARD etwas Außergewöhnliches:"In dieser Ausgabe der "Top Country Albums" gibt es einen Sänger, dessen Hitparaden-Karriere sich mit der Geschichte von BILLBOARD´s "Top Country Albums" deckt." Der Name des Sängers: GEORGE JONES. Als BILLBOARD nämlich am 11. Januar 1964 die erste Country-LP-Hitparade veröffentlichte, war auch George Jones dabei. Damals sogar gleich mit zwei Langspielplatten, und zwar mit "The Best Of George Jones" (United Artists 6291) und mit "George Jones & Melba Montgomery Singing What´s In Our Heart" (United Artists 6301). Beide natürlich in Vinyl.

George Jones im Jahr 1955

George Jones ca. im Jahr 1955, als sein erster nationaler Country-Hit "Why Baby Why" in die Charts stürmte

Das war damals. Sein neuestes (und wievieltes?) Album erschien Anfang Oktober 2001 auf dem BANDIT-Label (im Vertrieb der Firma BNA) mit dem Titel "The Rock: Stone Cold Country 2001". Zwischen der Erstnotierung am 11. Januar 1964 und dieser BANDIT-Veröffentlichung und gleichzeitigen Notierung auf Platz 6 der Country-LP-Hitparade liegen 37 Jahre, 9 Monate und 1 Woche - die längste Zeitspanne seit Bestehen der Country Hitparade in BILLBOARD, seit Bestehen einer Country-LP-Hitparade wohl überhaupt.

Dabei ist diese Zeitspanne noch nicht einmal alles. Denn George Jones veröffentlichte vor diesem 11. Januar 1964 noch jede Menge anderer Langspielplatten - nur beschäftigte sich BILLBOARD damals eben noch nicht mit diesem Format. Die ersten Langspielplatten von George Jones gehen in die 50er Jahre zurück. Zu Zeiten AFN-selig waren es seine STARDAY-LPs. STARDAY stilisierte George Jones damals schon (in weiser Voraussicht) zum "Crown Prince Of Country Music". Der Titel "King" war schon an Roy Acuff vergeben. Und "Queen" (Kitty Wells) wäre alles andere als zutreffend gewesen. George Jones war also der "Crown Prince Of Country Music" - so hieß dann auch der Titel einer STARDAY-LP (SLP 125 im Oktober 1961). Uns Country-Laien damals vollkommen verwirrend, erschienen in diesen Jahren neben den STARDAY-LPs gleichzeitig andere LPs auf dem MERCURY-Label, die beide oftmals sogar die gleichen Aufnahmen enthielten. Des Rätsels Lösung: Irgendwann Ende der 50er Jahre machten STARDAY und MERCURY  einen Deal, der das gleichzeitige Verwenden gleicher Aufnahmen ermöglichte - und sich als erfolgreich erwies: Schraubte er doch die Anzahl der veröffentlichten und verkauften George Jones-LP hoch.

George Jones, Anzeige für die Single "Flame In My Heart"

Zeitungs-Anzeige von Ende 1957 für die Single Mercury 71141 "Flame In My Heart/No, No Never" (zwei Duett-Aufnahmen mit Virginia Spurlock), eine Single, die nie in einer Hitparade auftauchte.

Nach MERCURY durchlief George Jones immer im Gefolge seines Produzenten Pappy Dailey Karrieren bei UNITED ARTISTS und MUSICOR. Danach hießen die Stationen EPIC, MCA, ASYLUM und schließlich BANDIT/BNA. Als ab 1973 das (fast) komplette MUSICOR-Repertoire von George Jones bei RCA wiederveröffentlicht wurde, da fragten wir uns bei COUNTRY CORNER damals, wieviel Langspielplatten von ihm wohl jemals erschienen sind. Wir kamen schon damals  auf rund 100 verschiedene Veröffentlichungen und zu dem Schluß, daß das sicherlich nicht förderlich sein könnte für seine Karriere. Doch dies war ein Fehlschluß, denn George Jones ist well und alive und inzwischen 70 Jahre alt! Und die Anzahl der Alben hat sich inzwischen sogar verdoppelt.

GEORGE JONES, THE GREAT! Ebenso faszinierend wie die LP-Veröffentlichungen sind seine Single- und damit Hitparaden-Erfolge. Die ersten Gehversuche startete der Texaner 1953 als Thumper Jones und Hank Smith mit einigen Rockabilly-Aufnahmen. Als Jack Starnes (STAR) und Harold Pappy Dailey (DAY) das STARDAY-Label gründeten, war George Jones einer der ersten Vertragskünstler von STARDAY. Etwa Ende 1953 entstanden im Wohnzimmer von Jack Starnes die beiden Aufnahmen "No Money In This Deal" und "You´re In My Heart". Mit dieser Single blieb er zwar in der Versenkung, doch im August 1955 wurde alles anders. Die Karriere von George Jones begann mit seinem Klassiker "Why Baby Why" (beste Position Platz 4 am 10. Dezember 1955). Die Aufnahme oben zeigt ihn ca. im Jahr 1955, als sein erster nationaler Country Hit "Why Baby Why" in die Charts stürmte.

Anfang 1962 wechselt George Jones von Mercury zu United Artists. Die Aufnahme zeigt (von links) Produzent Pappy Dailey, George Jones und Art Talmadge (Chef von United Artist). Das Bild stammt von August 1963


Wir, die wir die Country Music über AFN einsogen, nahmen teil an dem phänomenalen Aufstieg des Sängers mit dem Mecki-Schnitt, von dem allerdings auch bald durchdrang, daß er dem Alkohol nicht abgeneigt war. Wie auch immer: George Jones bediente unsere Country-Seele mit Liedern nach unserem Geschmack: "Don´t Stop The Music", "White Lightning", "Accidently On Purpose", "Window Up Above". Und dann natürlich "Tender Years", diese unendlich einschmiegsame Ballade, "When My Heart Hurts No More" (genauso schön), "Aching Breaking Heart", "She Thinks I Still Care". Legende sind auch seine Duett-Aufnahmen mit Jeanette Hicks, Virginia Spurlock, Margie Singleton, Melba Montgomery, Gene Pitney, Brenda Carter,  Johnny Paycheck, Merle Haggard, Lacy J. Dalton, Ray Charles und vor allem natürlich mit Tammy Wynette, mit der er lange Jahre eine bewegte Ehe führte. Bis Ende 1997 waren 159 seiner Singleveröffentlichungen in den Country-Charts aufgeführt, ein einmaliger Vorgang - zumindest in der Country Music. Ein Vorgang, dem die andere lebende Legende Johnny Cash auch nichts entgegensetzen konnte.

In den letzten Jahren ereilte George Jones allerdings das Schicksal vieler COUNTRY-Künstler: Auch er wurde vom amerikanischen Country-Radio gemieden, was wohl auch zu der Rebellion in Form der Aufnahme "Murder On Music Row" (George Strait & Alan Jackson) beitrug. Alan Jackson war es dann auch, der der versammelten Fernsehnation im September 1999 während der Award-Verleihung der Country Music Association (CMA) vorführte, was es heißt, der Country-Legende George Jones vorzuschreiben, wie er ein Lied in der live übertragenen Award-Show zu singen habe. Wenn er auftreten wolle, habe er seinen Vortrag (in diesem Fall das Lied "Choices") auf 3 Minuten zu kürzen, hieß die Auflage der CMA. George Jones verzichtete! Und dann passierte das: Alan Jackson sang wie geplant sein Lied und sang dann ohne Unterbrechung und zur Überraschung aller eine Strophe des Liedes "Choices". Tosender Beifall, eine Standing Ovation und eine tiefe Verneigung vor einer Legende. Eine Verneigung vor dem großen George Jones.

Das Porträt "The Great George Jones" besteht aus 3 Beiträgen: Ein Interview mit George Jones, das Manfred Vogel mit dem Sänger nach seiner Trennung von Tammy Wynette 1975 in London führte, ist hier nochmals  als Zeitdokument veröffentlicht. Im 3. Teil folgt der nächste Versuch einer möglichst vollständigen George Jones-LP/CD-Diskographie.