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The First New Traditionalist
John Anderson
Uli Sollweck gibt einen Einblick in die Karriere des Sängers (1. Teil)

John David Anderson wurde am 13. Dezember 1954 in Orlando/Florida geboren und wuchs mit weiteren 5 Geschwistern in Apopka/FL auf. Der  Sänger, der mit seiner unverkennbaren sanften, kehligen Stimme und dem einzigartigen Gesangsstil  mit „Swingin’“ 1982  sowie 10 Jahre später mit „Seminole Wind“ zwei seiner größten Erfolge verbuchen konnte, hatte bereits in jungen Jahren die Liebe zur Musik entdeckt und wusste damals schon, dass sie in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen sollte.

Mit 7 Jahren wurden ihm vom Freund seiner älteren Schwester Donna die eJohn Anderson 1980rsten Akkorde auf der Gitarre beigebracht, und seit dieser Zeit hat ihn dieses Instrument nicht mehr losgelassen. Sogar in die Schule wurde sie zum Üben mitgenommen, und mit 12 Jahren war er bereits ein beachtlicher Gitarrist und spielte in der Band „The Weed Seeds“, die dann in seiner Highschoolzeit in „Living End“ umbenannt wurde. Sie spielten alles was damals so „in“ war von den Beatles, den Stones über Hendrix und Steppenwolf. Es war wieder seine Schwester Donna – selbst aktiv in der Musikszene - die John mit der Musik von Merle Haggard und George Jones bekannt machte und die ihn so begeisterte, dass er sich von nun an mit Country Music beschäftigte. Den Traum von einer Gibson-Gitarre konnte sich der junge Anderson durch harte Arbeit in den benachbarten Orangenplantagen seiner Heimatstadt selbst erfüllen. Dort lernte John u.a. den Blues auf der Gitarre zu spielen und machte Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Musikgeschmäckern der buntgemischten Plantagenarbeiter.

Nach dem Highschoolabschluß war er fest entschlossen nach Nashville zu gehen, um das Ziel, welches für ihn seit frühester Jugend feststand, endlich in Angriff nehmen zu können. So packte er seine 7 Sachen in seinen alten VW Käfer und hielt die Luft an, dass er die lange Strecke bis Nashville ohne Schaden überstehen wird. Als John 1972 nach Nashville kam, wimmelte es von jungen Musikern, die alle ein Stück von dem Kuchen abhaben wollten, an den man aber ohne viel Entbehrungen und harte Arbeit nur allzu schwer herankommen konnte. Um sich über Wasser zu halten, nahm John alle möglichen Arbeiten an. Tagsüber arbeitete er meistens auf Baustellen, und abends nahm er zusammen mit seiner Schwester Donna jede noch so kleine Gelegenheit wahr, vor einem Publikum aufzutreten und somit Erfahrungen als Musiker zu sammeln.

John Anderson, New Country TraditionalistEine seiner ersten Arbeitsstellen waren Dachdeckerarbeiten beim Neubau des Mekka der Country Music, dem Grand Ole Opry Haus. John erzählt heute oft noch gerne von dieser Zeit, als ihn die Arbeiter immer aufgezogen haben, nachdem er ihnen vorschwärmte, dass er eines Tages nicht wie jetzt auf dem Dach der Opry sondern 110 Fuß weiter unten auf der Bühne stehen würde.

1981 sollte sich dieser Traum für den jungen Anderson tatsächlich erfüllen!

Es hat nicht lange gedauert und John schrieb in Nashville seinen ersten Song „Long Cold Winter“, und dieser brachte ihm u.a. einen Vertrag als Songschreiber bei dem Verleger Al Gallico ein. Al Gallico war auch daran beteiligt, dass John 1974 bei dem Label „Ace of Hearts“ unterkam, und dort veröffentlichte er seine allererste Single mit der Eigenkomposition „Swoop Down Sweet Jesus“ sowie „What Did I Promise Her Last Night“ und eine weiter Single.

Von zuhause an traditionelle Countryklänge von Hank Williams, Jimmie Rodgers, Lefty Frizzell und den Delmore Brothers gewöhnt und durch seine eigenen Vorbilder Merle Haggard und George Jones sowie die frühen Erfahrungen mit Rockmusik stark geprägt,  hatte Anderson sich vorgenommen,  Country Music zu machen, die auch junge Leute ansprechen sollte. Er begann seinen ureigenen Stil zu entwickeln, und man kann sagen, dass er einer der wenigen ist, der die Verbindung zwischen  Rock und Country auch zufriedenstellend interpretieren konnte. Auf die traditionellen Country-Instrumente Fiddle, Steelgitarre und Banjo legte er sehr viel Wert, mixte diese gerne mit Rockrhythmen, und sogar Bläser wurden öfters eingesetzt, siehe die Songs „Swingin’“, „Black Sheep“ oder auch „You Ain’t Hurt Nothing Yet“.

Gerade in einer Zeit, wo sich die Produzenten in Nashville immer mehr und mehr von dem traditionellen Country entfernten in Richtung seichtem Pop und somit dem Country die „Tiefe“ und „Seele“ nahmen, liess sich John John Anderson, New Country TraditionalistAnderson von seinem Vorhaben nicht abbringen und machte seine Musik, ohne auf die unverkennbaren Anzeichen einer Veränderung in Nashville zu reagieren. Seine Dickköpfigkeit, die Musik so zu machen, wie sie ihm gefiel, brachten ihm aber nicht nur Vorteile sondern auch große finanzielle Einbußen. Da er kaum bereit war, den Vorstellungen der Produzenten entgegenzukommen, nahm er es lieber in Kauf, sich aus den Verträgen loszukaufen. „Es gab Situationen, in denen ich sicherlich einige 250.000 Dollars hätte sparen können, wenn ich nicht so ein Dickkopf und kooperativer gewesen wäre. Aber ich kann nicht sagen, dass es mir leid getan hat“, so Anderson in einem Interview mit der Zeitschrift „Country Music“.

Im Laufe seiner Karriere zierten seinen Namen bekannte Labels wie Warner Brothers, BNA, Mercury und Columbia. Um mehr Freiheiten für seine Produktionen zu erlangen, hat John Anderson in 2002 unter der Schirmherrschaft von Audium Records schließlich sein eigenes Label „John Anderson Records“ gegründet, dass ihm nun die gewünschte Unabhängigkeit gibt.

Aber nun wieder zurück zu den Anfängen der 80er Jahre. Bevor John Anderson 1981 eine Einladung in die Grand Ole Opry bekommen sollte, waren da noch die Jahre zuvor, in denen er keine Möglichkeit ausließ mit seiner Musik aufzutreten, Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Schnell wurde in Nashville von dem blonden Jungen mit der ausgeprägten tiefen Stimme gesprochen, und er bekam 1977 von Warner Brothers einen Single-Vertrag angeboten. Die erste Veröffentlichung bei Warner war „I Got a Feelin´ (Somebody Stealin´)". Sie bescherte dem damals 23jährigen Anderson einen nur mittelmäßigen Erfolg. Bis 1978 hatte er mehrere kleinere Single-Erfolge mit z. B. „The Girl At The End Of The Bar“, welches später von George Jones gecovert wurde. Mit „Your Lying Blue Eyes“ in 1979 erreichte er erstmals die Top 15 der Country-Charts, und es war nun eine wichtige Hürde genommen, sodass Warner ihm einen Vertrag für ein Album anbot. Mit seinem Debutalbum „John Anderson“ machte er einiges Aufsehen, und die Singleauskopplung „1959“ kam bis in die Top 10. Weitere Auskopplungen wie „She Just Started Liking Cheatin’ Songs“ und „If There Were No Memories“ erreichten die Top 20 und 30. Die vielen Jahre der Geduld, Entbehrungen und harten Arbeit schienen endlich Früchte zu tragen, denn 1980 wurde er als „Bester Junger Künstler“ von der Academy of Country Music ausgezeichnet.

Das Album „John Anderson II“ aus dem Jahre 1981 bescherte Anderson gleich 4 Top Ten Hits u.a. „Chicken Truck“ und „I Am Just An Old Chunk Of Coal (But Gonna Be A Diamond Someday)" -  eine Billy Joe Shaver Komposition, mit der er dann auch sein Debut in der John Anderson, New Country TraditionalistGrand Ole Opry gab. In demselben Jahr folgte noch das Album „I Just Came Home To Count The Memories“, und die gleichnamige Single konnte sich erfolgreich in den Top 10 platzieren.

Mit dem Album “Wild & Blue” aus dem Jahre 1982 und der gleichnamigen Singleauskopplung kam dann endgültig der große Durchbruch für John Anderson und somit sein erster Nummer 1 Hit. Die Freude war riesengroß. Aber es sollte noch besser kommen. Es war „Swingin´“, der Andersons Namen weiter über alle Grenzen bekannt machte und nicht nur für Anderson ein  Megahit wurde. Die Komposition, die er zusammen mit seinem langjährigen Freund Lionel Delmore geschrieben hatte, wurde die meistverkaufte Country-Single in der Geschichte für Warner Brothers und fand sogar den Weg in die Pop-Charts. Von nun an war Andersons Tourplan vollgepackt und „Swingin’“ wurde nicht nur einmal sondern oftmals 2-3mal pro Konzert gespielt, um den Wünschen der Fans gerecht zu werden. Der Song erhielt die Auszeichnungen “CMA Single Of The Year” und “Music City News Country Song Of The Year” in 1983.

Anderson, der sich immer der traditionellen Country Music zugehörig fühlte, es jedoch wie kaum ein anderer verstand, moderne Elemente aus der Rock Music mit einfließen zu lassen und dadurch mithalf, das damalige leicht verstaubte Image der Country Music aufzupolieren und auch das jüngere Publikum dafür zu begeistern, bekam schnell den Beinamen „The First New Traditionalist“ verliehen. Er läutete somit eine neue Ära ein, von der später dann weitere Künstler wie Dwight Yoakam und Randy Travis profitierten und auch ihren eigenen Stempel aufdrückten.

Andersons Stern schien unaufhaltbar emporzusteigen, und mit der Auskopplung „Black Sheep“ aus dem Album „All The People Are Talkin’“ von 1983 erreichte er wieder die Spitzenposition der Country Charts. Eine weitere Auskopplung „Let  Somebody Else Drive“ kam in die Top 10. 1984 kam das Album „Eye Of A Hurricane“ heraus, und die Singles „She Sure Got Away With My Heart“ und „I Wish I Could Write You A Song“ fanden wiederum den Weg in die Charts und platzierten sich in den Top 10 und 20.  

Tokyo, Oklahoma“, welches 1985 veröffentlicht wurde, bescherte Anderson nur einen mittelmäßigen Erfolg, und die Singles „Down in Tennessee“ und „Tokyo, Oklahoma“ erreichten die Top 20 und 30. Mit dem Album „Countryfied“ aus dem Jahre 1986 schien Anderson nach einer leichten Flaute wieder etwas mehr Glück zu haben, und die Auskopplung „Honky Tonk Crowd“ platzierte sich immerhin wieder in den Top 10 der Charts. 

Doch es war offensichtlich, dass man an die vorhergehenden großen Erfolge nicht mehr anknüpfen konnte. Nach einigen Unstimmigkeiten verließ John Anderson dann 1987 nach 10jähriger Zusammenarbeit mit Warner Brothers das Unternehmen.

Ein Einbruch in Andersons Karriere schien unaufhaltbar!

Zum Teil 2 der John Anderson-Biografie
Zur Diskographie der Warner Brothers-Alben von John Anderson
Zur Diskographie der MCA / Capitol  / BNA / Mercury / Columbia-Alben und CDs