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John Anderson A Country Music Treasure
 John Anderson
Der 3. Teil der Biographie von
Uli Sollweck

Als zweite Auskopplung aus der BNA-CD "Seminole Wind" wurde „When It Comes To You“ gewählt, und man traf wiederum die Geschmäcker der Zuhörer und kam bis auf Platz 2 der Charts. Der Song stammte aus der Feder von Mark Knopfler – Kopf der britischen Gruppe „Dire Straits“ - und war ein Geschenk an Anderson, nachdem sie sich bei einem Benefizkonzert in Nashville kennenlernten und schnell anfreundeten. Mark war überzeugt, Anderson würde hieraus einen guten Country-Song machen können - und er wurde nicht enttäuscht. Als es dann so weit war für die Aufnahmen, kam Knopfler mit ins Studio und ist auf dem Titel an seinem unverkennbaren Gitarrenstil zu erkennen.

Country Sänger John Anderson und Mark Knopfler

Später als „Dire Straits“ ein Konzert in Kanada gaben, rief Knopfler Anderson an, lud ihn ein nach Kanada zu kommen, um auf dem Konzert den Song vorzutragen: „Mit Mark und seiner Band gemeinsam auf der Bühne zu stehen vor all den Rockfans, gehörte zu den aufregendsten Erlebnissen und Erfahrungen in meinem Leben“, sagte John Anderson in einem Interview.

Nun war die Zeit reif für Anderson’s Eigenkomposition „Seminole Wind“, dem Titelsong des gleichnamigen Albums.  Die Auskopplung entwickelte sich zu Anderson’s zweitem Megahit und ist heute zusammen mit „Swingin´“ tief mit dem Namen von John Anderson verwurzelt. Als vierte Auskopplung kam der Hardcore Country-Song „Let Go Of The Stone“ auf den Markt und platzierte sich in den Top 10. Das Album „Seminole Wind“ war für Anderson somit der Glückstreffer und verkaufte sich über 2 Millionen Mal. Keiner in Nashville zweifelte jetzt noch an ihm, und mit diesem fantastischen Comeback-Album hatte er seinen Platz in der Country-Welt mit Bravour zurückerobert.

Solid Ground“, welches 1993 veröffentlicht wurde, erwies sich dank seines ebenso hervorragenden Songmaterials und einer guten Produktion wieder als sehr erfolgreich. Mit der Single-Auskopplung „Money In The Bank“ wurde wieder die Spitzenposition in den Charts erreicht. Die Veröffentlichungen „I’ve Got It Made“ und „I Wish I Could Have Been There“ erreichten jeweils Platz Nr. 3, und „I Fell In The Water“ kam in die Top 10.

1994 kam das Album „Country Til I Die“ heraus. Die gleichnamige Single-Auskopplung spiegelt in sehr humorvoller Weise Anderson’s Country-Zugehörigkeit wieder. Leider erreichte der Titel-Song nur die Top 30. Jedoch brach die nächste Auskopplung „Bend It Until It Breaks“ wieder das Eis, und man kam bis auf Platz 2 der Charts. „Mississippi Moon“, welches dann im April 1995 ausgekoppelt wurde, erreichte die Top 15. Erwähnenswert auf diesem Album ist das Duett mit Tracy Lawrence „Hillbilly With A Heartache“.

Mit „Christmas Time“ aus dem Jahre 1994 brachte Anderson ein wunderbares Weihnachts-Album mit bekannten aber auch zwei selbstgeschriebenen Titeln heraus. Man hätte die Country Music nicht gekonnter und schöner in ein festliches Kleid stecken können als auf diesem Album.

1994 wurde Anderson mit dem „ACM Career Achievement Award“ und 1995 mit dem Country Weekly Golden Pick Award für „Comeback Artist Of The Year“ ausgezeichnet. 1996 erschien das Album „Paradise“, auf dem u.a. der Titel „The Band Plays On“, ein Duett zusammen mit seinem Idol Levon Helm (The Band), zu hören ist. Außerdem ist der Meistergitarrist Mark Knopfler wieder mit von der Partie und zeigt in dem rockigen „Let The Guitar Do The Talking“ sein Können. Die Auskopplung „Paradise“ kam in die Top 25, doch die zweite Auskopplung „Long Hard Lesson Learned“ fand nicht die gewünschte Beachtung.

Schwere Zeiten werden wieder kommen, denn sie halten sich vor niemandem zurück!“ - so John Anderson. Um den ersten Anzeichen einer eventuellen Flaute frühzeitig vorzubeugen, beendete Anderson sein überaus erfolgreiches Verhältnis mit BNA auf freundschaftlicher Basis und verließ diese im Herbst 1996. „Es war eine rein geschäftliche Entscheidung.“ Familien-Idylle: Country Sänger John Anderson mit Frau und TöchternAls ich merkte, ich bekomme nicht mehr die nötige Unterstützung, habe ich dann diesen Entschluss gefasst zu gehen!“, so Anderson.

John Anderson hat während seiner BNA Zeit (aber auch schon in den 80er Jahren) nicht nur hervorragende Alben herausgebracht, sondern auch seine Videos sind sehenswert und waren recht erfolgreich in den Videocharts vertreten. Anderson, der in all seinen Videos selbst zu sehen ist, hat auch des öfteren seine Frau und die beiden Töchter mit einbezogen.  

One Of The Best Voices Of Our Time“ - Der Reiz der Country Music ist nicht nur ihre Einfachheit, die Verwendung traditioneller Instrumente, der Dialekt,  sondern auch die Natürlichkeit einer gewachsenen Stimme, die all die Geschichten von Freud und Leid des Lebens dem Hörer nahe bringen soll. John Anderson’s unverkennbare Stimme und sein einzigartiger Gesangsstil machen ihn zu einem Meisterinterpreten dieses Genre. Sein nasaler Gesang könnte nicht besser in die Country Music passen, und er phrasiert wie kaum ein anderer. Trotz des oftmaligen Vergleichs mit seinen Vorbildern u.a. Lefty Frizzell und Merle Haggard hat Anderson seinen ganz ureigenen Stil entwickelt und kombiniert traditionelle Töne mit modernen Elementen sehr gekonnt. Seiner Stimme scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Einmal klingt sie sanft, warm, weich, dann wieder kantig, rau, uneben. Aber immer ist sie kraftvoll, dunkel, kehlig, erdig.

1997 dann machte John Anderson einen Deal mit der Plattenfirma Mercury. Er produzierte zusammen mit Alan Jackson’s Produzent Keith Stegall das qualitativ hochwertige Album „Takin’ The Country Back“. Aber die weiter im Wandel befindliche Country-Szene machte es Leuten wie Anderson nicht gerade leicht, sich Gehör zu verschaffen. Die Auskopplungen „Takin’ The Country Back“ sowie das wunderschöne „Small Town“ bekamen  dann nicht die verdiente Resonanz und blieben in den Top John Anderson On Stage40 stecken. Es hielt Anderson nicht lange bei Mercury und er kündigte seine Bande mit der Company. Das Schicksal schien Anderson wieder bezwingen zu wollen, denn die immer weitere Annäherung der Country Music in Richtung Popmusik wollte auch ihm wieder einmal keine Chance einräumen zu überleben. Urplötzlich schien Anderson aus der Szene verschwunden zu sein, und es dauerte exakt 4 Jahre, bis er sich wieder mit neuem Label und Album präsentierte. In der Zwischenzeit hatte er sich aber, wie in all den Jahren zuvor, weiterhin um seine Fangemeinde gekümmert und war viel auf Tour und konnte außerdem einen Deal mit Columbia Records (Sony) machen. Das in 2001 herausgebrachte Album „Nobody’s Got It All“ wurde von allen Kritikern hoch gelobt. Stimmlich noch ausgereifter, hatte Anderson ein Werk erschaffen, das vielleicht zu seinem Anspruchsvollsten zu zählen ist. Aber was nutzen all die hervorragenden Kritiken, wenn die Medien nicht mitspielen und den Künstlern der eher traditionellen Richtung nicht die benötigte Sendezeit einräumen? Die beiden Auskopplungen „Nobody’s Got it All“ und „The Big Revival“ erreichten nur die Top 50. In einer Welt der seichten Crossover-Country-Hits, gab es wieder einmal keine Verwendung für solch ein bodenständiges Countryalbum.

Aber Anderson, der mittlerweile alle Höhen und Tiefen in seiner langen Karriere mitgemacht hatte und daraus viel Erfahrungen sammeln konnte, ist wieder in der Lage, auch dieses Scheitern seines Comebackversuchs verkraften zu können. Er tourt ununterbrochen weiter und hält Kontakt zu den Fans. Auch die negativen Erfahrungen der letzten Jahre halten ihn nicht davon ab, sein schon in frühester Jugend gefasstes Ziel konsequent weiter zu verfolgen. John Anderson ist kein Mann des großen Auftritts. Einzig und allein liegt ihm seine Musik am Herzen, die er gefühlvoll und mit großer Hingabe seinen Fans bei jedem Konzert präsentiert. Und sie danken es ihm mit ihrer Treue und Unterstützung! Ende 2001 sagte er in einem Interview:

„Ich bin in den letzten Jahren auf dem Weg, inneren Frieden zu finden und versuche dort hinzukommen, wo es nicht mehr so wichtig ist, ob ein Song ein Hit ist. Ich versuche damit zu leben und weiterhin gute Musik zu machen und hoffe, dort draußen sind noch genug Fans, die das unterstützen werden. Schlimm wäre es für mich, wenn es keinen Grund mehr zum Schreiben oder zum Singen geben würde. Ich hörte Johnny Cash einmal sagen: „Wie löst man sich von dem Image Johnny Cashs?“ Ich befinde mich in derselben Position. Ich kann nicht aufhören John Anderson zu sein.“

2002 hat John Anderson sich nun weitgehendst von den Fesseln der Musikindustrie befreit und unter der Schirmherrschaft von Audium Records sein eigenes Label „JA Records“ gegründet. Mit großartiger Unterstützung seiner Roadband – mit der er in dieser Besetzung nun mittlerweile 9 Jahre unterwegs ist – ging Anderson in das Studio seines langjährigen Bandleaders Joe Spivey (Fiddle-Player) und nahm das erste Album für sein Label auf. Auf diesem Doppelalbum „Anthology“ zeigt sich der mittlerweile 47jährige Anderson in Bestform, und man spürt immer noch die Energie und Leidenschaft, die er in seine Musik steckt, als wäre er am Anfang seiner Karriere. Mit diesem Album ist es Anderson außerdem - rein zufällig - gelungen, den Fans einen guten Eindruck zu vermitteln, wie er sich live anhört. Die 30 Songs geben einen wunderbaren Einblick in seine Karriere, und besonders die Neuaufnahmen der Lieder aus den 80er Jahren suchen ihresgleichen. Die „Anthology“ zeigt ganz deutlich, dass die Country-Szene mit ihm immer zu rechnen hat!

John Anderson on stage - saying good-bye

John Anderson, der ohne viel Aufsehen und Wirbel zu erregen,  zu den schillerndsten Persönlichkeiten im Country-Business zu zählen ist, versteht es auch noch nach all den vielen Jahren im Musikgeschäft, dank einer natürlich gebliebenen Persönlichkeit sowie einem fazinierenden Charisma, die Fans an sich zu binden. Anderson genießt heute den Status eines ausgereiften, erfahrenen Musikers, dessen Treue und Leidenschaft zur Country Music in seinen Liedern wiedergespiegelt wird.

Hoffen wir, dass er weiterhin mit Optimismus und festem Glauben in eine gute Zukunft gehen wird.


Zur Diskographie der Warner Brothers-Alben von John Anderson
Zur Diskographie der MCA / Capitol / BNA / Mercury / Columbia-Alben und CDs