Uhr

Johnny Cash - Nachrufimpressionen I
Von Hauke Strübing

Und wieder einmal war es so weit: Wer wollte, konnte sich in den letzten Wochen ordentlich über die Country Music informieren lassen: im Fernsehen, im Radio, in den deutschen Printmedien. Der Anlaß war traurig genug: Johnny Cash ist am 12. September 2003 gestorben. Die Größe, die Bedeutung und der Bekanntheitsgrad von Johnny Cash lieferten den Anlaß für eine breitangelegte, auch fundierte  Berichterstattung über die Ikone der Country Music. Hauptsächlich in verschiedenen Printmedien-Beiträgen wurde auch aus diesem Anlaß nicht versäumt, die altbekannten Klischees und Vorurteile über die Country Music zu bedienen. In Radio-Beiträgen ging es dieses Thema betreffend schon sachlicher zu, wenngleich ich mich auch jetzt noch frage, warum man als Interviewpartner unbedingt die Frage beantworten sollte geschweige denn überhaupt konnte, welchen Einfluss Johnny Cash auf die 68er-Bewegung bei uns gehabt habe. Die vielleicht skurrilste Antwort hörte ich indes im DLF in der Sendung "Korso" am 12. 9. 2003, als ein Interviewpartner u.a. dieses zum Besten gab: Der Mann war groß, er hatte breite Schultern, er hatte einen kleinen Hintern, er hatte dünne ...... Beine, ich stand ihm gegenüber - wie soll ich sagen - ich hatte Ehrfurcht.

Walter Fuchs faßte es in seinem Interview-Beitrag treffender zusammen: Es gibt drei Country-Sänger von überragender Bedeutung für das Genre. Jimmie Rodgers machte die Country Music in den 20er und 30er Jahren mit den Millionen-Umsätzen seiner Schallplatten interessant. Hank Williams machte die Country Music Anfang der 50er Jahre von Küste zu Küste in den USA bekannt und beliebt, dessen Kompositionen wurden - auch von Pop-Künstlern - immer wieder gesungen. Der Dritte in diesem Dreigestirn heißt Johnny Cash: Er kam in den 50er Jahren in die Szene, und er war es, der einen rhythmisch betonten Sound in die Country Music reinbrachte und sie spätestens in den 60er Jahren weltweit bekannt machte - zum Beispiel mit seiner Aufnahme "A Boy Named Sue" (SWR 1 RP am 22.9.2003 in der Sendung "Szene").

*

Johnny Cash - Nachrufimpressionen II
Von Walter Fuchs

Als 1994 das erste Johnny Cash Album auf dem „American Recordings“ - Label erschien, da war der Jubel gross. Vor allem aus dem Lager der Rock-Pop-Fans kamen lobende Worte und die Intellektuellen in den Feuilletonredaktionen schienen den Cash plötzlich ernst zu nehmen. Was war geschehen? Cash’s Musik war doch dieselbe geblieben, dieselbe Stimme, dieselben tiefschürfenden Texte, dieselben Reflektionen des Alltags. Der einzige Unterschied zu früher: Rick Rubin, ein verdienter Rockproduzent, hatte das Album produziert, also war man gezwungen, hinzuhören. Man hörte hin und verstand. Es folgten 3 weitere Alben, der Jubel blieb, ja, er verstärkte sich sogar noch.

Nun ist Johnny Cash tot und man war gespannt auf die Nachrufe. Das Fernsehen verhielt sich vorbildlich und würdig gegenüber der Country-Ikone und zeigte sogar das Musikvideo „Hurt“ in voller Länge mit einem Johnny Cash, der aussah als wäre er schon über 100 Jahre alt. Cash hatte bei der Produktion dieses Videos schon Abschied genommen.

Die Nachrufe in der Presse waren dagegen zwiespältig. Neben vorbildlichen Würdigungen des „Man In Black“ gab’s auch leider wieder die üblichen Unterstellungen und Vorwürfe, wie man sie noch aus den 70er Jahren in bester Erinnerung hatte. Johnny Cash habe sich nie eindeutig vom Vietnam-Engagement der USA distanziert! Falsch! Ich habe Johnny Cash am 28.Februar 1972 in Frankfurt interviewt. Da sagte er mir klipp und klar: „Wir haben nicht das Recht in Vietnam zu kämpfen, wir sollten unsere Jungs zurückholen.“  Und da tauchte er auch wieder auf, jener Jahrzehnte alte Vorwurf, Cash sei heuchlerisch. Warum? Weil er sich religiös gibt, das Wort „Gott“ in den Mund nimmt und gleichzeitig viel Geld verdient. Wer will denn beweisen, Cash habe nicht an Gott geglaubt und was ist am Geld verdienen denn sündig? Schliesst das Eine das Andere denn aus?  Hat man jemals einem Michael Jackson seinen Reichtum vorgeworfen? Was war da alles an Unterstellungen zu lesen, es war gruselig. Da war von „Selbstinszenierung und Grössenwahn, der sich als Demut ausgab“ die Rede.

Aber auch die alten Vorwürfe gegen die Country Szene insgesamt kamen wieder mehr oder weniger explizit zum Vorschein. Johnny Cash als Ausnahmeerscheinung, der Rest der Szene kraftlos, harmlos und reaktionär, so als gäbe es keinen Merle Haggard, keinen Tom T.Hall, keinen Alan Jackson und keinen Willie Nelson, als habe es keinen Jimmie Rodgers und keinen Hank Williams gegeben. Man wirft der Country Szene den Kommerz vor, den es natürlich gibt, so, als gäbe es den in der Pop- und Rock - Musik nicht.

Nein, bei den Nachrufen zu Johnny Cash wurden sie leider wieder zu oft strapaziert, die Klischees und Vorurteile. Wann wird man der Country Music Szene endlich gerecht und beschäftigt sich ernsthaft und objektiv mit ihr, mit ihren Vorzügen, ihren Werten und auch mit ihren kommerziellen Auswüchsen? Eine Musik, die in einer einmaligen Konstellation zu einer ganz bestimmten Zeit aus den Wurzeln der weissen anglo-keltischen Folklore und dem schwarzem Blues entstand, hätte längst eine andere Würdigung in Deutschland verdient.