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Country Sänger - Songwriter - musikalisches Genie
Zum 20. Todestag von Marty Robbins am 8. Dezember 2002
Von Hauke Strübing

Marty Robbins 1975 in LondonMarty Robbins Todestag jährt sich am 8. Dezember zum 20. Mal. Der Sänger und Songwriter, der Country Sänger, der Western Sänger, der Rock´n´Roll Sänger, der Hawaiian Sänger, das musikalische Genie Marty Robbins war im Verlauf von 30 Jahren einer der Erfolgreichsten in der Country Music. Martin David Robinson wurde am 26. September 1925 bei Glendale, Arizona, geboren. Mit 17 verließ er sein Elternhaus, das ihm nichts Gutes brachte: der Vater trank, die Ehe ging in die Brüche, er rebellierte gegen alles um ihn herum und landete zeitweise in Jugendhaft. Er ging zur Navy, diente auf den Solomon Inseln und machte hier erste Bekanntschaft mit der Hawaiian Music, die ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen sollte. Nach seiner Militärdienstzeit kehrte er 1945 nach Arizona zurück. In Mesa, Arizona, bekam er einen Job bei einer Radio Station als Sänger. 1948 heiratete Marty Robbins - wie er sich jetzt nannte - Marizona Baldwin. 1951 gastierte Jimmy Dickens in seiner TV-Show Country Caravan - und ab hier nahm das Schicksal dann seinen Lauf. Little Jimmy Dickens empfahl Marty Robbins bei der Plattenfirma Columbia Records, die ihn am 25. Mai 1951 unter Vertrag nahm.

Der Country Sänger "with a teardrop in his voice", dieser Name stammt aus den frühen Erfolgsjahren von Marty Robbins Anfang der 50er Jahre. "I´ll Go On Alone" heißt sein erster Hit Ende 1952/Anfang 1953. Country hieß damals Hillbilly Music. Bereits 1953 folgte er dem Ruf der Grand Ole Opry in Nashville. Als die betuliche Hillbilly Music durch den aufkommenden Rockabilly und Rock´n´Roll einen Einbruch auf der ganzen Linie erlebt, schwingt sich Marty Robbins in neue Gefilde und singt Rock´n´Roll auf seine Art, countrytesken Rock´n´Roll in Liedern wie "That´s All Right", "Maybelline", "Knee Deep In The Blues". Der große Durchbruch kommt Ende 1956 mit der Melvin Endsley-Komposition "Singing The Blues". Mit dieser Aufnahme steht er von Ende November 1956 bis Anfang Februar 1957 auf Platz 1 der Country Charts. 1957 folgen die berühmten Ray Conniff-Sessions in New York. Wir lernen einen komplett anderen Marty Robbins kennen: "A White Sport Coat (And A Pink Carnation)", "The Story Of My Life", "Just Married", "Once-A-Week Date", "Sittin´ In A Tree House" und "The Hangin Tree".

Der nächste Stilwechsel steht an, als er die Country-Welt Ende November 1959 mit "El Paso" überrascht. "El Paso" leitet eine nahezu 10jährige Westernphase des Sängers ein: "Big Iron", "Five Brothers", "The Cowboy In The Continental Suit", "Ballad Of The Alamo", "Devil Woman". Und zwischendrin "Don´t Worry", "Ribbon Of Darkness", "Tonight Carmen". Seine "Gunfighter Ballads and Trail Songs"-Alben haben Geschichte geschrieben. Geschrieben hat Marty Robbins sein "El Paso" in einem Auto, als er und seine Familie von Texas kommend nach Arizona fuhren. Seine Leidenschaft für die Western Themen in seinen Liedern führte er auf seinen Großvater mütterlicherseits zurück, der selbst ein Texas Ranger war und in Medicine Shows auftrat. Dessen Erzählungen Marty Robbins in London (2), 1975über den alten Westen blieben in der Erinnerung von Marty Robbins haften. Das am 7. April 1959 in den Bradley Studios in Nashville aufgenommene "El Paso" war damals eine Besonderheit - hatte doch die Single die ungewöhnlich lange Spieldauer von 4 Minuten und 40 Sekunden. Mitch Miller - damaliger Columbia-Chef in New York - lehnte die Produktion des Liedes wegen der langen Laufzeit und der Furcht ab, das Country-Radio könnte die Single deswegen meiden. Anders Don Law in Nashville, er produzierte "El Paso" gemeinsam mit Frank Jones und schuf ein Meisterstück der Country-Geschichte. Eine Single mit der langen Version und einer etwas kürzeren Version von "El Paso" ging ans US-Radio, die Columbia-Single 41511 wurde am 26. Oktober 1959 mit der B-Seite "Running Gun" veröffentlicht. Der Rest ist Geschichte: Am 9. November 1959 tauchte "El Paso" erstmals in den Billboard-Charts auf Platz 26 auf, verharrte dort eine weitere Woche und marschierte dann über die Plätze 10, 4, 3 und 2 am 21.12.1959 auf Platz 1 - insgesamt 7 Wochen lang. Weitere 7 Wochen anschließend dann auf Platz 2. "El Paso" war schließlich auch ein großer Pop-Erfolg (2 Wochen auf Platz 1). Und ein Jahr später erhielt Marty Robbins einen Grammy für seine Aufnahme, den ersten, mit dem eine Country-Aufnahme ausgezeichnet wurde. Der Gitarrist Grady Martin spielte eine große Rolle bei vielen Marty Robbins-Aufnahmen. So auch am 12. Juli 1960, als während der Aufnahme "Don´t Worry" ein Vorverstärker im Aufnahmesystem versagte und Grady Martins Gitarre ziemlich "schräg" herauskam, so schräg wiederum, daß es allen gefiel und man es bei der Version von "Don´t Worry" beließ. Für die frühen 60er Jahre war "Don´t Worry" wahrlich eine große Herausforderung für die Country-Ohren! "Don´t Worry" blieb dann sogar 10 Wochen auf Platz 1 der Country Charts.

Man ist geneigt, Marty Robbins Aufnahme "El Paso City" von 1976 mit "El Paso" in Verbindung zu bringen. Tatsächlich gibt es aber einen direkten inhaltliche Bezug zu "El Paso": Am 15. März 1966 sang er das Lied mit dem Titel "Feleena" ein, das "El Paso" auch in der Spieldauer nochmals übertraf - insgesamt ist es 8:20 Minuten lang. Der helle Wahnsinn für damals!

Marty Robbins 1975 in London (3)1970 unterzieht sich Marty Robbins einer Herzoperation. Aus dieser Zeit stammt eines seiner tiefsinnigsten Lieder, mit dem er seiner Ehefrau Marizona ein musikalisches Denkmal setzt: "My Woman, My Woman, My Wife (She is a foundation I lean on - my woman, my woman, my wife)". Für "My Woman, My Woman, My Wife" erhält er seinen zweiten Grammy. Ein nachdenklich stimmendes Lied ist "The Chair" von 1971 (Columbia-Single 45377 / LP "Marty Robbins Today" Columbia C 30816), in dem er die letzten Gedanken und Gefühle eines zum Tode Verurteilten vermittelt. Sein Abstecher zu Decca im Jahr 1973, später MCA-Records, bleibt ohne Folgen. Einige (unbedeutende) Singles, 3 Alben und ein viertes - jedoch nie veröffentlichtes Album. 1976 kehrt er zu Columbia Records zurück, und mit "El Paso City" schreibt er das nächste Kapitel seiner Erfolgsgeschichte: Top-Song in der 2. Juni-Hälfte 1976 - vor ihm Crystal Gayle mit "I´ll Get Over You" und nach ihm Joe Stampley mit "All These Things". Das Jahr 1976 ist überhaupt ein country-geschichtliches Jahr: Künstler aus früheren Jahren treffen sich noch einmal wieder: Bill Anderson singt mit Mary Lou Turner (Sometimes), Waylon Jennings mit Willie Nelson (Good Hearted Woman), Freddy Fender (You´ll Lose A Good Thing), Conway Twitty (After All The Good Is Gone), Johnny Cash (One Piece At A Time) und Red Sovine (Teddy Bear), Don Williams (Say It Again) ist der einzige "Neuling". Und Marty Robbins schreibt sich Ende Oktober 1976 nochmals in die Hitlisten ein mit "Among My Souvenirs".

Erst recht spät bekommen wir hier die Chance, den Sänger auf der Bühne zu erleben, dessen Musik wir seit den frühen AFN-Tagen mithören: Hillbilly, Hawaiian, Rock´n´Roll, Western, Country. Und wir ertragen auch immer wieder geduldig seine Country-Popausflüge. Am 29. März 1975 eine erste Begegnung im Empire Pool Wembley in London, am 21. April 1979 sein 1. Auftritt in der Frankfurter Festhalle. Wir erinnern uns auch an Moe Bandy, Don Gibson, Ronnie Milsap und an Jim & Jesse. Am 16. April 1982 ebenfalls in Frankfurt (2 Tage vorher in Berlin) nach Roy Orbison dann sein letzter Auftritt in Deutschland.

Bereits 1981 erlitt Marty Robbins eine weitere Herzattacke. Im Oktober 1982 wird er als neues Mitglied der Country Music Hall of Fame aufgenommen. Eine zweite Bypass-Operation überlebt er nur kurz - am 8. Dezember 1982 stirbt Marty Robbins in Nashville.

Bilder: Marty Robbins 1975 in London, Aufnahmen Hauke Strübing

 

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