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20. Todestag von Marty Robbins am 8. Dezember 2002
Marty Robbins ... der gefeierte Country-Star
Manfred Vogel interviewte Marty Robbins 1975 und erfuhr viel über den Western-Song

Das nachfolgende Interview machte Manfred Vogel mit Marty Robbins im Jahr 1975 in London. Es erschien mit einer kurzen Einleitung in Heft 49 (12. Jahrgang) von COUNTRY CORNER im Mai 1976. Die erste Seite des Beitrags mit einer Montage verschiedener Bilder von Marty Robbins ist hierunter auch wiedergegeben.

COLUMBIA Records hat ihn wieder: Marty Robbins. Nach einem relativ kurzen Gastspiel bei MCA unterschrieb er Ende 1975 wieder bei COLUMBIA, der Firma, bei der er seine größten Erfolge feiern konnte. Offenbar konnte Robbins bei MCA nicht recht warm werden. Einige interessante Produktionen entsprangen dieser Zusammenarbeit, gleichwohl der große Hit blieb aus. Erfolgreiche Lieder pflastern die Karriere dieses Künstlers aus Arizona, nicht alle gehörten der Sparte "Country" an. Marty Robbins prägte seinen Stil und gewann damit eine sehr zahlreiche Anhängerschaft in aller Welt. Wenn Marty Robbins auf der Bühne steht und seine Songs vorträgt, wirkt er auf "sein" Publikum. Er macht keine Faxen, erzählt keine Witze, er konzentriert sich auf seine Musik, präsentiert sie so, wie er es für richtig befindet und trifft damit den Nerv des Publikums. Wembley stellte dies eindrucksvoll unter Beweis: Marty Robbins ... der gefeierte Star! Wir haben uns mit Robbins über seine Musik unterhalten.

CC: Sie sind in den verschiedensten Musikrichtungen zu Hause. Sind Sie ein wirklicher Country Künstler?
Robbins: Ich mag alle Arten der Musik, das hängt davon ab, als was mich die Leute bezeichnen. Ich bin Country Sänger genannt worden, und man hat mir gesagt, ich würde keine Country Songs singen. Im Grunde meines Herzens glaube ich, bin ich Country Sänger, denn damit habe ich begonnen. Ich kann also nicht sagen, ich singe nicht Country.
CC: Wo sind da dann ihre großen Hits einzuordnen?
Robbins: Erstaunlicherweise waren Lieder wie "A White Sport Coat", "The Hanging Tree", "Don´t Worry Bout Me" oder sogar "El Paso" und "Running Gun" nicht Country. Ich hatte 14 Nr. 1 Hits, und davon waren nur zwei so, daß man sie als Country rechtfertigen kann. Für mich ist eine Platte entweder gut oder schlecht, sie verkauft sich oder sie ist eine Niete. So habe ich immer gedacht. Deshalb versuche ich nur Lieder zu singen, die ich mag. Und wenn das der Fall ist, kann ich ein solches Lied so singen, daß es auch einem Publikum zusagt.
CC: Einige der gerade genannten Songs sind "Western", kaum ein anderer Künstler bringt diese Songs so wie Sie. Hat es damit etwas zu tun, daß Sie auf einer Ranch aufgewachsen sind?
Robbins: In meiner Jugend habe ich auf einer Ranch gearbeitet. Ich bin in Arizona geboren, deshalb gefiel mir diese Musik besser, sie habe ich in meinem Leben zuerst gehört. Es war Cowboy Music, und das ist echte amerikanische Volksmusik. Der Rest der amerikanischen Folklore kommt aus England.
CC: Heute gibt es aber viele Leute, speziell in Europa, die nicht mehr unbedingt Cowboy Music und Lagerfeuerromantik hören wollen.
Robbins: Das ist mir neu. Der Cowboy ist ein amerikanischer Held. Wenn Cowboy Music mit Country vermischt wird, sollte die Country Music froh darüber sein. Cowboy Music ist die beste Musik.
CC: Sie haben nun auch viele Lieder selbst geschrieben, lange nicht alles Cowboy Songs. Eines der meist beachteten Lieder war wohl "My Woman, My Woman, My Wife".
Robbins: Ich habe es kurz nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus geschrieben, es dann aufgenommen und mußte erneut ins Hospital. Ich glaube, es ist am Tag meiner schweren Operation veröffentlicht worden. Ich hatte einen Herzanfall. Und die Tatsache, daß es zeitweilig schlecht um mich stand, hat mich sicherlich entscheidend zu diesem Lied motiviert.
CC: Zurück zu anderen Robbins-Hits. Sehr bekannt wurde z. B. die "Ballad Of The Alamo".
Robbins: Das ist wieder eine Art Cowboy-Song, er erzählt etwas von der Geschichte der westlichen USA, und das ist für mich amerikanische Volksmusik. Ich mag voreingenommen sein, denn ich wurde im Westen groß. Dieses spezielle Lied wurde für den Film "Alamo" geschrieben und erzählt eine wahre Begebenheit. Ich liebe diese wahren Songs, Lieder wie "Jesse James", "Billy The Kid" oder "Sam Bass". Das ist die amerikanische Folklore über Gesetzlose. Nicht daß ich diese Outlaws gern hätte, es liegt daran, daß ich die Wahrheit in einem Lied schätze, die Story. Und derartige Lieder wurden vor vielen Jahren genau wie die englischen Volkslieder geschrieben. Jeder, der diese Lieder sang, hatte selbst etwas hinzuzufügen. Damit wuchsen die Lieder ständig an, es gab welche mit 16 oder 18 Strophen, man konnte sie stundenlang singen. Eines dieser Lieder ist "Utah Carol", ein anderes "Little Joe The Wrangler". Jeder Sänger ergänzte den Song um seine eigenen Gedanken.
CC: Ordnen Sie auch die Mexican Songs und die Hawaii Musik in diese Richtung ein?
Robbins: Ich singe auch die Mexican Songs und war vermutlich der erste, der den sogenannten "tex-mex-beat" sang, Lieder wie "El Paso", "Carmen" oder "San Angelo". Dort, wo ich heranwuchs, waren auch viele Mexikaner beheimatet, daher habe ich auch ihre Musik kennengelernt und sie gespielt. Mir gefällt das, und ich meine, das ist Country & Western, nur aus einem anderen Land. Dies gilt auch für die Hawaii Music, die authentische meine ich damit. Die moderne Hawaii Music ist nicht mehr kommerziell, man hat ihr zu viel hinzugefügt, das nimmt ihr die Kommerzialität. Damit wird sie für das Ohr zu kompliziert, und die Leute lieben die einfachen, leicht verständlichen Dinge eines Liedes. Wer studierter Musiker ist, der will auch die komplizierten Akkorde und Synkopen hören. Die meisten Menschen denken unbewußt kommerziell und haben Ohren für den weichen Sound. Kommerziell- nicht im verkaufstechnischen Sinne gemeint, sondern dahingehend, daß die Leute eher reagieren. Der progressive Jazz etwa ist aus diesen Gründen auch nicht erfolgreich im grossen Rahmen.
CC: Marty, Sie selbst haben mit Ihren Liedern viel zu dieser Musik beigetragen.Was inspiriert Sie zum Schreiben von Songs?
Robbins: Ganz unterschiedliche Dinge. Als ich im Westen wohnte, da schrieb ich meist Western Songs. Es sind immer wieder andere Dinge, die mir Ideen geben. Viele davon sind Bestandteil meines eigenen Lebens. Erstaunlicherweise waren die meisten meiner erfolgreichen, von mir selbst geschriebenen Songs Lieder, die in 5 oder 10 Minuten fertig waren. Das waren dann plötzlich Ideen, die man genau so rasch verarbeiten mußte. Wenn ich 7 oder 8 Stunden Zeit für ein Lied habe, wird es meistens ein sehr gutes Lied, aber es ist selten auch erfolgreich. Ich arbeite nicht an Liedern herum, ich lasse sie so, wie ich sie zuerst aufgeschrieben habe.
CC: Gehen wir noch kurz von der Musik weg zu einem Ihrer bekannten Hobbies, dem Autorennsport.
Robbins: Ich liebe diesen Sport. Zwar habe ich vorübergehend einmal den Rückzug angetreten, weil ich zu viel Geld investieren mußte. Dann hat es mich aber doch wieder gepackt. Allerding fahre ich nicht mehr als 5 oder 6 Rennen im Jahr. Mir macht das viel Spaß, weil ich gegen die besten Rennfahren antreten kann. Sie verdienen damit ihre Brötchen, es ist für mich daher wahnsinnig interessant, mich mit ihnen zu messen. 1974 bin ich einmal 5. geworden und für einen Country Sänger ist das nicht schlecht, oder? Ich habe auch Unfälle überstehen müssen, wie alle anderen. Das war einer der Gründe für meinen zeitweisen Rücktritt vom Rennsport.
CC: Als Rennfahrer waren Sie kurz einmal im deutschen TV zu sehen, wird man Sie auch als Sänger bei uns einmal erleben können?
Robbins: Leider war ich bisher noch nie in Deutschland. Reizen würde mich dieses Land schon sehr, denn ich habe viele Deutsche in El Paso, Texas, getroffen. Sie waren von der Bundeswehr zur Ausbildung dorthin geschickt worden. Insbesondere meine Cowboy-Songs, die Gunfighter Balladen haben ihnen gefallen. Nach der Show erzählten sie mir dies. Das war beeindruckend. Vielleicht kann man einige Auftritte für Deutschland im Zusammenhang mit einer Europa-Tournee abschließen.
CC: Marty, Sie wären sicherlich sehr willkommen in Deutschland. Abschließend noch eine allgemeine Frage. Glauben Sie, die Country Music sei heute zu kommerziell?
Robbins: Das ist Auffassungssache. Aber folgende Fakten muß man dabei auf jeden Fall berücksichtigen: Wir müssen von der Country Music leben und wollen auch nicht schlecht davon leben. Das heißt, wir singen, weil wir diese Musik lieben und weil wir damit unser Geld verdienen können. Wer eine Schallplatte besingt, will, daß sie sich verkauft, und zwar möglichst oft. So gesehen ist jeder Gesang, jeder Auftritt in der Öffentlichkeit bereits kommerziell. Ich bin der Meinung, über dieses Problem wird zu viel geredet. Wenn einem die Musik gefällt, ist es unerheblich, ob sie kommerziell ist oder nicht.

Zum 20. Todestag von Marty Robbins am 8. Dezember 2002

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Was ist eigentlich....Alamo? Von Manfred Vogel mit einem Update von Hauke Strübing