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The Mickeys am 12. Februar 2004 in Bühl
Ein Konzertbericht von Hauke Strübing

Julie und Amy Mickey am 12. Februar 2004 in Bühl im Schütte-Keller. Bild: Hauke Strübing

War ich im Ryman? War ich im Bluebird Cafe oder im Texas Troubadour Theatre? Oder vielleicht in Texas bei Billy Bob´s? Oder im Bell Buckle Cafe? Also in Nashville oder in Fort Worth oder im verträumten Bell Buckle? Nichts von alledem! Ich war dort, wo die zarte Bluegrass-Pflanze gedeiht, blüht und anfängt zu sprießen. Es wird (wohl langsam) Frühling, hat immerhin schon 3 Wärmegrade mehr als in Schwäbisch-Sibirien: Ich war in Bühl. Und wer Bühl heute in den Mund nimmt, der spricht von Country, Folk und Bluegrass. Und der spricht auch vom Schütte-Keller! 

Dank sei A. Schütt, dass er vor vielen Jahren diesen Weinkeller baute, der heute die besten, vor allem akustisch besten Voraussetzungen für ein Kitchen-Photo: Julie Mickey, Danny Ray Martin, Amy Mickey und Andy Behrens am 12. Februar 2004 im Schütte-Keller in Bühl. Bild: Hauke StrübingKonzertereignis von der Art der Mickeys bietet. Veranstalter Rüdiger Schmitt – ich sage es mal vorab – hat den besten Riecher für die darbietende Gruppe und für ein volles Haus gehabt. Als ich den „Keller“ am Donnerstag noch lange vor dem Soundcheck das erste Mal betrat, sah ich auf der Bühne eigentlich nur eine Steckdosen-Verteilerleiste (oder wie das Ding heißt). Denn akustische Musik sollte ja geboten werden, worunter ich mir das so vorstellte: 1 Mikro für die Gitarre, 1 Mikro für die Fiddle, vielleicht auch für die Mandoline und dann noch je eins für jeden der Sänger/innen. Das war meine Vorstellung von akustischer Musik – bislang. Dass sie ewig schon falsch war, merkte ich spätestens um 20 Uhr, als Amy (Gesang) und Julie Mickey Danny Ray Martin, Julie und Amy Mickey und Georg Bähr am 12. Februar 2004 in Bühl im Schütte-Keller. Bild: Hauke Strübing(Gitarre und Gesang), Danny Ray Martin (Gitarre), Andy Behrens (Percussion und Gesang) und Georg Bähr (Fiddle und Mandoline) die Bühne betraten: kein technischer Firlefanz, kein Mikrofon war zu sehen – Akustik pur. So viel im voraus: Die Akustik im Weinkeller-Gewölbe war geradezu ideal für die Musik, wie sie The Mickeys aus den USA an diesem Abend boten. Julie Mickey: „Unsere Musik tendiert zur Einfachheit. Wir bewegen uns weg vom heute üblichen überproduzierten Sound hin zu einem transparenten Klangbild, das zu unserem Duett-Gesang passt und die Mischung unserer Stimmen umschmeichelt.“ Ihre Musik ist ein Stück reine Lehre von der Country Music, Americana nennen sie es. Und immer wenn sich ihr Vortrag ein Stück der Bluegrass Music näherte, ging einem das Herz auf. Man erfuhr wieder einmal, was heute vielfach den Mangel in der Country Music ausmacht: Der Mangel an eingängigen Melodien. Amy und Julie meisterten in ihrem 30-Stücke-Konzert die schwierigsten Harmonien mit einer Leichtigkeit, die das Zuhören zum Genuss machten. 

 Andy Behrens und Danny Ray Martin  am 12. Februar 2004 in Bühl im Schütte-Keller. Bild: Hauke Strübing  Danny Ray Martin, Julie und Amy Mickey und Georg Bähr am 12. Februar 2004 in Bühl im Schütte-Keller. Bild: Hauke Strübing

Amy und Julie Mickey standen drei Musiker zur Seite, die den beiden Schwestern die Plattform für ihren beeindruckenden Vortrag boten. Und hier beginnt eigentlich die zweite Geschichte in der Geschichte. Zur Band aus den USA kommend zählen Danny Ray Martin, der sich in der Kunst der Musik ebenso auskennt wie in seinem Heimatort Nashville und meine Begeisterung anfachte bei den Begriffen „Great Escape“, „Phonoluxe“ und „Briley Parkway“ – oder ich seine. Der eher ruhige Andy Behrens (mit Vorfahren aus Deutschland, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in die USA auswanderten) wird auf der Bühne zu einem Energiebündel: Da zuckt es in allen Gliedmaßen. Linke Hand und rechte Hand sowieso, der rechte Fuß im Takt, der linke im Gegentakt. Und der Kopf samt Oberkörper kommt nie zur Ruhe. Ich wunderte mich schon damals in Bakersfield bei einem Don Williams-Konzert über den barfüßigen Drummer. Auch Andy Behrens saß in Strümpfen auf der Bühne: Georg Bähr aus Aschaffenburg war eine der großen Überraschungen am 12. Februar 2004 in Bühl im Schütte-Keller. Bild: Hauke StrübingEs muß wohl der Kontakt der Fußsohle mit dem Boden sein, der ihm das richtige Taktgefühl gibt. Ihn zu beobachten, machte das Konzert allein zum Erlebnis. 

Nicht ganz, denn da spielte sich noch etwas anderes ab: Der 5. Mann auf der Bühne gehörte eigentlich gar nicht zur Truppe aus Nashville. Georg Bähr (aus Aschaffenburg) verstärkte die Mickeys seit ihrem Berlin-Auftritt einige Tage zuvor. Mehrfach bekam der junge Musiker Beifall auf offener Szene für seine Fiddle-Breakdowns und Mandolinen-Einlagen. Meine Güte, der Mann ist ein Country-Genie. Noch vor Beginn der Vorstellung im Schütte-Keller hat er nur 7 Lieder mit den Mickeys gemeinsam gespielt, nämlich jene, die die Gruppe in Berlin vortrug. In der Stunde vor der Bühler Vorstellung studierte er mit der Gruppe weitere 23 Titel ein – und keiner merkte es. Alles lief so selbstverständlich ab. Das ist genau das, was den Könner ausmacht.

Bleibt ein kleiner Wermutstropfen: Akustik hin, akustische Musik her. Vielleicht hat man sich irgendwann mal etwas dabei gedacht, als man Mikrofone zum Beispiel in der Bluegrass Music vor die verschiedenen Instrumente pflanzte. In Bühl, am Abend jenes 12. Februar 2004, überdeckte die Percussion zeitweise beide Gitarren, die aber einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtklang schöner akustischer Musik liefern. Dieser Eindruck ging etwas verloren.  

Doch das schmälerte den Gesamteindruck dieser Veranstaltung nicht. Wo immer Sie The Mickeys entdecken, gehen Sie hin, hören Sie zu und genießen Sie. Im Juli/August 2004 sind sie wieder auf Deutschland-Tournee.

Hat allen Grund zur Zufriedenheit: Rüdiger Schmitt bescherte den Besuchern im Schütte-Keller ein glanzvolles Ereignis: Country pur. Bild: Hauke Strübing

Hat allen Grund zur Zufriedenheit: Rüdiger Schmitt bescherte den Besuchern am 12. Februar 2004 im Schütte-Keller in angenehmer Atmosphäre  ein glanzvolles Ereignis: Country pur.

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Hauke Strübing, 13. Februar 2004