Herzlichen Glückwunsch, Dr. Ralph Stanley!
Am 28. Juni 2002 überbracht von Hauke Strübing

Einer meiner ersten Gänge am ersten Tag eines jeden USA-Aufenthaltes - wo auch immer - führt mich in einen Plattenladen. Plattenladen, so hieß das früher mal. Oder Musikgeschäft: Music Center, Record Shop. Heute heißen diese hochgestylten Geschäfte Tower Records, Best Buy, Media Play, Wherehouse und Circuit City. Und im Tower Records in Nashville in der Opry Mills fiel mir kürzlich besonders ins Auge, welche Rolle die einst aufs 27. Abstellgleis abgeschobene Bluegrass Music heute doch spielt: Ganz vorne an exponierter Stelle, aktuell angeboten - vor allem angeboten in einer vorher nie dagewesenen Breite. My heart skips a beat!

Aber zurück zur Bluegrass Music und hüpfen wir mal zu Ralph Stanley  und verneigen wir uns vor ihm. Mich hatte ja schon 1998 die Rebel-Doppel-CD "Clinch Mountain Country" mit einer Reihe umwerfender und ungewöhnlicher Duett-Aufnahmen Ralph Stanley, der Stilist der Bluegrass Music(u.a. mit George Jones, Dwight Yoakam, Bob Dylan, Diamond Rio, John Anderson, Porter Wagoner, Vern Gosdin, BR5-49 u.a.) fasziniert. Doch was würde wohl Bill Monroe zu dem neuerlichen phänomenalen Erfolg von Dr. Ralph Stanley sagen, wenn er diesen phänomenalen Erfolg noch miterlebt hätte?

Phänomenal, anders ist das nicht auszudrücken. Da hat der jetzt 75jährige nahezu 200 Alben in den letzten 40/45 Jahren veröffentlicht, und die letzte, das DMZ/Columbia-Album mit dem schlichten Titel "Ralph Stanley" schießt in dieser Woche aus dem Stand und aus dem Nichts heraus auf Platz 22 der BILLBOARD-Hitparade TOP COUNTRY ALBUMS (in der Pop-Alben-Hitparade auf Platz 163). Den Kommentaren BILLBOARDS folgend, hat bislang kein anderer Sänger seines Alters dieses Kunststück fertig gebracht! Doch das Ralph Stanley-Feuerwerk brennt weiter: Ebenfalls in dieser Woche hat das Super-Soundtrack-Album "O Brother, Where Art Thou?" in BILLBOARDS TOP COUNTRY ALBUMS den 1. Platz zurückerobert, verweist Kenny Chesney und Alan Jackson auf die Ränge 2 und 3. Das ist dann mit kurzen Unterbrechungen die 35.Woche auf Platz 1!!

Sagt meine bessere Hälfte: Das ist halt genau das, was die Leute hören wollen. Recht hat sie! Und was für ein Triumpf für Ralph Stanley das doch ist, der in seinem Leben bislang nur ein einziges Mal in einer BILLBOARD-Hitparade notiert wurde. Und das war just in jener Zeit, als der große Pionier der Country Music in Europa, Chuck Steiner, uns Country-Novizen die hohe Schule der Country Music lehrte und uns zum Beweis die Starday-Platten besonders ans Herz legte, auf denen man die wahre Country Music hören konnte - u.a. auch die Stanley Brothers. Mit seinem 1966 verstorbenen Bruder Carter Stanley ersang sich Ralph Stanley (als The Stanley Brothers) 1960 im Frühjahr mit der Single "How Far To Little Rock/Heaven Seems So Near" (King 5306) einen bescheidenen Platz 17 in der BILLBOARD-Hitparade. Und damals, Freunde, damals war Country noch Country und Bluegrass eben was anderes: Etwas Exotisches, die superfeine Linie der Country Music! Ja ja, so war das damals Anfang der 60er Jahre.

Ralph Stanley ist ständiges Mitglied der Grand Ole Opry in Nashville und ist dort häufig zu hören und zu sehen. Sein rühriger Dr. Ralp Stanley-Fanclub ist zu erreichen unter http://drralphstanley.com. Und - was wohl kaum noch bekannt ist - Ralph Stanley ist auch einer der ersten Country-Künstler gewesen, der vor einem deutschen Publikum aufgetreten ist. Das war 1966, als er noch gemeinsam mit seinem Bruder Carter Stanley (als Stanley Brothers), mit Cousin Emmy, den New Lost City Ramblers, Roscoe Holcomb und der Cyp Landreneau´s Cajun Band im Rahmen eines Festival of American Folk & Country Music vom 4.3.1966 bis zum 18.3.1966 in Hamburg, Nürnberg, Kaiserslautern, Düsseldorf, Gießen, Köln, Frankfurt, Berlin, Bremen und München auftrat.