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Einer der erfolgreichsten Countrysänger wird 80 Jahre alt

RAY PRICE
von Ulrich Rechau

Mehr als fünf Dekaden ist er im Geschäft und wird in diesem Monat achtzig Jahre alt. Die Rede ist von Ray Price, der in seiner Anfangszeit sogar heutigen Superstars musikalische Impulse gab. Die erste Hälfte seiner Laufbahn prägte der klassische Honky Tonk-Stil, die zweite Hälfte zeichnete sich durch sanfte Countrymusic mit orchestralem Hintergrund aus. Mit beiden Spielarten war Ray Price äußerst erfolgreich. Auch wenn er heute aus dem großen Geschäft heraus ist, soll Ray Price mit einem Portrait zum Geburtstag gratuliert werden.

Sein letztes Studioalbum erschien im Herbst 2002 unter dem Namen “Time“. Veröffentlicht wurde es von “Audium Records“. Ray Price zeigte im stolzen Alter von 76 Jahren, das er noch nichts an musikalischer Ausstrahlung verloren hat. Das Album ist eine Mischung aus Westernswing und Shuffles. Gleich der erste Titel You Just Don’t Love Me Anymore kommt im typischen Ray Price-Stil herüber. Am schönsten sind die Westernswingtitel Don’t You Go Loving Nobody Else und Ft. Worth, Texas. Als Balladen stellen sich der Titelsong Time und If It’s All The Same To You vor. Next Voice You Hear ist eine Neuauflage eines Top Twenty-Hits von Hank Snow aus dem Jahre 1955. Bei What If I Say Good Bye singt Vince Gill mit. Weitere Begleitsänger sind Buddy Jewel, Lisa Stewart und Greg Cole. Auch die Musiker sind hochkarätig. Bei den Aufnahmen gab eine Neubelebung des legendären “A-Teams“ aus den Studiomusikern Buddy Emmons an der Steelgitarre, den Gitarristen Harold Bradley, Pete Wade und Jimmy Capps, Bassist Bob Moore, Pianist David Briggs und Schlagzeuger Buddy Harmon. Ergänzt wurden sie durch die Fiddler Rob Hajacos und Joe Caverlee.

Der Werdegang von Ray Price begann nicht im Umfeld der Countrymusic. Geboren wurde er am 12. Januar 1926 in Perryville/Tx. Aufgewachsen ist er in Dallas/Tx. Nach der Highschool rief ihn Uncle Sam zum Wehrdienst. In den Zeit von 1944 bis 1946 diente er im "U.S. Marines Corps". Zurück in Dallas/Tx schrieb Ray Price sich am North Texas Agricultural College als Student ein. Er wollte Tierarzt werden. Doch meistens kommt es anders als man denkt. Die Freizeit verbrachte Ray mit seinen Freunden in Countrymusicclubs. Dort wurde das Interesse an der Musik wach. Mit einigen Kumpels gründete Ray eine Band, und aus einem Hobby wurde mit der Zeit ein Beruf. Ray Price erinnert sich: "Während des Studiums hielt ich mich mit Freunden viel in einem Cafe in Dallas auf, wo es improvisierte Shows gab. Kurzerhand gründeten wir eine Band und spielten dort." Der Berufswunsch Tierarzt gehörte der Vergangenheit an. 1948 bekam Ray Price sein Rundfunkdebut in der "Hillbilly Jamboree" bei der Station KRBC in Abilene/Tx, ein Jahr später ein Engagement bei der "Big D Jamboree" in Dallas/Tx. 1950 folgte bei der kleinen Plattenfirma "Bullet" mit dem Titel Jealous Lies die erste Plattenveröffentlichung. Ray Price: "Einer meiner Freunde schrieb Songs und bat mich, ein Demoband zu singen. Das Band kam irgendwie zu 'Bullet', und die gaben mir den ersten Vertrag." Da wurde die große Firma "Columbia" auf Ray Price aufmerksam. Ray blickt zurück: "Bei der Aufnahme von Jealous Lies traf ich im Studio Lefty Frizell. Er hatte gerade vier Titel aufgenommen. Er fragte mich, ob ich ein Lied für ihn schreiben könnte." Das Ergebnis war 'Give Me One Of Your Kisses', mit dem Lefty Frizell 1952 eine Nummer Eins hatte." Damals waren Leute, die komponieren und singen konnten sehr gesucht, und so nahm "Columbia" Ray Price unter Vertrag. Dieser Vertrag sollte sich für beide Partner als sehr fruchtbar erweisen. Ray erinnert sich an die Anfangszeit: "Produzent Don Law sagte mir nie was ich bei einer Aufnahmessession zu tun hätte. Er war immer dabei, und wenn Don etwas nicht gefiel, sprachen wir darüber. Er liess dem Künstler seine Freiheit. Ich denke, das ist es was einen großartigen Produzenten ausmacht." Bei "Columbia" erschienen 52 Singleveröffentlichungen von Ray Price. Zwischenzeitlich war er nach Nashville/Tn umgezogen. Dort machte er mit Hank Williams Bekanntschaft. Zwischen beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft. Ray und Hank wohnten im gleichem Haus, Williams oben, Price unten. Hank Williams wurde zum Mentor für Ray Price. Daraus resultiert auch der Beitritt Ray Price's in die "Grand Ole' Opry". Noch heute nennt ihn Ray Price einen seiner größten Vorbilder. In der ersten Zeit lehnte sich Price stilistisch stark an Hank Williams an. Die erste Veröffentlichung auf "Columbia" war Talk To Your Heart. Sie erreichte gleich den dritten Platz in der Countryhitparade. Weitere Anfangserfolge waren Don't Let The Stars Get In Your Eyes, I'll Be There und Release Me. Letzteres trug der britische Popsänger Engelbert Humperding 1967 um die Welt. In der Neujahrsnacht 1953 verstarb Hank Williams. Daraufhin übernahm Ray Price Hank Williams' Band, die "Drifting Cowboys", und führte zunächst das musikalische Erbe Williams' fort. Später formierte Ray seine Musiker neu, weil er sich musikalisch verändern wollte. Price: "Ich stellte die Band 1953 neu auf und kündigte den "Drifting Cowboys". Aus Texas engagierte ich die Formation "Western Cherokees". Aus den beiden Namen entstand "Cherokee Cowboys". Die erste Single mit der neuen Band kam im Oktober 1954 heraus und hieß If You Don't, Somebody Else Will. Später folgten bei den "Cherokee Cowboys" auch personelle Wechsel. Unter den Bandmitgliedern befanden sich heute so illustre Namen wie Willie Nelson, Roger Miller, Johnny Paycheck, Buddy Spicher, Darrell McCall und Buddy Emmons. Seine erste Nummer Eins hatte Ray Price 1956 mit dem Titel Crazy Arms. Dieser Hit wurde nicht nur die meistverkaufte Countrysingle des Jahres 1956, sondern auch ein neuer Sound. Andrew Vaughan schreibt in seinem Buch World Of Country Music: "Ray Price's Erfolg basiert auf purem Honky Tonk. Sein Crazy Arms war hart, lakonisch und rhythmisch, im Hintergrund begleitet von einer hochtönenden Fiddle." Crazy Arms ist in der Countrymusic ein unsterblicher Klassiker geworden. Weitere große Hits folgten, darunter My Shoes Keep Walking Back To You, City Lights und The Same Old Me, die alle eine Nummer Eins wurden. Unvergessen sind auch Heartaches By The Number aus der Feder von Starautor Harlan Howard und Make The World Go Away, das von anderen Künstlern immer wieder gern als Coverversion aufgenommen wurde. Trotz allen Erfolges hatte Ray Price in den sechziger Jahren keinen einzigen Nummer Eins-Hit in den Charts. In dieser Dekade blien er der ewige Zweite, dennoch liess er sich nicht entmutigen. Ray Price dazu: "Ich versuchte dem Publikum Songs zu bringen, mit denen sie etwa anfangen konnten. Rund 300 Tage im Jahr war ich unterwegs, damals mußte man das einfach machen." Zu erwähnen ist auch, daß Ray Price 1961 ein Tribute-Album für Bob Wills veröffentlichte. Wahrscheinlich war es eines der ersten Konzeptalben in der Countrymusic.

In der zweiten Phase von Ray Price's Karriere entwickelte sich seine Musik weg vom puren Honky Tonk-Stil zur weichen Countrymusic mit Streichern im Hintergrund. 1969 löste seine Single Danny Boy eine Kontroverse aus. Den Puristen war das Lied einfach zu seicht. Steelgitarre und Fiddle traten zurück, und ein orchestraler Hintergrund dominierte die Musik. Ray Price hatte sich der damaligen Musikentwicklung angepaßt. Aber der Verkaufserfolg ließ zu wünschen übrig. 1970 kam dann die große Überraschung: Die Ballade For The Good Times wurde endlich wieder ein Superhit, nach zehnjähriger Unterbrechung wieder eine Nummer Eins. Geschrieben wurde sie von Kris Kristofferson, der dadurch in Nashville salonfähig wurde. Insgesamt wurde "For The Good Times" über elf millionenmal verkauft. Im März 1971 bekam Ray Price dafür einen Grammy verliehen. Damit Stand Ray wieder an der Spitze. Weitere Nummer Eins-Hits waren It Won't Mention It Again, She's Got Be A Saint und You're The Best Thing That Ever Happened To Me. Zu letzterem sagte Komponist Jim Weatherly: "Der Aussage 'Du bist das Beste, was mir passieren konnte' begegnet man man so oft, sei es in Seifenopern, im Kino oder sonst irgendwo. Ich fand es seltsam, daß noch niemand diese Aussage in einem Lied verarbeitet hat. Jedenfalls habe ich selbst noch nichts davon gehört. Daraufhin begab ich mich an den Schreibtisch, und in einer knappen Stunde war das Lied fertig." Die "Country Music Association" (CMA) kürte 1971 die LP "It Won't Mention It Again" zum "Album des Jahres. Leider war das der einzige CMA-Award für Ray Price. Ab Mitte der siebziger Jahre lies der Erfolg nach. Er wechselte von "Columbia" zu der kleinen Firma "Myrrh". Mit den Singles Like Old Times Again und Roses And Love Songs kam er wieder in die Top-Five der Countryhitparade. Danach wechselte Ray mehrfach die Plattenfirma. Bei ABC/Dot, Dimension, Warner Brothers und zuletzt bei Step One Records hatte Ray Price noch einen Vertrag. 1980 erregete er mit dem Duett Faded Love zusammen mit Willie Nelson Aufsehen. Die beiden letzten Top Five-Ergebnisse erzielte er anfang der achtziger Jahre mit It Don't Hurt Me Half as Bad und Diamonds In The Stars. Dann konnte er nicht mehr an die Erfolge von früher anknüpfen. Einen letzten Höhepunkt in Ray Price's Karriere war 1996 die Wahl in die "Country Music Hall Of Fame". Mit den Worten "Das wurde langsam Zeit" bedankte er sich für die Ehrung. Präsentiert wurde die Ernennung von Kris Kristofferson.

Ray Price wird in diesem Monat 80 Jahre alt. In der Countrymusik gilt er als richtungsweisender Künstler. Viele seiner Hits werden heute von jüngeren Künstlern gerne wieder aufgenommen. In Fachbüchern ist man sich einig. So schrieb Autor Nick Tosches in "Country – Music And Musicians": Ray Price ist einer der meist beeinflussenden Künstler des Honky Tonk-Genres, obwohl oftmals übersehen und missachtet. Abschließend noch einmal: “Herzlichen Glückwunsch zum achtzigsten Geburtstag“.