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Über die
BLUEGRASS MUSIC
(2)
Bluegrass-Gospel
(Teil 2)
Gospel und Old Time Music
- ein Zeitdokument
Von Eberhard Finke
Die Abhandlung "BLUEGRASS-GOSPEL" von Eberhard Finke erschien zuerst in COUNTRY CORNER, 11. Jahrgang Nr. 47 vom Dezember 1975. Den Beitrag veröffentliche ich in 3 Folgen: Einleitung und Blick in die Kirchengeschichte / Gospel und Old Time Music / Gospel und Bluegrass Music
Gospel und Old Time Music
Die Volksmusik der Südstaaten, die die Einwanderer mitgebracht hatten und die
gerade die religiösen Gruppen in ihrer Abgeschiedenheit besonders pflegten, war
um die Jahrhundertwende Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden; vorher
wurde sie von Colleges und Universitäten nicht als Kulturdokument angesehen.
Jetzt aber, wo die Pionierzeit im Westen abgeschlossen war und die
Industrialisierung im Osten gedieh, meldete sich bereits die erste
Zivilisationsmüdigkeit und
Fortschrittskritik. Sie sah den wahren Amerikaner im Cowboy und Pionier des
"Frontier", der sich den Zwängen der Gesellschaft entzog und sich im Kampf mit
der Wildnis zu einem neuen, besseren Menschen läuterte. Dort wurde die wahre
Musik des Volkes gesucht und gefunden. Beispiel und Beweis für diesen
Zusammenhang ist John A Lomax´s Sammlung mit dem Titel "Cowboy Songs And Other
Frontier Ballads" vom jahre 1938. Zwar bemerkten er und andere die vielen Lieder
mit religiösem Inhalt, doch sahen sie darin kein eigentliches Volksgut und
befaßten sich weiter nicht damit.
Es war George Pullen Jackson, der die Eigenständigkeit dieser Musik erkannte,
sie sammelte und in fünf Bänden von 1937 bis 1952 herausgab. Der erste Band
hatte den Titel "White Spirituals In The Southern Uplands", auffalend genug,
denn der Begriff "Spiritual" ist im allgemeinen auf die Musik der Schwarzen
begrenzt (hier zeigt sich auch die enge Verbindung von schwarzer und weißer
Musik in früheren Jahren, die das spezifische Südstaatenprodukt Country Music
zur Folge hatte). Seine Quellen waren alte Liederbücher und die Praxis noch
vorhandenen ländlichen Singens in Gruppen. 1944 hörte er ein neues Lied von
einem 81jährigen, der es von seiner Tante gelernt hatte, die es ihrerseits aus
ihrer Kindheit um 1780 kannte! So waren in zwei Schritten fast zwei Jahrhunderte
mündlicher Überlieferung übersprungen.
Natürlich gabe es schon reichlich religiöses Material auf Schallplatten, es gab
sogar exklusive Sacred-Labels (z. B. mit dem sinnigen Namen "Angelophone"). 1922
gründete James D. Vughan, ein Pfarrer aus Tennessee, eine Firma mit seinem Namen
für sein eigenes Quartett mit Pianobegleitung, die Platten verkaufte er bei
seinen Konzerten (ein Titel ist zu hören auf der LP "Paramount Old
Time Tunes" JEMF 103: "Jesus Is Precious To Me"). Im Okeh-katalog von 1925 gab
es eine Untergruppe "sacred selections" mit neun Platten, die meisten von Rev.
Andrew Jenkins und seinen zwei Töchtern. Darunter befinden sich "Life´s Railway
To Heaven", "The Church In The Wildwood", "If I Could Hear My Mother Pray Again"
und "Shall We Gather At The River", also vom Bluegrassrepertoire bekannte Songs.
Der letzte Titel wurde auch von Uncle Dave Macon und den McGee Brothers
aufgenommen; daß die beiden Aufnahmen bei gleichem Text "durch eine Werlt
getreent sind in der Darstellung", ist auch ohne Anhören klar. Was nun ein
Sacred Song ist und was nicht, kann im Einzelfall nur schwer zu entscheiden
sein. Bekannt ist schließlich, daß auch die Carter Family viel religiöse Lieder
aufnahm. Dazu paßt, daß A. P. Carter sich stets weigerte, auf
Tanzveranstaltungen aufzutreten,
und zwar aus religiösen Gründen. Doch verlassen wir hier die Zeit der Old Time
Music, die nur als Bindeglied zum Bluegrass in unserer Darstellung dienen soll.
Teil 3 "Gospel und Bluegrass Music"