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Armin Edgar Schaible und Martin Haerle:
Eine schwierige Beziehung
Walter Fuchs erinnert sich

Als ein gewisser Eddie Wilson mit „Danke Schön-Bitte Schön-Wiedersehn“ am 1. Mai 1961 in die deutsche Radio- Hitparade einstieg und innerhalb weniger Wochen bis auf Pos.17 hochkletterte, gefolgt von der B-Seite der Single mit dem Titel „Ich Bin Froh, Dass Ich Dich Los Bin“, die es bis auf Platz 25 brachte, da hätte man erwartet, Zeuge eines grossen Karrierestarts zu sein. Doch weit gefehlt. Eddie Wilson ist eine Eintagsfliege geblieben. „Eddie war der geborene Verlierer“, so hat ihn sein Freund Martin Haerle einmal in einer Fernsehreportage beschrieben. 1963 kam zwar noch eine L.P. von Eddie Wilson auf den Markt, doch dieser erste Versuch, die deutsche Sprache in Country-Songs einzusetzen, war nicht von Erfolg gekrönt. In den USA versuchte er es mit englischsprachigen Songs, doch Tommy Hill, ein Produzent bei Starday sagte später ganz offen: „Er war eben nur ein drittklassiger George Jones und wir waren eher an den Originalen interessiert.“
Eddie Wilson habe ich nie getroffen, seinen damaligen Freund Martin Haerle dagegen umso öfter.Vor ein paar Jahren wurde ich einmal gebeten, meine ganz persönlichen Erlebnisse mit Martin Haerle zu schildern und sein Verhältnis zu Eddie Wilson zu beschreiben. Ob das Manuskript dann veröffentlicht wurde weiss ich nicht, ich habe es aber kürzlich beim Räumen eines Regals gefunden.

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1961: Starday Records in Nashville, Dickerson Pike. Bild: Archiv Walter Fuchs

Es muss etwa 1961 gewesen sein, als ich zum ersten Male mit dem Schweizer Country Music Aktivisten Chuck Steiner in Basel in persönlichen Kontakt gekommen war. Dabei wurde ich sehr rasch immer wieder mit zwei Namen konfrontiert, mit Martin Haerle und Eddie Wilson. Martin Haerle stammte aus Stuttgart und Eddie Wilson, der eigentlich Armin Edgar Schaible hiess, kam aus Ludwigsburg. Beide, so erfuhr ich, waren in die USA ausgewandert und hatten sich bei Starday Records in Nashville etabliert. Martin war in der Administration des Unternehmens tätig und kümmerte sich vor allem um die LP-Cover-Gestaltung und die Werbung, während Eddie sich als Sessionmusiker bzw. später als Gesangsstar versuchte. Martin wie auch Eddie wollten einfach Amerikaner werden, im Land ihrer Träume leben, vor allem in Nashville, dem Zentrum der Country Music, denn beide waren eingefleischte Country Music Fans. Schliesslich waren sie fast 10 Jahre davor schon im Raum Stuttgart/Ludwigsburg äusserst aktiv gewesen. Martin hatte Country-Konzerte organisiert z.B. in der Liederhalle Stuttgart und Eddie hatte ab 1951 in Bands gespielt, darunter auch bei den legendären „Wagonmasters“, die man oft über AFN hören konnte. In diesen Jahren hatte sich ihre fast bedingungslose Liebe nicht nur zur Country Music entwickelt, sondern auch für das Land, die USA.

Eddie Wilson (links) und Don Pierce, Chef von Starday Records, 1961. Bild: Archiv Walter Fuchs

Sie hatten die G.I.s erlebt, die im Nachkriegsdeutschland mit ihren grossen Autos und den reichlich gefüllten Geldbörsen wie die Fürsten lebten, schliesslich war der Dollar meist 4,00 bis 4,50 DM wert. Mit der illusionären Vorstellung, dass in der fernen Heimat dieser Soldaten Milch und Honig fliessen, sind die beiden dann auch ausgewandert, zuerst Martin 1959, und dann, 1960, auch Eddie. Dies alles hatte mir Chuck Steiner wiederholt erzählt und, um ehrlich zu sein, ich wurde manchmal richtig neidisch und hätte am liebsten mein Studium an den Nagel gehängt, um auch in die USA, nach Nashville, auszuwandern.

  Martin Haerle 1961 bei Starday Records in Nashville. Bild: Archiv Walter Fuchs

Tatsächlich hatte Martin Haerle bei Starday Records zunächst auch Erfolg. Er wurde die rechte Hand seines Chefs Don Pierce und die LP-Cover wurden mit Martin’s Hilfe zusehends ansehnlicher und gefälliger. Eddie dagegen tat sich schwerer. Sein „Dankeschön, Bitteschön, Wiedersehen“ wurde zwar in Deutschland so etwas wie ein Hit, doch Don Pierce weigerte sich, diesen Song in den USA zu veröffentlichen. Hätte er’s getan, aus Eddie Wilson wäre vielleicht ein Star geworden, denn die G.I.-Themen standen damals in Amerika hoch im Kurs. So jedoch, ohne Hit, dümpelte Wilson in den USA vor sich hin und als sich sein alter Freund Martin Haerle immer mehr in seine Alkoholprobleme verstrickte, da war das Ende der beiden „Germans“ bei Starday Records abzusehen. Ich werde nie vergessen, wie ich 1964 Martin ganz kurz in Ludwigsburg traf. Er war mit seinem Cadillac auf Deutschlandurlaub, war jedoch so „D.O.A.“ ( Drunk On Arrival), sodass ein Gespräch unmöglich war.

Es war einmal: STARDAY RECORDS am Dickerson Pike in Nashville im Jahr 2003. Bild: Hauke Strübing

Der Leidtragende dieser Entwicklung war ganz eindeutig Eddie Wilson, denn eines Tages sprach Don Pierce ein Machtwort, er entliess die beiden Deutschen kurzerhand. Martin hatte den armen Eddie mit ins Unglück gerissen. Martin Haerle, ein Typ, der immer wieder auf die Beine fällt, ging an die Westküste, gründete später sein eigenes „CMH“-Plattenlabel und starb am 4. September 1990 in Los Angeles im Alter von 51 Jahren. Eddie Wilson verschlug es nach Texas, wo er in Fabriken arbeitete und bei Volksfesten deutsche Heimatlieder sang.
 
Unvergessen meine zahlreichen persönlichen Kontakte mit Martin Haerle ab 1976 in Los Angeles wie auch später in den 80er Jahren in Deutschland, wo wir uns ab und zu in geselliger Runde in meinem Haus trafen. Dabei verspürte ich bei ihm immer wieder ein schlechtes Gewissen gegenüber Eddie, den er ins Unglück gestürzt hatte. Wiederholt sprach er mich an, doch mal ein paar Songs auszusuchen, die von Eddie gesungen in Deutschland Erfolg haben könnten. Es ist nie etwas daraus geworden. Martin starb und Eddie lebt immer noch in Texas. Sein Traum vom grossen Country Star ist ein Traum geblieben.