Ein Country Hit ist 40 Jahre alt: Let´s climb on....
Wolverton Mountain
Von Hauke Strübing

1962 war das Lied WOLVERTON MOUNTAIN ein Riesenhit. 20 Jahre später bereitete ich für das deutsche Magazin COUNTRY & WESTERN einen Artikel vor, der dann allerdings nicht veröffentlicht wurde, weil COUNTRY & WESTERN sein Erscheinen nach einer Handvoll Ausgaben einstellte. "Vor 20 Jahren: Ein Hit macht seinen Weg. Claude King erklimmt den WOLVERTON MOUNTAIN" - so sollte der Beitrag heißen. Was 1982 nicht mehr möglich war, kann ja 20 Jahre später wieder etwas werden. Hier ist die Geschichte eines Hits: Die Abhandlung von 1982 ergänzt mit Anmerkungen, Beiträgen und wiedergefundenen Originalausschnitten.

WOLVERTON MOUNTAIN im Rückblick anno 1982:
20 Jahre soll das nun schon her sein? Kaum zu glauben, wenn man weiß, wieviele musikalische Einfälle und Wandlungen den Cumberland in Nashville heruntergeflossen sind. Wie modern für alle Zeiten ein Lied arrangiert, instrumentiert und die Aufnahme dann auch noch in den Kasten gebracht werden kann, das überliefern eigentlich nur sehr, sehr wenige Lieder. Die Aufnahmen von Patsy Cline waren ihrer Zeit damals weit voraus, sie sind heute noch zeitgemäß. Auch viele Aufnahmen von Willie Nelson. Und auch WOLVERTON MOUNTAIN ist einer dieser Evergreens.
(Die nebenstehende Anzeige erschien am 12. Mai 1962 im MUSIC REPORTER).

Vielleicht liegt es ja an der eingängigen ersten Zeile dieses Liedes (They say don´t go on Wolverton Mountain if you´re looking for a wife), die so leicht über die Lippen geht: Einmal gesprochen und nie vergessen. Natürlich ist es die einprägsame Melodie, die Merle Kilgore und Claude King 1962 mit leichter Hand zu Papier brachten. Sicherlich ist es aber der eigenwillige Gesangsstil von Claude King, der durch das Umkippen der Stimme im Refrain die Tradition und wohl auch einen Gesangs-Gag des damals noch nicht vergessenen Johnny Horton fortsetzte. Und beigetragen zum Erfolg dieses Liedes hat ohne Zweifel auch das Bemühen von Tillman Franks, der zunächst Johnny Horton bis zu dessen Tod am 5. November 1960 betreute und danach Claude King. Gestimmt hat an der WOLVERTON MOUNTAIN-Aufnahme dann alles. Bis zum heutigen Tag ist sie unverwüstlich - bei uns vielleicht ein bißchen mehr unverwüstlich als drüben in den USA. Überlebt hat die Claude King-Aufnahme vor allem auch dadurch in unseren Breiten, weil CBS dieses Musik-Monster immer wieder mal auf Samplern bis in die Neuzeit hineingerettet hat. Vergessen sind da schon fast die Zeiten bis Ende der 60er Jahre, als die Aufnahme von Claude King unversehens sogar in die Sammlerecke geriet: Der Erfolg von Claude King sollte in den USA nämlich nicht über alle Zeiten andauern, und so blieben die deutsche Pressung der Single "Wolverton Mountain/Little Bitty Heart" (CBS 282 171) und seine Debut-LP "Meet Claude King" (CBS 62 114, Anfang 1963) über einen längeren Zeitraum das einzige von Claude King bei uns Erhältliche.

Es war übrigens wieder einmal AFN, der uns Claude King damals Anfang der 60er Jahre näher (und aufs Tonband) brachte. In einen gewissen Claude King-Rausch versetzte uns aber nicht erst WOLVERTON MOUNTAIN. Das Lied von Clifton Clowers, der eifersüchtig auf seine Tochter sah, war schon der 3. Akt: Aufmerksamkeitsstufe 1 löste Claude Kings Debut-Single BIG RIVER, BIG MAN mit der umwerfenden B-Seite SWEET LOVIN´ aus, der dann der recht stramme, in typischer Johnny Horton-Manier vorgetragene Titel THE COMANCHEROS (mit der B-Seite I CAN´T GET OVER THE WAY) folgte. Dann Anfang Mai 1962 hörten wir erstmals WOLVERTON MOUNTAIN, das sich zum Country-Ereignis des Jahres mauserte. 26 Wochen lang war das Lied ein Renner in den Country Hitparaden, in den Sendungen von AFN und im Juli/August überhaupt der Hit! Und für damalige Zeiten immer noch ungewöhnlich: Auch in den US-Pop-Hitparaden machte das Lied Karriere. In BILLBOARD bis auf Platz 6.  (Nebenstehend die Top 15 aus der Country Hitparade des MUSIC REPORTER vom  28. Juli 1962).

Da in den USA in aller Regel die A-Seite einer Single alles zählt und die B-Seite dementsprechend wenig, ging im WOLVERTON MOUNTAIN-Trubel zumindest drüben in den USA das Lied LITTLE BITTY HEART total unter. Bei uns spielte LITTLE BITTY HEART indes eine gewisse Rolle, und nicht wenige meinten, an diesem Lied sei ein ebenso großer Hit verloren gegangen wie an WOLVERTON MOUNTAIN.

Was damals eigentlich wenig Beachtung fand und heute kaum noch bekannt ist: Claude King versuchte es knapp ein Jahr nach seinem Erfolg mit WOLVERTON MOUNTAIN nochmals mit einem ähnlichen Lied - nur daß er diesmal die Story ins Tal verlegte: Sein SHEEPSKIN VALLEY blieb allerdings in der Versenkung.

Auch der Ruhm von Songwritern scheint in den USA anders als anderswo nachhaltiger zu sein. Während Claude King seinen großen Beitrag zur Country-Geschichte geleistet hatte, mischt Merle Kilgore wieder ordentlich mit im Big Business: Zumindest im letzten Drittel der Hitparade. MISTER GARFIELD heißt eine Elektra-Single mit Merle Kilgore & Friends. Und diese Freunde heißen Hank Williams Jr. und Ehefrau Becky sowie Johnny Cash. Und wer dann vielleicht einmal die Gelegenheit hat, Hank Williams Jr. mit seiner Band live zu sehen, der sollte sich den Gitarristen genau ansehen: Es ist Merle Kilgore, der Schöpfer von WOLVERTON MOUNTAIN.

WOLVERTON MOUNTAIN im Rückblick anno 1962:
1962 beschäftigte ich mich mit meinen "fliegenden Blättern", der European Country & Western Hitparade, der auch einige Seiten Schriftwerk angeheftet waren. Am 16. Juli hieß es u.a.: Wie eine Bombe hat der neue Claude King-Hit "Wolverton Mountain b/w Little Bitty Heart" bei uns eingeschlagen! Das Lied, in dem Claude King von der liebreizenden Tochter jenes bärbeißigen Clifton Clowers erzählt, ist zur Zeit der most played and most requested Hit. In der Art erinnert Claude Kings Gesang sehr an den verstorbenen Johnny Horton. Die Kenner werden aufmerken, wenn sie jetzt lesen, daß Tillman Franks Johnny Hortons Manager war und Claude Kings Manager ist. Von Claude King ist vor wenigen Tagen eine LP herausgekommen mit dem Titel "Meet Claude King" auf Columbia CL 1810. Die Kenner werden aufmerken - heute würde man über derartige Meldungen noch nicht einmal mehr grinsen, aber vor 40 Jahren war man halt auf jede noch so banale Information erpicht. Der MUSIC REPORTER stellte die neue Single von Claude King am 17. März 1962 in der Rubrik C&W scoops vor. Am 10. Juni 1962 stand das Lied hinter dem aktuellen Hit der Wilburn Brothers "Trouble´s Back In Town" schon auf Platz 2 - gefolgt von Jim Reeves und "Adios Amigo". Am 30. Juni 1962 rutschte WOLVERTON MOUNTAIN einen Platz nach unten, während "Adios Amigo" auf Platz 1 wechselte. In den folgenden Wochen fuhr das Lied Achterbahn: Wieder 2 Plätze runter, um dann am 28. Juli die Spitzenposition zu erreichen (15 Positionen aus der C & W-Hitparade vom 28. Juli 1962 des MUSIC REPORTER sind oben wiedergegeben). BILLBOARD führte den Claude King-Titel 9 Wochen lang auf Platz 1.

Wie eine Bombe schlug WOLVERTON MOUNTAIN bei uns ein. Vor allem aber bei AFN, dem einzigen Sender weit und breit in jenen Tagen, der mehr als 2 Country-Aufnahmen hintereinander spielte. In den beiden "Hillbilly Gasthaus"-Sendungen, die von Bill Sellers in München und Woody Gosnell in Frankfurt moderiert wurden, und in T-O-M Tom Daniels wöchentlicher Country Hitparade (AFN Orléans) spielte WOLVERTON MOUNTAIN in diesen Wochen die erste Geige. In  # 8 meiner European Country & Western Hitaparade vom 2. Juli 1962 schießt die Aufnahme aus dem Nichts auf Platz 1 (most played song these past two weeks). Am 16. Juli ebenfalls Platz 1. Am 6. und 20. August wechseln "Aching Breaking Heart" (George Jones) und WOLVERTON MOUNTAIN die Plätze.

 

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Und am 3. September 1962? Die European Country & Western Hitparade liest sich wie das "Who is Who" der Country Music:

 

(Auszug aus der EUROPEAN COUNTRY & WESTERN HITPARADE vom 3. September 1962)
 

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Für Claude King blieb es bei diesem einen Riesenhit. Die beiden Aufnahmen "The Burning Of Atlanta" (1962, Platz 10) und "Tiger Woman" (1965, Platz 6) waren nochmals Top-Ten-Titel. Nach 1977 verschwand er aus dem Blickfeld. Alle Columbia-Aufnahmen von Claude King von 1961 bis 1972 und dazu die meisten seiner Aufnahmen für Cinnamon, True und Gusto von 1972 bis 1979 sind derzeit erhältlich in der BEAR FAMILY 5-CD-BOX "Claude King - More Than Climbing The Mountain, Wolverton Mountain, That Is"  (BCD 15619).

Merle Kilgore ist ein erfolgreicher Songwriter. Außer WOLVERTON MOUNTAIN schrieb er u.a. (alle solo bzw. gemeinsam) "More And More" (selbst gesungen und gesungen von Webb Pierce sowie von Charley Pride), "Baby Rocked Her Dolly" (Frankie Miller), "Johnny Reb" (Johnny Horton, Johnny Cash, auch selbst gesungen, Marty Robbins), "Ring Of Fire" (Johnny Cash, Anita Carter, ebenfalls selbst gesungen, Ray Charles, Olivia Newton-John, Blondie, Jerry Lee Lewis, Lynn Anderson, Tom Jones, Earl Scruggs, Mac Wiseman, Kitty Wells, Burl Ives und Hank Williams Jr.). Später wurde dann bekannt, daß die Geschichte von Clifton Clowers, der seine Tochter auf dem Wolverton Mountain vor jedem Freier beschützte, gar nicht erfunden ist. Den Wolverton Mountain gibt es nämlich tatsächlich und Clifton Clowers, der dort mit seiner Tochter wohnte, der lebte auch. Der Wolverton Mountain liegt in der Nähe von Center Ridge, Arkansas, im Conway County nur 14 Meilen westlich des Highway 65. Clifton Clowers war ein Onkel von Merle Kilgore, der ihn schon im zarten Alter von 2 Jahren auf den Wolverton Mountain führte - und später zur Country Music, wie es heißt. Für seinen Onkel schrieb Merle Kilgore dann das Lied. Clifton Clowers ist bereits vor einer Reihe von Jahren gestorben, und ich erinnere mich daran, daß das Wort damals umging, Merle Kilgore hätte vor dessen Tod niemand erzählen dürfen, daß die Geschichte von WOLVERTON MOUNTAIN wahr ist. (Bilder: oben links MERLE KILGORE, oben rechts das Cover der BEAR FAMILY 5-CD-Box "Claude King - More Than Climbing The Mountain, Wolverton Mountain, That Is"/BCD 15619).

Merle Kilgore ist am 6. Februar 2005 gestorben.

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Claude King´s COLUMBIA Singles und Langspielplatten
 Diskographische Zusammenstellung der Claude King Aufnahmen auf Columbia

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Singles vom 2. Juni 1962
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Alben vom 24. November 1962
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