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Die Country-Tragödie vom 5.3.1963

Von Hauke Strübing

In der Ausgabe Nummer 5 (1. Jahrgang) der EUROPEAN HAYRIDE vom April 1963 widmete ich einen Großteil des Heftes der Katastrophe vom 5. März 1963. Nach einem Flugzeugabstürz 90 Meilen westlich von Nashville im US-Bundesstaat Tennessee kamen die damaligen Grand Ole Opry-Stars Patsy Cline, Hawkshaw Hawkins, Cowboy Copas sowie Randy Hughes ums Leben. Zwei Tage später verunglückte Jack Anglin tödlich auf der Fahrt zur Trauerfeier für Patsy Cline, als sich sein Wagen in einer Kurve überschlug und gegen einen Baum prallte. Im Anschluß an den Beitrag in der EUROPEAN HAYRIDE "In Memoriam Patsy Cline - Hawkshaw Hawkins - Cowboy Copas - Jack Anglin - Randy Hughes" schrieb ich Lebensläufe über die vier Sänger, die ich (mit einigen Daten aufbereitet, die damals nicht bekannt waren) hier wiedergebe - alles ein bißchen schwülstig, aber das war wohl damals der Schreibstil:

Patsy Cline: I Fall To Pieces...Crazy...She´s Got You...Sweet Dreams

Sie war die größte Botschafterin der Country Music in der Pop Music! Seit "I Fall To Patsy Cline (8. September 1932 - 5. März 1963)Pieces" war Patsy Cline nicht mehr aus den Hillbilly- und Schlager-Hitparaden aller Länder wegzudenken. Patsy Cline wurde als Virginia Patterson Hensley am 8. September 1932 in Gore, Virginia geboren. Ihre Musikerkarriere begann sie bereits im Alter von 8 Jahren. Mit 16 trat sie im Rundfunk und Fernsehen auf. Im Jahr 1954  unterschrieb sie einen Schallplattenvertrag mit der Firma CORAL (DECCA Records), womit sie den ersten Schritt zu ihrem späteren Ruhm tat. "Walkin´ After Midnight" war ihr erster großer nationaler Hit (Frühjahr 1957 / 2 Wochen auf Platz 2 von BILLBOARD). Andere frühe Titel heißen "A Church, A Courtroom, And Then Goodbye", "Three Cigarettes In An Ashtray", "Stranger In My Arms", "I Don´t Wanna", "Then You´ll Know". 1957 gewann Patsy Cline dank außergewöhnlicher Erfolge Auszeichnungen der Musikzeitschriften BILLBOARD und CASH BOX. Ihre letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Singles waren

1961 - I Fall To Pieces / Lovin´ In Vain (Decca 31205)
1961 - Crazy / Who Can I Count On (Decca 31317)
1962 - She´s Got You / Strange (Decca 31354)
1962 - When I Get Thru With You / Image That (Decca 31377)
1962 - So Wrong / You´re Stronger Than Me (Decca 31406)
Februar 1963 - Leavin´ On Your Mind / Tra Le La Le La Triangle (Decca 31455).

Die "Leavin´ On Your Mind"-Single erschien auch in Deutschland auf Brunswick 12 260. Patsy Cline, mit ihrer Musik war sie ihrer Zeit Jahrzehnte voraus.Und eine letzte, nicht unbedeutende Auszeichnung wurde Patsy Cline vor wenigen Wochen zuteil, als sie bei einer AFN-Hörerabstimmung vor Kitty Wells und Rose Maddox den 1. Rang belegte. Soweit der Beitrag in der "European Hayride" vom April 1963.

Ende Februar 2001 schrieb ich aus einem anderen Anlass dann Folgendes: "Als ich vor einigen Monaten die erstaunliche Feststellung machte, dass sich ein Country-Album - nämlich "12 Greatest Hits Of Patsy Cline" - die lange Zeit von 700 Wochen in den Country Hitparaden von BILLBOARD befand, habe ich die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgt. Inzwischen - Stand 24. Februar 2001 - hat sich diese Zahl auf 722 Wochen erhöht. An diesem Tag führte BILLBOARDs "Top Country Catalog Albums" noch 8 weitere Alben auf, die inzwischen mehr als 200 Wochen in dieser Hitliste stehen. Alles Alben also, die seit mehr als 4 Jahren ununterbrochen in großen Stückzahlen gekauft werden. Patsy Clines "Greatest Hits"-Zusammenstellung debütierte vier Jahre nach ihrem Tod am 22. April 1967 in der Country-Hitparade - damals noch als Langspielplatte (Decca DL 74854) und wurde dort ursprünglich 19 Wochen notiert. Am 25. Januar 1986 tauchte das Album als MCA 12 erneut auf: Seither steht es ununterbrochen in den Country Charts von BILLBOARD - inzwischen 722 Wochen. Über 9 Millionen Exemplare sind mittlerweile im Umlauf."

Der Grund für diesen ungewöhnlichen Erfolg einer Platte mit Musik der frühen 60er Jahre ist in den Liedern zu suchen, die teilweise von Willie Nelson stammen. Mit seinen Kompositionen und ihrer Gesangsdarbietung war Patsy Cline zwei Generationen voraus. Niemand, der die Lieder heute hört und nichts vom frühen Tod von Patsy Cline wüßte, käme auf die Idee, sie in einer Zeit anzusiedeln, als das Wort Hillbilly noch zum allgemeinen Sprachgebrauch zählte (siehe oben).

Patsy Cline auf der Bühne der Grand Ole Opry im Ryman Auditorium in Nahville, Tennessee
 

Hawkshaw Hawkins: Slow Poke...Your Ring On My Finger...Lonesome 7-7203

Das Schicksal wollte es, daß Hawkshaw Hawkins gerade in der Zeit von uns gehen mußte, als er nach langen Jahren sowohl in Amerika als auch in Deutschland (via AFN) einen ausgesprochenen Hit hatte: "Lonesome 7-7203". Wir kannten diesen Sänger mit der ausdrucksvollen, der Country Music angepaßten Stimme von Liedern her, die er in den ersten Jahren seiner Karriere sang - Lieder, die ihn auch hier bekannt machten. Kenner erinnern sich an "Apologize", "Freedom", "(Is Your) Your Ring On My Finger" und "Sunny Side Of The Mountain". "Slowpoke" zählte zu seinen besten Aufnahmen. Alle waren sie Hawkshaw Hawkins: Die Justin Tubb-Komposition "Lonesome 7-7203" war sein größter Hit.auch immer wieder in den verschiedenen Country-Sendungen des AFN zu hören. In letzter Zeit wurden dann noch seine zwei letzten Columbia Aufnahmen "Twenty Miles From Shore" und Willie Nelsons "Darkness On The Face Of The Earth" öfters gespielt. Harold Franklin  Hawkins - geboren am 22. 12. 1921 in Huntington, West Virginia, war ein Country Sänger "by instinct and by cultivation". Seine Musikkarriere begann er 16jährig im Jahre 1937 in Huntington. Es folgten die WWVA Jamboree in Wheeling, West Virginia, die Jubilee USA und im Jahre 1955 die Grand Ole Opry. Als Grand Ole Opry-Star stellte er sich auch im vergangenen Jahr (1962) in Begleitung seiner Frau Jean Shepard den amerikanischen Armee-Angehörigen in Deutschland vor. Es war eine seiner letzten Tourneen.

In stiller Trauer werden jene 4000 Zuschauer der glanzvollen Zeremonie im Forum Auditorium in Wichita, Kansas, gedenken, in deren Verlauf Jean Shepard und Hawkshaw Hawkins auf der Bühne getraut wurden. Man schrieb damals den 26. November 1960.

 

Cowboy Copas: Filipino Baby..Signed, Sealed And Delivered..Alabam..Flat Top

Cowboy Copas war einer der "All-Time Country Music" - Großen! Diese Auszeichnung ist Cowboy Copas, Cover eine seiner frühen Langspielplattenin seiner Popularität und in seinem epochemachenden Stil begründet. "Cope" war eine Art lebende Legende in der Country Music. Als man ihn vor nicht langer Zeit in die "Cowboy Hall Of Fame" wählte, ließ man sich nicht zuletzt von dem Gedanken leiten, eine Persönlichkeit zu benennen. Und die stellte Cowboy Copas Zeit seines Lebens dar.

Lloyd Estel Copas wurde auf einer kleinen Ranch vor den Toren von Muskogee, Oklahoma, geboren (eine andere Quelle gibt als Geburtsort Blue Creek, Ohio, an). Er wuchs in einer typischen Country Familie auf: Schon in frühen Jahren wies ihn seine Mutter in das Gitarrespielen ein, sein Vater trug ihm die alten "Songs Of The West" vor. Dieser Einfluß war mitbestimmend für seine Musikkarriere. Immer blieb "Cope" ein "echter" Country Sänger, der auch dann nicht seinen Stil änderte, als die Pop Music mehr und mehr in die Country Music eindrang.

Mit 14 Jahren trat er zum ersten Mal öffentlich auf. Es folgten Jahre großer Erfolge, die zunächst 1946 in einem Vertrag mit der Grand Ole Opry ihren Höhepunkt fanden. Cowboy Copas war die Attraktion in seiner Ein-Mann-Show - bei persönlichen Auftritten und bei Schallplattenaufnahmen. Zu seinen Hits zählen die KING-Aufnahmen "Filipino Baby" (1946), "Signed Sealed And Delivered", "Tennessee Waltz", "Tennessee Moon", "Breeze" (alle 1948), "Candy Kisses" (1949) und die STARDAY-Aufnahmen "Alabam" (#1 in 1960), "Flat Top", "Sunny Tennessee" und noch einmal "Signed Sealed And Delivered" (alle 1961). Nachgetragen: Die Single STARDAY 621 "Goodbye Kisses/The Gypsy Girl" erschien nur wenige Tage vor seinem Tod, wurde in der Musik-Presse nach seinem Tod angekündigt und besprochen, was zu einiger Irritation führte.

 

Jack Anglin: Poison Love...I Get So Lonely...Stop The World (mit Johnnie Wright)

Eine der erfolgreichsten Vokalgruppen in der Country Music waren Johnnie & Jack (Johnnie Wright und Jack Anglin). Seit Anfang der 50er Jahre belebten und bereicherten sie das Country-Geschehen durch musikalische und gesangliche Einfälle und durch einen ausgeprägten Harmonie-Gesang. Jack Anglin stammt aus Franklin, Tennessee, vor den Toren von Nsshville Cover der Mono-Doppel-LP RCA VPM-6022 "All The Best Of Johnnie & Jack" vom Jahr 1970; Johnnie Wright (links), Jack Anglin (rechts)(geboren am 13. Mai 1916). Bevor er mit Johnnie Wright als die "Tennessee Mountain Boys" auftrat, bildete er mit seinen drei Brüdern ein Gesangs-Trio, das u.a. bei der Radio Station WSIX in Nashville vertraglich gebunden war. Das war im Jahr 1936.

Seit 1938 traten Johnnie & Jack dann zusammen auf. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges nahm RCA Victor das Duo unter Vertrag. "Poison Love" war der erste Single-Erfolg für Johnnie & Jack (#4 1951). Noch im gleichen Jahr folgte "Cryin´ Heart Blues" (#5) und ein Jahr später die Single "Three Ways Of Knowing/When You Want A Little Lovin´" (RCA 47-4555). "(Oh Baby Mine) I Get So Lonely", "S.O.S", "I Want To Be Loved", "Stop The World (And Let Me Off)", "Lonely Island Pearl" und vor allem die Aufnahme "Ashes Of Love" (alle RCA und zwischen 1954 und 1958 erschienen) waren Renner in den diversen AFN-Country-Sendungen. Mit ihren karibisch angehauchten, rhythmisch betonten Aufnahmen brachten sie Schwung in die damals eher noch betuliche Country-Welt der Spät-Fünfziger Jahre. Anfang 1962 wechselte das Team von RCA zu DECCA Records und änderte gleichzeitig auch die Schriftweise ihres Namens - zumindest was den Namen von (bisher) Johnnie Wright angeht: Bei Decca heißt das Duo nun Johnny & Jack.

Jack Anglin und Johnnie Wright waren nicht nur beruflich miteinander verbunden: Jack Anglin war mit Louise Wright, einer Schwester seines Gesangspartner verheiratet.

Patsy Cline - Hawkshaw Hawkins - Cowboy Copas

 

Wiedergabe der Originalberichte aus THE MUSIC REPORTER vom 16. März 1963