Uhr

„Sollte Pop bedeuten, daß ich in Nachtclubs auftreten muß,dann bin ich nicht interessiert“.

Jim Reeves
Von Hauke Strübing und Mohns Mohnssen

Jim Reeves ist nicht mehr. Im Alter von nur 39 Jahren kam der Sänger am 31. 7. 1964 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Tief erschüttert vernehmen wir diese Meldung. Wir können es noch nicht fassen, daß einer der Großen der Country Music für immer verstummt ist. Siebzehn Monate nach dem tragischen Tod von Cowboy Copas, Hawkshaw Hawkins, Patsy Cline, Randy Hughes und Jack Anglin griff er abermals unbarmherzig zu, Ort und Ursache zeigen eine traurige Parallele. Mit Jim Reeves erlosch ein strahlender Stern am Country & Western-Himmel, der für uns alle ein unvergängliches und unvergeßliches Stück Country Geschichte bedeutete. Mit seinen Liedern verbindet sich die Erinnerung an das Emporstreben der Country Music, die nicht zuletzt durch ihn an Glanz und Beständigkeit gewann. Stets werden wir uns an den großen Sänger und Menschen Jim Reeves erinnern. Seine Lieder leben in unseren Herzen weiter.

Die Nachricht vom Tode des RCA Sängers kam völlig überraschend. Die Zeit schien für wenige Augenblicke stehen zu bleiben. Die Country Music hat ein weiteres Mal einen Schlag erlitten und eine Persönlichkeit verloren, die schwerlich wieder zu ersetzen ist. Vor allem aber erschüttert die Tatsache, daß der Sänger zusammen mit seinem Pianisten Dean Manuel unter den gleichen mysteriösen Umständen ums Leben kam wie vor 17 Monaten Copas, Hawkins, Patsy Cline und Randy Hughes.

Die am 1. 8. 1964 in New York erschienene Zeitschrift 'MUSIC BUSINESS' brachte eine längere Notiz über Jim Reeves. Sie erreichte uns etwa zur gleichen Zeit, als wir von seinem Tode erfuhren. Der mit “REEVES´ ENGLISH HIT“ überschriebene Absatz hatte folgenden Wortlaut:

Jim Reeves, der letzte Woche mit den Blue Boys die Koffer packte, um auf eine zweimonatige Tournee durch den Westen und Norden Amerikas zu gehen, erhielt aus England die Nachricht, daß sich seine neue nur in England veröffentlichte Single 'I Won´t Forget You' (Harlan Howard.) unter 50 Liedern in der Top Five Gruppe befindet. Es scheint, als ob er seinen „I Love You Because“-Erfolg wiederholen kann. Für 250 000 verkaufte Platten erhielt er eine Silberne Platte. Damit besitzt er nun 14 Goldene bzw. Silberne Platten. Seine Tournee wird ihn durch Texas, New Mexico, Arizona, Colorado, British Columbia, Maryland und Pennsylvania führen.

*

JIM REEVES' DEATH STUNS NASHVILLE - Unter dieser Überschrift veröffentlichte MUSIC BUSINESS eine Woche später einen umfangreichen Bericht über Jim Reeves unerwarteten Tod:

Music City war schockiert und betäubt und trauerte mit der Country Music Welt um den tragischen Tod des berühmten Country Sängers Jim Reeves und seines Pianisten-Manager Dean Manuel, die mit ihrem Privat-flugzeug am 31. 7. 1964 bei einem Unwetter abgestürzt sind.

Der Absturz ereignete sich in einem bewaldeten Gebiet einige Meilen südlich von Nashville und nur 5 Meilen von dem Flugplatz entfernt, den sie anfliegen wollten. Jim Reeves wurde in einiger Entfernung von der Aufschlagstelle tot aufgefunden, während man Dean Manuel in der Kabine fand. Eddy Arnold war mit State Highway Inspector J. J. Jackson als erster an der Unfallstelle.

Obwohl sich das Unglück am Freitagnachmittag (31. 7. – Ortszeit) ereignete, wurden die Opfer erst nach einer umfangreichen Suchaktion am Sonntag gefunden. Die Suchaktion erstreckte sich auch auf das Gebiet, wo die Sänger Marty Robbins, Eddy Arnold, Carl Butler, Stonewall Jackson und Songwriter Marijohn Wilkin ihre Wohnsitze haben. Marty Robbins gab der Polizei an, daß er das unregelmäßige Geräusch einer Maschine gehört habe. An der Suchaktion beteiligten sich neben Freunden, Sängern der Grand Ole Opry und Deejays auch bekannte Größen der Schallplattenindustrie. Offiziell wurde von der Flugplatzleitung bekanntgegeben, daß Jim Reeves in seinem letzten Funkspruch sagte, er sei in ein schweres Unwetter geflogen. Gleich danach sei die Maschine vom Radarschirm verschwunden. Die Suchaktion wurde durch eine große Menschenmenge derart behindert, daß die Polizei die Autofahrer über Rundfunk bitten mußte, das genannte Gebiet möglichst nicht anzufahren.

*

Jim Reeves begann seine Musikkarriere als Country Sänger und machte sich gleichzeitig als Fernsehstar einen Namen. U. a. hatte er seine eigene ABC-Radio-Show, die Jim Reeves Show. 1959 ersetzte er im Sommer Red Foley in der Ozark Jubilee. Im April 1963 drehte er in Süd Afrika seinen ersten Film - Kimberly Jim. Die Verhandlungen über einen zweiten Film wurden augen-blicklich geführt. Als Sänger zählte Jim Reeves seit Jahren zur allerersten Spitzengruppe. Drei erfolgreiche Platten stehen momentan in den Hitparaden. Es sind dies die Single „I Guess I'm Crazy“ sowie die LPs 'The Best Of Jim Reeves' und 'Moonlight And Roses' (beide LPs sind in Deutschland erschienen).

* 

Am 4. August 1964, 14 Uhr Ortszeit, wurde im Phillips-Robinson Funeral Home in Nashville ein Trauergottes-dienst für Jim Reeves und Dean Manuel gehalten. Jim Reeves wurde einen Tag später in Carthage, Texas, zu Grabe getragen. Dean Manuel fand auf dem Springhill Cemetery in Nashville seine letzte Ruhe. Jim Reeves hinterließ seine Frau Mary, seine Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern. In einem Nachruf würdigte der Gouverneur von Tennessee, Frank Clement, den verstor-benen Jim Reeves:

"The Country Music world in particular and the entire entertainment world has lost two outstanding perfor-mers. I knew Jim Reeves personally and he was in every sense 'Gentleman Jim'. I join with Tennesseans every-where in expressing sincere condolences to the families of these two fine men".

*

JAMES TRAVIS REEVES wurde am 20. 8. 1924 in Panola County, Texas, geboren. Schon seit frühester Jugend war er eng mit der Musik verbunden. Seine Eltern unterstützten und förderten dieses Hobby, und im Alter von 10 Jahren hatte er alle Grundbegriffe erlernt. Etwas später besuchte er die Junior High School in Carthage, Texas. Hier entwickelte er sich zu einem hervorragenden Baseball-Spieler und erhielt ein Sport-stipendium für die University Of Texas in Austin. Durch zähen Fleiß arbeitete sich Jim Reeves zum Baseball Star empor. Als er die Universität verließ, spielte er bei den berühmten St. Louis Cardinals. Jedoch war das Glück nicht von langer Dauer. Jim Reeves erlitt eine Beinverletzung, die es ihm unmöglich machte, weiterhin Baseball zu spielen. Er war aber keineswegs entmutigt und versuchte sich nacheinander als Versicherungs-agent, Boxer(!), Kraftfahrer, Verkäufer und Schweißer. Später ging er zu einer Rundfunkanstalt in Henderson, Texas, und wurde Deejay. In den 5 Jahren, die er dort tätig war, avan-cierte er schließlich zum Programmdirektor. Nebenbei widmete er sich wieder verstärkt der Country Music. Im Jahre 1952 erhielt er ein Angebot des Senders KWKH in Shreveport, Louisiana. Er wurde Ansager und trat erstmalig als Sänger bei der "Louisiana Hayride“ auf. Damit war der erste Schritt zum Erfolg getan. Auch noch im gleichen Jahr machte er auf dem Label Abbott seine erste Schallplattenaufnahme. Das Lied hieß 'Mexican Joe' (noch erhältlich in Originalfassung auf der RCA Lp 'Bimbo' LPM 1410) und schlug wie eine Bombe ein. Innerhalb weniger Wochen war der Name Jim Reeves ein Begriff in der Country Music. 1953 folgte „Bimbo“. Seine Popularität stieg. 'Mexican Joe' war 1953 bestes Country Lied des Jahres. Aufnahmen wie „Penny Candy“,“I'll Follow You“, "Echo Bonita" und "Where Does A Broken Heart Go“ standen kaum nach. Es folgten nun ausgedehnte Tourneen und Auftritte bei der Grand Ole Opry und der "Home Town Jamboree'. 1954 machte der Sänger seine erste Europatournee, die ihn nach Deutschland, Frankreich und auf die Azoren führte. Und 1955 (März) wechselte er dann zu RCA über. Gleichzeitig kaufte RCA alle bisherigen Aufnahmen auf. 12 dieser Lieder sind noch auf der „Bimbo“-Lp (RCA 1410) erhältlich. 'Four Walls' war sein erster RCA-Erfolg. Die nachfolgenden Titel waren etwa alle in dem Stil dieser Aufnahme. Große Hits folgten mit „Billy Bayou“, 'Partners', 'I´m Getting Better', „I Know One“, 'He'll Have To Go', 'Losing Your Love', 'Am I Losing You' (zu verschiedenen Zeiten in drei Versionen erschienen), 'The Blizzard', 'Adios Amigo', „Welcome To My World“ und „I Guess I'm Crazy“. Große Plattenerfolge verzeichnete Jim Reeves auch in England mit 'I Love You Because' und seinem augenblicklichen Hit 'I Won't Forget You' sowie in Süd Afrika mit 'From A Jack To A King'. Für letzteren Titel erhielt der Sänger eine „Goldene“. Im April dieses Jahres trat Jim Reeves dann auch zum ersten Mal vor deutschem Publikum auf. Die RCA Promotion Tour war für alle Beteiligten ein großer Erfolg. Neben Jim Reeves traten Chet Atkins, Bobby Bare und die Anita Kerr Singers u. a. in Hamburg, Hannover, Berlin und München auf. (Wir berichteten hierüber ausführlich.)

Und zuletzt darf nicht unerwähnt bleiben, daß Jim Reeves vom 19. Oktober 1955 bis zu seinem Tode ständig Mitglied der Grand Ole Opry war.

Aus einem Interview mit Jim Reeves möchten wir abschließend einige Auszüge hinzufügen. Dieser Bericht erschien am 18. Juli 1964 - also zwei Wochen vor seinem Tod - im MUSIC BUSINESS:

 

"Bin ich ein Country Sänger? Ich weiß es wirklich nicht. Wie würde man den nennen, der in England eine halbe Million Platten verkauft. Sie sind wahrscheinlich keine Country Anhänger. Aber sie scheinen mich zu mögen. Soweit ich mich kenne, habe ich meinen Stil nicht bewußt geändert. Ich tue heute noch genau dasselbe, was ich vor sieben oder acht Jahren getan habe. Ich singe Balladen. Ich weiß aber nicht, ob man sie besonders einstufen kann. Man kann Country Sänger sein und trotzdem im Popfield anerkannt werden. Auf jeden Fall bin ich mit der Country Music verbunden, aber ich suche auch meinen Weg nach 'drüben'. Sollte jedoch „Pop“ bedeuten, daß ich in Nachtclubs auftreten muß, dann bin ich nicht interessiert. 

Filme - das ist eine andere Sache! Ich machte meinen ersten Film im letzten Jahr in Süd Afrika. In Amerika hatte ich nur wenige Angebote und dachte nicht daran, still im Hintergrund sitzen zu bleiben. Man erzählte mir, daß der erste Film alles überboten hat, was je in Süd Afrika gedreht wurde. Für meinen nächsten Film schreibt Cindy Walker übrigens die Musik. Noch in diesem Jahr werde ich nach Süd Afrika zurückkehren. 

Ich gestehe es ganz offen: ich arbeite nicht gern übermäßig viel. Wenn ich sehr energisch wäre, könnte ich sehr viel mehr tun. Etwa 75-100 Tage bin ich im Jahr unterwegs. Nicht einmal so viel möchte ich tun, aber ich denke da an meine Blue Boys, denen ich ein gutes Einkommen sichern möchte. Natürlich will ich mich auch nicht absondern - schon der vielen Freunde wegen, die ich keineswegs missen möchte.

Wenn ich nicht unterwegs bin, ziehe ich mich mit meiner Frau nach Texas zurück, wo wir beide unser Heim haben. Dort ist mein eigenes Büro und ein Aufnahmestudio, wo wir mit neuen Liedern experimentieren. Es ist ein herrliches Leben. Von allen Sängern schätze ich Marty Robbins sehr wegen seiner Vielseitigkeit als Sänger und als wirklicher Komponist. Er besitzt das Werkzeug dazu! Unter den Sängerinnen muß man Dottie West unbedingt anerkennen. Ich glaube, daß wir noch sehr viel von ihr hören werden.

Ich weiß mir wirklich nicht meinen großen Erfolg in England zu erklären. Trotzdem bin ich sehr dankbar. Mit „I Love You Because“ gab es (vorher) Aufnahmen von Johnny Cash, Elvis Presley und Al Martino, die jedoch nicht einschlugen. Und ich wußte nicht einmal, daß man ein Lied von mir in England veröffentlicht hatte!

Maybe it´s just that I sound as if I enjoy doing what I'm doing. I don´t work too hard at it, I never press. I just go on doing what I enjoy doing and if other people like it, I'm glad. After all, this is the only life we get. We just come through here once and I believe in making it a satisfying experience."

 *****

Dieser Artikel erschien ursprünglich im August 1964 in der deutschen Country-Zeitschrift WESTERN SALOON (Nr. 5 vom Juli/August 1964). Der Bericht war eine Gemeinschaftsarbeit von Hauke Strübing und Mohns Mohnssen, der aus Heide (mit dem Fahrrad!) kommend zufällig zu Besuch in Schwäbisch Hall war, als wir vom Tod von Jim Reeves via AFN-Radio erfuhren.

Der Bericht wird in Kürze ergänzt mit zahlreichen Bildern.