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In Deutschland: Informationsmangel und Cowboy-Image
 

Einige Verwirrung also um die Country Music bei uns, in erster Linie war es aber wohl schon immer ein Problem der Information und zunächst auch der Informationsmöglichkeit. Erinnern wir uns an die ganz frühen 50er Jahre, als eine Schar Unentwegter ihrem Hobby "Country Music" nachging, hauptsächlich überall dort, wo eine AFN-Station ihren Sitz hatte. Denn der Soldatensender AFN war so die einzige Quelle in Deutschland, wo man Hank Williams, Lefty Frizzell, Faron Young oder Carl Smith hören konnte. An Schallplatten war kaum zu denken, und Amerika war als Herkunftsland dieser für deutsche Ohren doch recht exotisch klingenden Musik trotz ständig sich verbessernder Kommunikation weit weg.
Und wie froh man war, da und dort einen Happen Country Music aufzuschnappen
"während einer Periode totaler Funkstille auf dem Gebiet der Country Music in Deutschland. (Denn)Platten mit Country Music waren damals in den Geschäften hierzulande so selten wie Schnee in der Sahara, und die einzigen "ländlichen" Rundfunkprogramme einheimischer Sendestationen waren in jenen Tagen deren "Landfunk-Sendungen" (Georg Fuhrmann in COUNTRY CORNER). Es war schon schlecht bestellt um die Country Music - um ihr Image ohnehin!Cover der LP Western Round-up Begann man doch schon damals in den 50er Jahren in Deutschland, der Country Music ein äußeres Kleid zu verpassen, das ihrem Inhalt und ihrer Herkunft nicht gerecht wurde: Country Music sei Cowboy Musik! Sie sei die Musik der Cowboys im Wilden Westen Amerikas. Von allen Vorstellungen über die Country Music konnte sich dieses Klischee bei uns am längsten halten. Gestern, heute und möglicherweise noch morgen. Der Informationsmangel wird zum Teufelskreis: Plattenzusammenstellungen mit frühen traditionellen Musikstücken erinnern an die Eroberer-Zeiten eines Kolumbus, beim Abhören einer John-Denver-Platte hört man das Prairiegras wachsen, und Tanya Tuckers Musik versetzt den Kritiker in echte Lagerfeuer-Idylle! Die Phantasie nimmt ihren Lauf.

Zugegeben: Nicht ganz schuldlos an diesen verschwommenen Vorstellungen über die Country Music waren die Akteure in den USA lange Jahre selbst (ohne dabei allerdings an Deutschland zu denken), als sie nämlich noch in den 50er Jahren bis hinein in die frühen 60er Jahre ihre Musik im Tingeltangelflitter und an Phantasie kaum noch zu überbietenden Cowboy-Monturen vorstellten. Und als sie dann vor 25 Jahren ansetzten, auch der Alten Welt etwas von ihrer Country-Kultur zu überlassen, kam schließlich, was kommen musste: mit kräftig gewürzten Zutaten bemächtigte sich der deutsche Schlager der lieblichen Melodien, vor allen Dingen aber der Cowboys und Cowgirls und der romantischen Lagerfeueridylle. Und nun sangen nicht mehr die Hillbillies, jene ärmlichen und teils auch ungebildeten Leute aus den südöstlichen Bergregionen Nordamerikas, ihre einfachen und eingängigen Melodien. Aufgemuntert durch das schillernde äußere Erscheinungsbild dieser singenden Volkshelden verpflanzte man die ganze Szenerie hierzulande und anderswo ganz einfach nach Arizona, Montana und Texas - und fertig war die Westernromantik. Die Nebensache wurde bei uns zur Hauptsache, und als dann die Zeit reifte, war der nächste Schritt nur folgerichtig: der Cowboy signalisierte fortan Country Music.
Aber was heißt hier Country Music? Dieser Begriff war zunächst noch fremd: "Western- und Cowboy Musik" hieß das natürlich, oder "Hillbilly und Western-Musik". Alles etwa nach der goldenen Faustregel: "Siehste ´nen Cowboy, haste Country Music": Ohne Rücksicht darauf, dass sich die Country Music vor allem in den letzten zehn Jahren stilistisch geändert hat, die "Hillbilly Music" (unter diesem Begriff wurde die Country Music hierzulande eingeführt und bekannt) in den USA mittlerweile zu einem Fremdwort geworden ist. Die Zeiten der Hillbilly Music sind vergangen, sie gehören schon lange in den Bereich des Nostalgischen.
In den USA ist man längst zur Tagesordnung übergegangen, die geschäftige Kommerzialität des Country-Music-Business hat keine Zeit mehr, Gedanken in die Vergangenheit zu richten. Hier heißt das Motto: Country goes Pop! Country Music ist Business. Die Überlegungen gehen in die Zukunft. Die Country Music ist eine Industrie mit einer Fast-Milliarde-Jahresumsatz. Sie hat aus dem frühen Country-Zentrum Nashville in Tennessee in nicht mehr als 20 Jahren das Musik-Zentrum Nashville gemacht: das drittgrößte der Welt nach New York und Los Angeles. Kaum noch lässt die Country Music von heute in ihrer modernsten Prägung erraten, wie das alles einmal begonnen hat.