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Von wegen John Denver und Country Heaven und West Virginia und so:
Country Heaven in Hollywood, that is!
Ein Music Store voller Überraschungen - entdeckt von Hauke Strübing

Bislang ging ich ja immer von der Meinung aus, aktuelle und gar nicht mehr so aktuelle, vor allem aber seltene Tonträger der Country Music bekommt man in den einschlägigen Musikläden in Nashville. Wenn man gerade mal drüben weilt. Die guten Adressen in Nashville sind bekannt: Phonoluxe im Nolensville Pike, Great Escape am Gallatine Pike und am Broadway in der Nähe der früheren Hall Of Fame und dann auch die Fundgrube der Lawrence Bros. am Broadway in Downtown Nashville. Man ist ja schon verwöhnt bei dem Anblick all dieser Schätze, die dort als Second Hand-Ware lagern. Vor allem sind es die Langspielplatten, die einem die Tränen in die Augen jagen können.

Nun ja, nicht alle Wege führen nach Nashville. Das wäre zu langweilig. Auch wenn die Entzugserscheinungen nach Wunschplatten andernorts mehr und mehr wachsen, wenn man zwar auf jede Menge Läden stößt aber eben nur mit dem bedient wird, was gerade so läuft (oder laufen soll). Als ich vor Wochen erfuhr, daß eine CD mit den Simon Crum-Aufnahmen am 10. September in den USA erscheinen soll, schrieb ich hier an anderer Stelle noch frohgemut, daß ich mich morgens um 10 Uhr in den nächstbesten Tower Records begeben würde - oder besser noch in einen Wal*Mart, weil der schon früher öffnet. Irgendwie klappte das dann nicht. Aber gegen 11.30 Uhr stand ich im Tower Records in der South Ave. in Lakewood und suchte nun gespannt das Country-Regal ab. Um es kurz zu machen: Ich fand die CD nicht - aber ich bekam sie dennoch, als ich danach fragte. Sie lag halt noch im Lager, doch was schert es mich, wenn ich sie nur hatte! Spaßeshalber klapperte ich auch andere Music Stores ab und immer wieder auch Wal*Mart, Target und K-Mart: Die Simon Crum-CD fand ich in den ersten Tagen nach Erscheinen nirgends, später dann und wann doch schon. Die Moral dieser Geschichte: Man sollte auf jeden Fall bei ausgefalleneren CDs seine Erwartungen keinesfalls zu hoch schrauben - anders sieht es halt bei den gängigen und zumeist auch mit viel Aufwand beworbenen Neuheiten aus.

Aber das sollte hier eigentlich nicht das Hauptthema sein. Durch puren Zufall, vor allem weil ich gelegentlich auch mal den Touristen durchblicken lasse und den Hollywood Boulevard hoch (Sie wissen: wegen der Sterne und so) und den Sunset Boulevard runter marschierte (der eigentlich in dem Bereich recht langweilig war), entdeckte ich einen Music Store, der mich alten Hasen doch glattweg wortlos machte! Mein erster Gedanke war, noch bevor ich dem Sicherheitsposten am Eingang erklären konnte, daß er meine Umhangtasche wegen der persönlichen Dinge (Reisepaß, Tickets, Money usw) nicht zur Sicherheitsaufbewahrung bekäme: Diese Entdeckung darfst Du nicht für dich behalten, die wird eine deiner ersten Berichte nach der Rückkehr. Und hier ist sie:

Der Amoeba Music Store in Hollywood, 6400 Sunset Boulevard (Foto: H. Strübing)

Der Amoeba Music Store in Hollywood, 6400 Sunset Boulevard (Foto: H. Strübing)

Wer schon einmal Phonoluxe und Great Escape und die Lawrence Brothers in Nashville durchstöbert hat, der weiß, welche und wie viele Schätze dort lagern. Wer aber einmal bei AMOEBA MUSIC in Hollywood am Sunset Boulevard mit der Hausnummer 6400 war, der weiß auch, daß alles noch viel größer geht, viel umfangreicher vor allem. Vielleicht schätze ich das Ausmaß dieses CD- und Platten-Himmels ja richtig ein: so groß wie ein halbes Fußballfeld. Auf dieser Fläche gibt es nun alles: Neue und gebrauchte CDs und LPs jeglicher Musikrichtung von Klassik bis Dance, von Bluegrass bis Hip Hop, von Jazz bis Native American. Und was uns nun besonders interessiert: Country, Country und nochmals Country. Aber vorsichtig - Sie müssen unbedingt Kondition mitbringen, denn was im oberen Bereich der Regale beim Buchstabenbei K endet, geht im Fußbodenbereich beim Buchstaben L weiter. Und während Sie hier kniend suchen, suchen und nochmals suchen, könnte Ihnen sozusagen im oberen Bereich schnell einer in die Quere kommen, und Sie hängen ihm oder Ihr zwischen den Beinen. Während ich so auf dem Fußboden meine alten Glieder quälte, kam mir doch einmal der ganz böse Gedanke, daß ich gar nicht mehr nach Nashville müßte, wenn auch hier der Country-Heaven seine Pforten öffnet: Abends zuvor Brad Paisley in concert, draußen das schönste Wetter, nette Leute allenorts, ein Sicherheitsposten, der dir deine Habseligkeiten nicht abnahm, und nun hier unten am Fußboden dies: Die 1. Capitol-LP von Tommy Collins für keine 10 $, die teuerste der LP-Raritäten überhaupt nur 20 $, die LPs im Durchschnitt bei 8 bis 12 $, dann hier: Ed Bruce - "The Tennessean" auf EPIC, eine Superrarität, für die ich in Nashville mal 50 $ hingeblättert habe (nachdem ich sie in 3 aufeinanderfolgenden Jahren immer wieder unverkauft vorfand, und das nicht länger ertragen konnte), hier nun für sage und schreibe 1,00 $ (kein Schreibfehler), weil die Hülle wie aus dem Wasser gezogen aussieht, whatever! Und dann geht´s weiter im Fach "Various Artists". Und das war dann der Zeitpunkt, als ich aus den Latschen kippte. Ich glaube es nicht, ich glaube es nicht. Der "Western Express" steht hier, die gelbe Doppel-LP mit dem Zug auf dem Cover, für die ich damals 1974 den Cover-Text schrieb und verschiedene Titel beitrug (Beinahe hätte ich einem neben mir suchenden Kunden zugerufen: "Sir, take this one, that´s country heaven. I did this one.  I´m so proud of this"). Ich finde auch den RCA-Sampler "The Best of Country & West, Volume 6", eine Lp, die ich 1975 zusammenstellte und dazu ebenfalls den Cover-Text schrieb, wozu allerdings mein Sohn meinte: "Die läßt Du aber jetzt hier. Was willst Du denn mit 7 Stück der gleichen LP"! Auch wahr. Andere LPs trieben mir die Tränen in die Augen (weil die Koffer schon voll waren): LPs mit Original-Sendungen für den AFN, für die Army für die Air Force, alles Sendungen, die in den frühen 60er Jahren bei uns mal liefen. Ich schnappe mir die Dinger alle und entscheide mich dennoch nur für 3 Stück: für meine 1976 für Capitol-Deutschland zusammengestellte Buck Owens-LP aus der "Masters Of Country & Western"-Serie, für eine Scheibe von Joe Ely und für die Ed Bruce-LP, damit der Preis von damals endlich mal auf ein normales Maß zurückgetrimmt wird (Eine LP von Kenny Rogers fand ich dann noch auf einem Flohmarkt in San Diego für eben mal 0,50 $. Ist auch kein Schreibfehler).

Alles andere mußte ich leider stehen lassen. Das aber gibt Ihnen nun die Chance, ordentlich zuzugreifen, wenn Sie in Los Angeles sind. Versäumen Sie nicht diese Chance, denn hier gibt es quasi alles, neben den Used CDs und LPs auch ganz aktuelle CDs. Doch das ist nochmals eine Geschichte für sich. Ach ja, und wenn Ihnen dieses Riesengebiet von Los Angeles nicht gefällt, dann fahren Sie doch ganz einfach weiter nach San Francisco und Berkeley - ins nächste Riesengebiet.Auch hier gibt es die Amoeba Music Stores. Die Adressen:
 

Amoeba Music, 2455 Telegraph Avenue, Berkley, California
Amoeba Music, 1855 Haight Street, San Francisco, California
Amoeba Music, 6400 Sunset Boulevard, Hollywood, California