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Auch hier in der Rubrik GEDANKEN finden Sie an anderer Stelle die Glosse "Ich bin eine Steel Guitar"

Auf den Spuren von
Steel Guitar und Dobro
Von Eberhard Finke

Als einziger genuiner Beitrag der nordamerikanischen Musik zum Instrumentarium gilt allgemein das Banjo, das - mit 4, 5 oder 6 Saiten bestückt – in der ganzen Welt nicht nur im Rahmen der Country Music bekannt und beliebt wurde. Doch es gibt ein anderes Instrument, das ziemlich auf die Country Music und die USA beschränkt blieb, obwohl es sich auf mehrere unterschiedliche Quellen zurückführen läßt: das Dobro. 

Das Dobro: Was ist das eigentlich? 

Fahren wir nach Hawaii, genauer auf die Insel Oahu. Hier entwickelte sich im vorletzten Jahrhundert, eine bedeutende Rinderzucht; die Cowboys dazu kamen aus Mexico oder aus Portugal und brachten ihre eigenen Musikgeräte mit: Gitarre, Ukelele und Dulcimer. Diese sind also nicht von vornherein in Hawaii heimisch gewesen, aber die Bevölkerung übernahm sie schnell und paßte sie ihren eigenen musikalischen Traditionen an. Dabei ergaben sich Ähnlichkeiten mit den Klängen amerikanischer Bluesspieler. Im Jahr 1894 legte Joseph Kekuku – so wird berichtet – seine Gitarre aufs Knie, griff seine Akkorde nicht mit den Fingern der linken Hand, sondern mit seinem Kamm und erzeugte also einen geheimnisvollen Glissandoeffekt. Später spielte er mit einer Metallwalze, einem „steel bar“: Wir stellen fest, daß eine Steel Guitar nicht eine Gitarre aus Metall ist, sondern mit einem Metall gespielt wird – oder mit einem abgebrochenen Flaschenhals (bottle neck), einer Messerklinge, einem Knochen usw. Allerdings gibt es alte Fotos (etwa auf dem Titelbild von „Steel Guitar Classics“) von Gitarren, die ganz aus Metall gebaut sind. Aber nach all unseren Quellen sind dies gerade nicht die Steel Guitars; der Begriff  bezieht sich ganz offensichtlich ausschließlich auf die Spielweise. Joseph Kekuku jedenfalls war sehr erfolgreich mit seinem neuen Sound. Zehn Jahre später unternahm er eine Tournee in die USA, wo diese Hawaii-Gitarre ungeheuer beliebt wurde und einen richtigen Hawaii-Boom auslöste. Auch viele Blues-Musiker übernahmen diese Spielweise. Erste Kontakte zwischen den USA und Hawaii hatten aber schon früher bestanden: Jimmie Tarlton (Jahrgang 1892) berichtet, er habe schon 1902, also schon zwei Jahre vor Kekukus Tournee, schwarze Bluessänger mit dieser Bottle-Neck-Technik erlebt. Technische Veränderungen, das Anheben der Saiten durch Vergrößerung des Sattels, erleichterten die neue Spielweise. (Auf dem Bild: Joseph Kekuku)

Dobro kommt von DOpera BROthers

Zwei Ereignisse verwandelten das exotische Instrument in ein amerikanisches! Zuerst kam der bekannteste Star aus Hawaii, Frank Ferera von Oahu, ein portugiesischer Cowboy, in die USA und traf  Tarlton in Kalifornien. Der war so beeindruckt, daß er sein gewohntes Messer gegen den neuen Stahlstab eintauschte und somit die Steel Guitar in die weiße Country Music einbrachte. Er und sein Partner Tom Darby bespielten neben den Johnson Brothers  und Frank Hutchison die ersten Schallplatten mit der Steel Guitar. Etwa gleichzeitig überlegten sich die Brüder Dopera, die in der National Company Geigen bauten und reparierten, wie sie den Klang der Gitarre – ohne Strom – verstärken könnten. Sie versahen sie mit drei metallenen Resonanzscheiben und kamen mit ihrem neuen Gerät beim Publikum gut an. Bald machten sie sich selbständig, und 1928 erschien das erste „Dobro“ der DOpera BROthers mit nur einer Metallscheibe; es wurde ebenfalls mit Steel Bar gespielt. Die National Company dagegen baute das neue Gerät mit drei Scheiben weiter. Die tüchtigeren Doperas kauften dann ihre alte Firma auf, und das gemeinsame Produkt führte fortan den Namen DOBRO und hatte drei Resonatoren. Die Musiker aus Hawaii schätzten es ebenfalls, und einige andere Firmen bauten es nach. (Auf dem Bild: John Dopera)

Frank Ferera spielte zusammen mit Jimmie Rodgers und mit Gene Autry; „Jim and Bob – The Genial Hawaiians“ brachten es zu unerreichter Perfektion; Sol Hoopii benutzte die schwarze „Rickenbacher“ aus Bakalit, die als das beste Gerät überhaupt gilt – Hoopiis Einfluß läßt sich bis zu Hank Williams verfolgen. Hier ist ein Wendepunkt in der Geschichte erreicht: diese Gitarre war elektrisch verstärkt. Zwischen 1935 und 1940 – Genaues weiß man nicht – kam diese Neuerung auf, und offensichtlich wurde das Dobro vor der gewöhnlichen Gitarre „elektrifiziert“. Im nächsten Jahrzehnt wurde das elektrische Dobro auf vier Beine gestellt, sein Hals verdoppelt, verdreifacht: die moderne „Pedal Steel Guitar“ war geschaffen, und sie übernahm einen bedeutenden Platz in der Country Music; hier aber wollen wir uns auf nichtelektrische, akustische Geräte beschränken. 

Die Traditionalisten unter den Country Musikern hielten sich natürlich ans Hergebrachte. Cliff Carlisle begleitete vor seiner Solokarriere den Mississippi Blue Yodeler Jimmie Rodgers auf seiner Steel Guitar, Sara Carter übernahm das neue Gerät ins Instrumentarium der berühmten Familie, Vernon Dalhart spielte mit Frank Ferera. Riley Puckett, der große Gitarrist, nahm nur einen Titel mit Steel Guitar auf: „Darkeys Wail“ auf der Melodie von „John Henry“; Charles Mitchell aus Louisiana war Chef der Band, mit der Jimmie Davis seine ersten Erfolge aufnahm; auch Ted Daffan, der als Komponist bekannt geworden ist (No Letter Today/I´m A Fool To Care), begann seine Karriere mit der Steel Guitar. 

Bashful Brother Oswald, Beecher Pete Kirby hinter der Bühne der Grand Ole Opry

Ein erster Star des Dobro war BEECHER PETE KIRBY. Wie alle seine zehn Geschwister lernte er früh die Instrumente der Country Music. Er spielte in einem Nachtklub, und als die Konkurrenz mit einem Dobrospieler erfolgreicher war, lernte er auch dies Instrument. Bei der Weltausstellung in Chicago spielte er in Kneipen und reichte seinen Hut herum. Der Erfolg kam, als er zu den Smoky Mountain Boys von Roy Acuff stieß, dort Clell Summey am Dobro ablöste (der als „Cousin Jody“ weiterspielte) und mit seinem sanften, klagenden Hawaii-Stil zum Old Time Dobro Spieler schlechthin wurde. Acuff wurde 1938 Mitglied der Grand Ole Opry, und alle seine Hits sind wesentlich gekennzeichnet durch das Spiel von „Bashful“ Brother Oswald, wie Beecher Peter Kirby genannt wurde. Und der schüchterne Bruder Oswald spielte bis zum Tod von Roy Acuff in dessen Band und trat danach als Solist in der Grand Ole Opry auf. Soloplatten von ihm erschienen auch bei ROUNDER RECORDS (Anmerkung: Die zwei  letzten Sätze wurden aktualisiert). (Auf dem Bild: Pete Kirby, 1977. Aufnahme:  Hauke Strübing)

Bashful Brother Oswald, Beecher Pete Kirby auf der Bühne der Grand Ole Opry, 1977

Im selben Atemzug mit Kirby muß TUT TAYLOR genannt werden, zumal die beiden sich auf ihren Platten gegenseitig begleiteten. Er baute sich ein 12-saitiges Dobro und ist gleichermaßen geschätzt als Spieler, Hersteller und Händler: bereitwillig führt er Kunden und Besuchern seinen speziellen „Flat Pickin´ Style“ vor, d. h., er benützt keine aufsetzbaren Fingerpicks sondern ein gewöhnliches Plektron, mit dem er jeden Ton einzeln anschlägt. Mit den Brüdern Roland und Clarence White von den „Kentucky Colonels“ nahm er ein vielbegehrtes Album „Dobro Country“ auf, das zu den Klassikern des Gebietes gehört. Weitere Aufnahmen erschienen bei ROUNDER. (Auf dem Bild: "Bashful" Brother Oswald alias Pete Kirby auf der Bühne der Grand Ole Opry im April 1977. Aufnahme. Hauke Strübing)

Eine besondere Bedeutung hat sich BUCK GRAVES verdient. Er begann mit einigen Freunden, den „Blount County Ramblers“, spielte mit Wilma Lee & Stoney Cooper, bei Toby Stroud und Mac Wiseman – man merkt die Richtung! – und schloß sich 1955 folgerichtig den Foggy Mountain Boys an, der Begleitgruppe der Bluegrass-Stars Lester Flatt & Earl Scruggs. Dabei verdrängte er die herkömmliche Mandoline, das Instrument des „Fathers Of Bluegrass“ Bill Monroe (die Puristen streiten sich deshalb heute noch, ob das Dobro im Bluegrass überhaupt „erlaubt“ sei). Es war unvermeidlich, daß Earl Scruggs vielgerühmtes Dreifinger-Banjospiel auf Buck Graves abfärbte: die fünfte Saite am Dobro spielt er ähnlich wie Scruggs die entsprechende Saite am Banjo. Graves verhalf dem Dobro nach dem Krieg zu neuer Populartität – wenn nicht gar zu neuem Leben. Die Brüder Dopera mußten nämlich in den Kriegsjahren die Produktion ihres rohstoffintensiven Instruments einstellen, und erst 1960 konnten sie sie wieder aufnehmen. Die Neuauflage, den Anfängen getreulich nachgebaut, bekam die Marke „Original“ mit Sitz in Long Beach, Ca. Als Flatt und Scruggs sich trennten, spielte Buck Graves bald beim einen, bald beim anderen. Auch er bekam seinen Spitznamen aus den Verwandtschaftsgraden: „Uncle Josh“ (die Jazzgrößen dagegen verliehen sich Adelsnamen: King, Duke, Count, Earl usw.). 

Buck Graves eröffnete eine „Schule“ von Dobrospielern als Gegensatz zu Pete Kirby, der mehr am Hawaii-Stil festhielt. Die jüngeren Spieler orientierten sich eher an Graves und indirekt an Earl Scruggs. Als Musterschüler mag MIKE AULDRIDGE gelten, der sich durch Dreifingertechnik und rasantes Tempo auszeichnet. Er spielte mit Cliff Waldron und den New Shades Of Grass, mit Bill Emerson und auch mit der „Seldom Scene“. STACY PHILIPS ist stilistisch schwer einzuordnen. Auch er spielt ungeheuer schnell, bleibt aber von Graves weitgehend unabhängig und ist mehr vom Western Swing und vom Jazz beeinflußt.1972 kam er nach Europa, in die Schweiz, nach England und Frankreich. Hier traf er die einheimische Gruppe „Bluegrass Connection“, deren Chef Gilbert Caranhan viel von Philips lernte und das Gerät in der Heimat weithin bekannt machte. Sonst scheinen Dobro-Spieler in Europa selten zu sein. 

Selten sind die Dobro-Spieler aber auch in den USA selbst. Erwähnen wir noch Craig Winfield, der bei Red Allen spielte, John Duffey von den „Country Gentlemen“, Shot Jackson (bei Doc Watson), Norman Blake (u.a. mit Bob Dylan), Harley Gabbard (mit Johnny Cash: „Papa Played The Dobro“), Speedy Crise (mit Molly O´ Day) und Bill Carver (bei Wilma Lee & Stoney Cooper) – und entschuldigen wir uns bei allen Nichtgenannten! Sind also die Spieler relativ selten, so kann jeder um so mehr Persönlichkeit und Eigenart entwickeln. Tatsächlich klingt jeder sehr individuell und hat seine eigene Note. Obendrein gibt es kaum Lehrer und Unterrichtsmaterial, so daß jeder Interessent aus Eigenstudium angewiesen ist. Immerhin veröffentlichte Tut Taylor einige Lehrbücher. Was zur wachsenden Beliebtheit des Dobro und der Steel Guitar beiträgt, ist die zunehmende Abkehr von elektrischen Geräten (selbst die Osborne Brothers montierten ihre vielgeschmähten Tonabnehmer wieder ab). Natürliche, warme Klänge werden bevorzugt. So ist zu erwarten, daß das Dobro, das  bescheiden angefangen hat und zeitweise vom Aussterben bedroht war, einen festen Platz in der Country Music behalten und sogar ausbauen wird. COUNTRY CORNER, Oktober 1975, Nr. 46, 11. Jahrgang

Anmerkung:
Einige Daten wurden für diese Veröffentlichung aktualisiert. Wie alle Berichte von Eberhard Finke, die er Mitte/Ende der 70er Jahre für COUNTRY CORNER schrieb, hat auch dieser Beitrag über die Steel Guitar und das Dobro einen hohen, bleibenden Informationswert. Was weder er noch wir alle ahnen konnten, ist nun einmal die Tatsache, daß sich die Country Music in den letzten 10 bis 15 Jahren von ihrer traditionellen Linie entfernte und damit auch die einst so typischen Instrumente weitgehend aus dem Mainstream-Country verschwanden. Was den Betreibern dieser Linie jedoch nicht gelang: sie ganz verschwinden zu lassen! Glücklicherweise. 
Hauke Strübing, 22. August 2002