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Über Cajun und den Cajun-Rock-Fiddler Doug Kershaw
Cajun Music – der Name stammt von Acadia
Von Eberhard Finke

In der C & W Hitparade des Jahres 1961 sind zwei Titel von RUSTY & DOUG zu finden: „Louisiana Man“ und „Diggy Liggy Lo“. Davon ist besonders der erste  Song sehr berühmt geworden, wurde von vielen anderen aufgenommen und endlich auf den Mond gefunkt zur Besatzung von Apollo 12. Die Interpreten blieben dagegen etwas im Hintergrund. Wer sind sie, was ist aus ihnen geworden, was ist „Cajun“ und gar „Cajun-Rock“? 

Dies und woher alles stammt, zeigt am besten das Titelbild der Platte „Spanish Moss“: eine Sumpflandschaft, ein kleiner, grüngesäumter See, Trümmer von großen Bäumen, herabhängendes Moos – this is cajun-country! Am Baum lehnt ein junger Mann, dunkelhaarig, in violettem Samtanzug und weißem Rüschenhemd. Eine Geige lehnt er seitlich an die Brust, deren Hals nach unten: so spielt er! 

Wir sind also in Louisiana, im sumpfigen Mississippi-Delta, man spielt Geige auf seltsame Weise, und „Cajuns“ heißen die Leute dort. Der Name stammt von Acadia, dem alten Namen von Neu-Schottland in Kanada. Dort lebten französische Siedler, bis die britische Okkupation sie ums Jahr 1755 zur Auswanderung zwang. Sie suchten eine neue Heimat und fanden sie bei ihren Landsleuten im heutigen Bundesstaat Louisiana. Dort waren die Flüchtlinge nicht eben gern gesehen, und sie führten fortan ein Leben im Sumpf am Rande der Zivilisation, auf Hausbooten, fern dem staatlichen Zugriff, nährten sich, wie Hank Williams berichtet, von „Jambalaya, crawfish pie and file gumbo“ (siehe auch: Jambalaya - Crawfish Pie - Filet Gumbo), allgemein vom Fischfang und der Jagd auf Pelztiere, pflegten einen (etwas schauderhaften) französischen Dialekt, fuhren in ihren kleinen Pirogen durch die Bayous in die Stadt, zur Geliebten, zu ihren Hausboot-Parties, sinnigerweise „Fais-do-do“ („Schlaf-ein“) genannt, wo sie eine Art Underground Music machten mit Geigen, Akkordeon und Triangeln und von ihrem ärmlichen Außenseiterdasein sangen. 

Die stilistische Einheitlichkeit dieser Musik wenigstens in den früheren Zeiten (Schallplatten gibt es schon aus den 20er Jahren) entspricht der sozialen Isolation der Leute, die sie spielten und die sie anhörten. Später aber beeinflusste dieser Sound auch die etablierte Country Music, darunter – wie gesagt – Hank Williams und dessen Sohn in „Cajun Baby“ (der Text stammt vom Vater), Jimmy C. Newman nahm ein Album „Folksongs Of The Bayou“ auf Decca 4398. Zwei ausgezeichnete Titel singt Jimmy C. Newman auf der La Louisianne Records-Single LL-8139 „Lache Las La Patate“ und „Grand Texas“ in Cajun-French. Zwei stilechte Arrangements mit Rufus Thibodeaux, einem Cajun-Fiddler aus dem südlichen Louisiana. Hinter dem Traditional „Grand Texas“ verbirgt sich Hank Williams Erfolg „Jambalaya“. Zumindest thematisch finden sich Cajun-Spuren auch bei den Pop-Gruppen Creedance Clearwater Revival (Bad Moon Rising/Born On The Bayou) oder Redbone (Danse Colinda/Crazy Cajun Cake Walk Band). Unter dem Einfluss des Rhythm & Blues entwickelte sich die Seitenlinie des Zydeco mit Clifton Chenier als bekanntestem Vertreter; Cajun und Rock´n´ Roll schließlich ergeben Cajun-Rock, und damit wurde unser Titelheld berühmt. 

Douglas James Kershaw wurde am 24. 1. 1936 in Tiel Ridge, einer kleinen Insel im Golf von Mexico, geboren, und seine Geschichte ist richtig klischeehaft: Seinen Vater verlor er früh, früh begann er mit der Musik und brachte das erste selbsterfiedelte Geld seiner gerührten Mutter. Dann spielte er in Nachtclubs und verließ die Highschool, besang Platten mit seinem Bruder Rusty (LP „Rusty & Doug“ Hickory 103 [siehe auch den Bericht Cajun Music mit Rusty & Doug], mit den oben genannten Hits), bis 1960 der große Durchbruch gelang. Doug Kershaw begann seine Solokarriere und behauptete einmal, 29 Instrumente zu spielen und 19.000 Songs geschrieben zu haben – wer zählt es nach? Eine große Förderung brachten Auftritte mit Johnny Cash, der sich des Nachwuchstalentes angenommen hatte.

Eberhard Finke schrieb diesen Beitrag für COUNTRY CORNER, Ausgabe Oktober 1974.

Demnächst: Über Cajun und den Cajun-Rock-Fiddler Doug Kershaw:  Teil 2: Vom Glücksfall des „Louisiana Man“
Demnächst: Über Cajun und den Cajun-Rock-Fiddler Doug Kershaw:  Teil 3: Die dritte LP schafft Distanz