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Ich bin ein Country Boy und singe Lieder über das Leben
Porter Wagoner

Vaughn Meat Market West Plains, MO --- 1949
     KWPM West Plains, MO --- 1950
          KWTO Springfield, MO --- 1951
               RCA Victor Records  --- 1952
                    ABC-TV Ozark Jubilee --- 1955
                         Grand Ole Opry, Nashville --- 1957                              Von Manfred Vogel

Meine Erinnerungen an Porter Wagoner. Verfasst am 2.11.2007 lesen am Ende des Beitrags von Manfred Vogel.

Der Reiz der Country Music liegt darin, daß sie einfach ist, eine direkte Reaktion menschlicher Gedanken und Handlungen wiederspiegelt, die aus den verschiedensten Ereignissen und Situationen resultieren. Diejenigen, die diese Dinge am eindruckvollsten beschreiben und interpretieren können, sind die Stars. Country Music ist eine spezielle Art musikalischer Unterhaltung mit ihren eigenen Problemen, die manchmal kaum zu bewältigen sind. So steht die Country Music „made in Nashville" heute in Konkurrenz mit sich selbst, alte trifft auf neue. Neue Dinge treten urplötzlich stark in Erscheinung – und verschwinden bald wieder. In dieser Umgebung zahlen sich dann Können, Übung und jahrelange Erfahrung – die solide Grundlage also – aus. Just wie bei einem gut fundierten und konstruierten Gebäude, das ein Erdbeben oder einen Tornado ohne größeren Schaden übersteht. Ohne eine derartige Grundlage, ohne eine solide Ausbildung kann eine vielversprechende Karriere zwar gestartet werden, können auch Hits erzielt werden. Aber von Dauer wird all das nie sein.

Porter Wagoner brauchte viel Zeit, um sich gründlich auszubilden, um die Grundlagen für seine Karriere zu finden. Es waren viele Jahre harter und scheinbar ergebnisloser Arbeit. Dann baute Porter Wagoner mit derselben Vorsicht und niemals zu rasch auf dieser Basis seine Karriere auf. Gerade zu der Zeit, als die Country Music hinwegzuschwemmen drohte. In eben diesem Zeitpunkt hatte er den Abschnitt erreicht, der ihn in die Country Music katapultieren sollte.

P
orter Wagoner kommt aus dem Howell County in Missouri, wo er als eines von fünf Kindern der Familie Charlie und Bertha Wagoner heranwuchs. Es ging der Familie Wagoner auf der kleinen Farm nicht sonderlich gut, eine schwere Krankheit des Familienoberhauptes führte schließlich dazu, daß Porter vorzeitig die Schule verlassen mußte. Porter Wagoner erinnert sich: "Mein Bruder und ich, wir waren die einzigen, die noch zu Hause waren. Später wurde auch mein Bruder noch krank, und so lastete fast alle Arbeit auf der Farm auf meinen Schultern. Wie gut war es da, daß man ein gutes Nachbarschaftsverhältnis hatte. Wir halfen uns gegenseitig, wenn irgendwo Not am Mann war."

Porter Wagoner lernte also das Leben gleich in allen Schattierungen Porter Wagoner, 1996kennen. Country Music ist wohl vor allem dafür bekannt, daß sie das Leben des Durchschnittbürgers mit allen Freuden, Leiden und Schrecken zeichnet. Porter Wagoner wußte und weiß, über was er singt! Das Spiel auf Gitarre und Fiddle lernte er bei seinen Nachbarn. Sein Bruder Glen Lee, ebenfalls Gitarrist, schnitzte sich ein Instrument selbst. „Als ich acht war, bat ich Mutter, mir eine Gitarre zu kaufen. Ich zahlte ihr das Geld zurück, indem ich Kaninchen fing und sie verkaufte." Am heimischen Herd wurde Wagoner schon früh von der Volksmusik und dem musizierenden Familienkreis beeinflußt. Aus dem alten Batterie-Radio lauschte man den Übertragungen der Grand Ole Opry und versuchte, ähnlich selbst Musik zu machen. Aber Porter war scheu, wenn er vor Publikum spielen sollte, es war ein Problem, an dem er sehr lange zu knabbern hatte. Durch die Krankheit des Vaters bedingt zogen die Wagoners in die Stadt nach West Plains, Missouri. Seine musikalischen Fähigkeiten sprachen sich dort rasch herum. Tagsüber arbeitete er als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft, abends musizierte er dann. Sein Bruder Glen Lee handelte die Verträge aus, er war die treibende Kraft. Und als Porter Wagoner endlich sein Selbstvertrauen gefunden zu haben schien, starb sein Bruder. Die so zuversichtlich gestartete musikalische Karriere war gestoppt.

Es sollte Sid Vaughn, seinem Arbeitgeber, vorbehalten bleiben, diese Karriere erneut ins Rollen zu bringen. Vaughn überredete Wagoner, eine einstündige Reklameshow beim lokalen Sender KWPM zu übernehmen. Dabei sollte Porter Wagoner singen, so wie er es immer schon tat, und zwischendurch dann Reklamesprüche aufsagen. Zunächst sträubte sich Wagoner. Dann aber begann er doch, diese Viertelstunde – auf diese Zeit war die Sendung verkürzt worden – zu bestreiten. Seine Scheu und Hemmungen konnte Wagoner nicht verbergen, aber gerade das war es, was die Hörer mochten. Die 15 Minuten mit Porter Wagoner wurden so beliebt, daß man ihn nach Springfield holte und ihm dort bei KWTO einen festen Vertrag gab. Erstmals in seinem Leben arbeitete Wagoner nun mit Berufsmusikern.

Nach der ersten Sendung in Springfield wartete er gespannt auf die Reaktion der Hörer, denn er hatte sie aufgefordert, ihm ihre Meinung zu schreiben. Doch seine Postbox im Studio blieb tagelang leer. Dies waren dann wohl die schwersten Tage seiner Musikerlaufbahn, damals im September 1950. Nach drei Tagen schließlich fragte er, ob denn gar keine Post für ihn gekommen sei, dies müsse doch unglaubwürdig sein. „Man sagte mir", so Wagoner, „es seien drei Kästen voller Briefe da. Man habe sie nur nicht in sein Fach bringen können. Ich war sprachlos und konnte mir ein paar Tränen nicht verkneifen. Für mich bedeutete das so ungeheuer viel!"

Knapp zwei Jahre später wurde RCA Victor auf den jungen Mann aufmerksam gemacht, der da in Springfield, Missouri, so ungeheuer Furore machte. Am 19. September 1952 kurz nach 13 Uhr begann Wagoners erste Schallplattenaufnahme. Sein Einstand war nicht gerade überwältigend: die Aufnahmen „Settin´ The Woods On Fire" und „Headin´ For A Weddin´" (RCA 20/47 -4996) blieben fast unbeachtet.

Im Februar 1953 fuhr Wagoner nach Nashville und nahm dort eine Platte auf ("That´s It/Don´t Play That Song - RCA 20/47-5215). Porter Wagoner, Country Music Hall Of Famer, 1996 in der OpryEs dauerte dann aber bis Mitte 1954, ehe sich ein erster spürbarer Erfolg einstellte. Es war nichts Außergewöhnliches, aber „Company´ Coming" öffnete ihm viele Türen. Und mit Don Warden hatte er endlich einen guten Freund zur Seite. Zu ihnen gesellte sich noch Speedy Haworth – im Trio waren die Dinge einfacher. Die drei Musiker bastelten an einem neuen Harmonie-Sound, dessen durchschlagendes Ergebnis die am 11. September 1954 im Studio der Radio Station KWTO Springfield, Missouri, entstandene Aufnahme „A Satisfied Mind" war (RCA  20/47-6105; B-Seite: "Itchin´ For My Baby"). Zweifellos muß sie als der entscheidende Punkt in der Karriere von Porter Wagoner angesehen werden. Endlich hatte er nicht nur einen Hit – er hatte darüberhinaus seinen Gesangsstil gefunden. Und jetzt hatte er auch eine genaue Vorstellung davon, was das Publikum von ihm hören wollte. „A Satisfied Mind" kostete lediglich 40 Dollar – es wurde das Lied des Jahres 1955! Kurze Zeit später zog Porter Wagoner ganz nach Nashville und traf hier mit Red Foley zusammen. Es war eine weitere entscheidende Begegnung für ihn. Denn Red Foley riet ihm, sich nun seinem Publikum vorzustellen und sich mit der weiteren Entwicklung Zeit zu lassen. Er half Porter Wagoner vor allem, sich auf der Bühne zu bewegen und zu sprechen, sich mit dem Publikum zu unterhalten.

1956 gründeten Porter Wagoner und Don Warden einen eigenen Musikverlag, der ihnen drei Jahre später die finanzielle Sicherheit gab, von der sie vorher nur geträumt hatten. Die Warden Music Company hat z. B. die Rechte an dem Lied „The Battle Of New Orleans", das mit Johnny Horton zu einem Riesenerfolg wurde. Sie versuchten, das erwirtschaftete Geld in andere Unternehmen zu stecken. Es diente als Rücklage, denn immer noch dominierte der Rock´n´Roll auf dem Musikmarkt. Erst langsam änderte sich die Situation: Mancher Musikfan entdeckte wieder die Country Music.

1956 übernahm Chet Atkins die Produktion von RCA, und mit ihm versuchte auch Porter Wagoner ein Hit zu produzieren (25. Juni 1956: "Trying To Forget The Blues / I´ve Known You From Somewhere", RCA 20/47-6596). Die Platten verkauften sich passabel – ein Hit war indes nicht dabei. Schließlich riet Atkins ihm, einmal auf eigene Faust Platten zu machen, um die eigenen Vorstellungen so besser in das Produkt umsetzen zu können. Wagoner setzte sich also hin, schrieb die Arrangements, heuerte Studiomusiker an und nahm verschiedene Songs auf. Allein der Gedanke, daß er nun völlig auf sich gestellt war, daß er in eigener Verantwortung produzieren konnte, war Ermutigung genug. Und das Ergebnis war entsprechend, denn beide Aufnahmen „Your Old Love Letters"(RCA  37/47-7837 am 23. November 1960; B-Seite: "Heartbreak Affair" ebenfalls am 23.11.1960) und „Misery Loves Company" (RCA  47-7967 am 21. September 1961; B-Seite: "I Cried Again" am 20. April 1961) wurden im Sommer 1961 bzw. im Frühjahr 1962 große Hits.

Auch Chet Atkins gefiel die Arbeit von Porter Wagoner. Die eben erwähnten zwei Aufnahmen sind perfekte Beispiele für den klassischen Wagoner-Stil. Gemeint ist jener legendäre Trio-Sound – geprägt von Don Wardens Tenor-Harmonien und Porter Wagoners phrasierender Stimme. Es ist auch der Stil, den man bei den jüngsten Wagoner-Aufnahmen sehr vermißt (Zusatz 2002: Bis heute!).

Am 30. August 1962 nahm Wagoner den Bill Anderson-Titel „I´ve Enjoyed As Much Of This As I Can Stand" (RCA 47-8105) auf und überraschte wiederum mit einem neuen Sound in der Porter Wagoner 1996 in einer seiner typischen PosenCountry Music. Buck Trent – damals neuestes Mitglied der Wagonmasters – hatte ein elektrisches 5-String-Banjo entwickelt. Und obwohl Buck Trent dieses Instrument noch nicht perfektioniert hatte, erkannte Wagoner die Möglichkeiten und die Bedeutung, die es in der Zukunft haben könnte. Das Jahr 1962 brachte eine weitere Neiheit, denn Skeeter Davis nahm eine Duett-LP mit Porter Wagoner auf bzw. umgekehrt (RCA Victor LSP 2529 ). Schon damals deutete sich Porter Wagoners besondere Fähigkeit als Duett-Sänger an. In den letzten Tagen des Jahres 1962 wurde die erste Wagoner Live-LP (RCA   Victor LSP 2650) produziert, und er setzte damit die Zeichen für seine eigene Fernsehshow. Der 10. August 1964 muß als nächster Meilenstein in der Karriere von Porter Wagoner vermerkt werden. Es war dies der Tag, als er „ I´ll Go Down Swinging" (RCA 47-8432 / B-Seite: "Country Music Has Gone To Town" ), ein weiteres Bill Anderson-Lied, aufnahm. Bereits einen Monat später hat dieses Lied Geschichte gemacht. In den folgenden Jahren arbeitete Porter Wagoner sehr viel mit Norma Jean zusammen, die ein dominierendes Mitglied seiner Fernseh- und Roadshows wurde. Oft wurden dabei auch während einer Session gleich die Platten beider Künstler aufgenommen, die Solo-Platten natürlich. So brachte eine dieser Sessions für Norma Jean ihr „You´re Driving Me Out Of My Mind" (RCA 47-8720) und für Porter Wagoner den „Skid Row Joe" (RCA  47-8723) und für Norma Jean noch „Then Go Home To Her" (RCA 47-8720). Man schrieb den 4. November 1965.

Noch 1960 war Porter Wagoner ein durchschnittlicher Entertainer auf der Bühne. Trotz der Anleitungen eines Red Foley war er immer noch kein Unterhaltungskünstler. Und das, obwohl er ja bereits Mitglied der Grand Ole Opry war. Porter Wagoner wußte um seine Schwäche: „Red Foley gab mir bereits viel Selbstvertrauen. Es war komisch: hinter der Bühne konnte ich immer komisch sein. Aber sobald ich dann draußen stand, war alles ganz anders. Ein Zufall brach dann den Bann. In Calgary stellte ich Don Warden vor, er hatte gerade geheiratet. Ich sah ihn an, und ich fragte ihn plötzlich: Du hast doch noch keine Kinder, oder? Dieser Gag kam so gut an, daß wir ihn fest ins Programm aufnahmen."

Porter Wagoner brauchte keine Persönlichkeit zu entwickeln, er mußte nur seine eigene durchsetzen. Seine TV-Show bedeutete für ihn einen ganz neuen Start. Die ersten Erfolge als Sänger waren wieder vergessen, es galt, eine neue Karriere aufzubauen. Beim Fernsehen geht alles sehr schnell. Man spürt und sieht eine direkte Reaktion des Publikums: „Ich war schon vorbereitet, aber einen derartigen Erfolg hatte ich beim besten Willen nicht erwartet. Das kam doch alles sehr überraschend." Porter Wagoner war einer der Pioniere der Road-Shows, wie sie heute an der Tagesordnung sind. Dolores Smiley, selbst einmal Sängerin und Vizepräsidentin der Agentur, die Wagoner managt, kennt Wagoner seit vielen Jahren: „Er war und ist ein wichtiger Mann für die Industrie, denn er hatte die erste syndizierte Fernsehshow. Er begann mit den sogenannten „Package-Shows", und er reiste als erster in einem komfortablen Reisebus.

Die Porter Wagoner-TV-Show läuft Mitte der 70er Jahre bereits im 2. Jahrzehnt, ihre Popularität nimmt weiter zu. Das Originalteam der TV-Show bestand aus dem Komiker Speck Rhodes, Norma Jean und den Wagonmasters (Don Warden, Jack Little und Benny Williams). Als der Fiddler Jack Little 1964 genug von diesem ruhelosen Leben hatte, trat Mack Magaha an seine Stelle. ErPorter Wagoner auf der Bühne der Opry, 1996 hat sich inzwischen zu einem der besten Fiddler im Business gemausert. Ende 1968 kam Jack Little dann wieder zurück – diesmal als Drummer. Den elektrischen Bass übernahm dann später Ronnie Blackwell. Porter Wagoner ermöglichte mit seiner Show erstmals einen besonderen Platz für eine Sängerin. Norma Jean bekam diesen vielbeneideten Job. Es war für Wagoner ein harter Schlag, als Norma Jean 1967 heiratete, sich aus dem Tournee-Leben zurückzog und nach Oklahoma City ging. Wer sollte ihre Nachfolgerin werden? Viele Bewerberinnen liefen ihm die Tür ein, doch kam sein Entschluß dann völlig überraschend. Mit der hübschen Dolly Parton holte er sich einen Neuling. Dolly Parton hatte sich überhaupt nicht um diesen Posten beworben sondern Porter Wagoner lediglich einige neue Lieder angeboten. Wie heute jedermann weiß, war Wagoners ungewöhnlicher Entschluß Gold wert, denn für beide begann eine beispiellose Karriere. An seiner Seite wurde Dolly Parton selbst ein Star, beide zusammen wurden sie das bedeutendste Country-Duo der frühen 70er Jahre. Die ungewöhnlich vielseitige und begabte Autorin und Sängerin mit der außergewöhnlich prägnanten Stimme war die ideale Ergänzung für Porter Wagoner. Erst im Juli 1974 trennten sich ihre gemeinsamen Wege. Porter Wagoner fand sehr schnell eine Nachfolgerin für Dolly Parton. Ihr Name ist Barbara Jean Steakley. Ihr Künstlername: Barbara Lea.

Porter Wagoner hat nahezu alles erreicht, was für einen Country Musiker erreichbar und möglich ist. Was er eigentlich in einem Lied sucht, wurde er einmal gefragt. Seine Antwort: „Grundlage ist der Rhythmus. Ich habe nie ein Lied gehört, das ohne einen guten Rhythmus zu einem Hit geworden wäre. Aus diesem Grunde ist das Arrangement sehr wichtig. Für den Sound wirkt sich der Bass ungeheuer belebend aus. Das haben die letzten Jahre bewiesen, und ich bin froh, daß ich einer der ersten war, die mit dem elektrischen Bass gearbeitet haben. Von Lovesongs habe ich eigentlich nie viel gehalten. Ich bin ein Country Boy und singe Lieder über das Leben, die Tragik, das Unglück oder das Glück. Ich will keine schöne Stimme vorweisen sondern ganz einfach so singen, wie ich bin, und das singen, was ich empfinde. Ich will etwas singen, über das ich Bescheid weiß. So singe ich über das Leben eines Soldaten, eines Hippie oder einer Frau. Aber ich werde sie nie verurteilen oder anprangern. Man weiß ja nie, was den anderen bewegt, etwas so und nicht anders zu tun. Man kann da wohl niemandem Vorschriften machen."

Porter Wagoner ist stets ein echter Country Sänger geblieben. Ausflüge in die Pop Music oder andere Gefilde haben ihn nicht reizen können. Sicher haben seine Anhänger das beachtet und entsprechend honoriert. Natürlich wird auch er mit der Zeit gehen. Und es sieht derzeit so aus, als bastele er wieder an einem neuen Sound. Das zumindest lassen seine jüngsten Aufnahmen vermuten. (Zusätzliche Angaben zu den verschiedenen Platten sowie sämtliche Bilder auf dieser Seite: Hauke Strübing)

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Dieser Beitrag von Manfred Vogel erschien bereits im Mai 1975 in der 10-Jahres-Jubiläumsausgabe der deutschen Country Zeitschrift COUNTRY CORNER. Die Aussagen, die der Autor vor nunmehr 27 Jahren über Porter Wagoner, über seine Karriere, über seine Schwächen und über seine Verdienste um die Country Music gemacht hat, haben bis zum heutigen Tag nichts an ihrer Kraft und Gültigkeit verloren. Was wir damals alle nicht ahnten, macht diesen Bericht heute so bedeutungsvoll: Die eigentliche große Karriere von Porter Wagoner hatte ihren Höhepunkt erreicht. Bereits Ende 1974 zeichnete sich das Ende der „Sänger-Beziehung" zu Dolly Parton ab. Garth Brooks und Porter Wagoner auf der Bühne der Opry, 1996Sie strebte eine Solokarriere an, was ihm nicht in den Kram paßte. Es gab dann 1975 und 1976 noch zwei gemeinsame Hits („Say Forever You´ll Be Mine" und „Is Forever Longer Than Always"). 1976 zog er sich aus dem Show-Business zurück und konzentrierte seine Kraft auf seine eigene Produktionsfirma Fireside. 1981 trennte sich RCA von Porter Wagoner, seine TV-Show wurde eingestellt. 1982 glaubte man an ein Comeback des Sängers, als er mit dem Album „Viva" (Viva/Warner Bros.) und einigen Singles in die Charts zurückkehrte. Doch ab 1983 machte er dann – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – überhaupt keine Aufnahmen mehr. Die Neuproduktionen sind an einer Hand abzuzählen (The Porter Wagoner Collection / Doppel-Album; Heartwarming Songs), der sich abzeichnende Mangel an Porter Wagoner-Musik wurde beginnend Mitte der 90er Jahre durch eine Fülle von Reissues behoben. Eine Situation, die es bereits zu Beginn seiner Karriere schon einmal gab, als es von 1956  bis 1962 zwar jede Menge Singles gab – aber nur eine einzige Langspielplatte (A Satisfied Mind/RCA LPM 1358). 1993 veröffentlichte die deutsche Firma Bear Family Records eine 4 CDs umfassende Box mit sämtlichen Aufnahmen vom Beginn seiner Karriere am 19. September 1952 bis zum 30. August 1962. Seine zwei aktuellen CDs datieren ins Jahr 2000 bzw. 2002.

Mit Right Combination, einer All-Girl-Band, tourte er in den 80er Jahren noch eine Zeitlang durch Amerika, verlegte seine Interessen aber mehr und mehr auf das Fernsehen (Nashville Network). Allein der Grand Ole Opry blieb er in all den Jahren treu, der er seit 45 Jahren angehört: Sein erster Auftritt als ständiges Mitglied datiert ins Jahr 1957 zurück (23. Februar). Wer in Nashville weilte, konnte nicht anders, als Porter Wagoner irgendwo in der Opry oder im heute nicht mehr existierenden Opryland-Vergnügungspark über den Weg zu laufen.

Drei Auszeichnungen der Country Music Association (CMA) begleiten Porter Wagoners Karriere: Vocal Group Of The Year 1968 (gemeinsam mit Dolly Parton) und Vocal Duo Of The Year 1970 und 1971 (ebenfalls gemeinsam mit Dolly Parton). Für das von Porter Wagoner gesungene Lied „Carroll County Accident" erhielt Songwriter und Produzent Bob Ferguson 1969 den Award für den Song Of The Year. Die Mitgliedschaft in der Country Music Hall Of Fame blieb ihm allerdings bislang versagt. Auch im Jahr 2001, als die CMA in einer Art Großreinemachen 12 Zugänge bekanntgab – ohne den Mann zu berücksichtigen, der viele Firsts auf seiner Guthabenseite verbuchen kann und heute einer der letzten Großen aus einer großen Ära ist (Bild: Porter Wagoner mit Garth Brooks 1996 auf der Bühne der Opry).
Hauke Strübing, am 25. Oktober 2002


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(31.10.2002) Ich bereite im Augenblick einen großen Bericht mit noch größerer Diskographie über den Sänger vor, der am 6. November 2002 in die Country Music Hall Of Fame aufgenommen wird. Ich hatte mir vorgenommen, keinen bösen Seitenhieb zur Frage zu verteilen, warum ein Mann wie Porter Wagoner bislang übergangen wurde. Sicherlich, es gab ganz bestimmt wichtigere Menschen in der Country Music - wie zum Beispiel Brenda Lee - die den Einzug früher verdient haben. Aber wie gesagt: Ich will keinen bösen Seitenhieb verteilen! Ich möchte aber Manfred Vogel ein dickes Lob aussprechen, mit dem ich in den 70er Jahren lange Jahre zusammen an COUNTRY CORNER gearbeitet habe. Gemeinsam waren wir mit Eberhard Finke, Kurt Rokitta und Manfred Rauschenbach zuletzt die treibenden Kräfte bei COUNTRY CORNER. Und Manfred Vogel schrieb damals im Jahr 1975 einen Aufsatz über Porter Wagoner, der so bahnbrechend und heute noch gültig ist, daß ich ihn zu Ehren von Porter Wagoners Einzug in die Country Music Hall Of Fame auf meine Homepage setze (Bericht siehe oben). Wenn mich heute jemand fragt, welche Musik, welchen Künstler ich besonders schätze, dann ist die Liste der genannten Titel und erwähnten Künstler lang - aber Porter Wagoner steht ganz vorne: A Satisfied Mind / Eat Drink And Be Merry / A Good Time Was Had By All / I´ve Known You From Somewhere / Good Mornin´ Neighbor / I Thought I Heard You Call My Name / Heaven´s Just A Prayer Away / Haven´t You Heard / The Battle Of Little Big Horn / Your Kind Of People / Legend Of The Big Steeple / An Old Log Cabin For Sale / Your Old Love Letters / Misery Loves Company / I Cried Again / Cold Dark Waters. Jede dieser Aufnahmen verbindet sich mit irgendeiner Erinnerung. Das könnte eine der schönsten Zusammenstellungen werden - wenn es sie dann so gäbe. Und vergessen will ich nicht all die herrlichen Duettaufnahmen mit Dolly Parton - voran "Daddy Was An Old Time Preacher Man" und "Forty Miles From Poplar Bluff". An Poplar Bluff in Missouri bin ich dann eines Tages vorbeigefahren und habe die Auto-Lautsprecher überdreht - mit "Forty Miles From Poplar Bluff". Was man nicht schon alles getrieben hat!
 

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Meine Erinnerungen an Porter Wagoner

Porter Wagoner ist gestorben. 2 Tage nach seinem Tod am 28. Oktober 2007 erreichte mich diese Nachricht. Porter Wagoner wurde am 12. August 80 Jahre alt. 53 Jahre begleitete mich seine Musik, und wenn ich heute zurückblicke, dann war das auch der Beginn meiner Begeisterung für die Country Music. Am Anfang war es Jim Reeves Aufnahme "Bimbo", die aus Nachbars Haus rüber schallte. Die nächste Erinnerung gilt den Grand Ole Opry-Übertragungen von AFN - schlicht und einfach deshalb, weil ich der Oper schon in jungen Jahren verfallen war und nun den Begriff Opry fälschlicherweise als Opera deutete: Nur, was ich nun hörte, waren keine Violinen sondern Fiddles - und dazu Banjo und Mandoline und Gitarre. Und der Gesang ähnelte nun gar nicht einer Opernarie. Whoops, ich hatte Bekanntschaft mit der Country Music gemacht. Die tägliche Pflichtübung hieß dann ab 1955 "Hillbilly Gasthaus" -AFN Frankfurt montags bis freitags 15 Uhr bis 15 Uhr 30. Und so machte ich sehr schnell Bekanntschaft auch mit den Liedern von Porter Wagoner - mit "Eat, Drink And Be Merry", mit "A Satisfied Mind", mit "What Would You Do (If Jesus Came To Your House)", weil es in jeder Sendung einen inspirational song gab, und natürlich eins meiner Lieblingslieder überhaupt: "I Thought I Heard You Call My Name".

In den langen Jahren seit 1954 gab es immer wieder Berührungspunkte mit der Musik von Porter Wagoner oder auch mit ihm selbst. Am 21. Februar 1961 moderiert Jim Carter seine letzte "Hillbilly Reveille"-Sendung. Seinen Platz beim AFN Munich nimmt am darauffolgenden Tag Bill Sellers ein. Die letzte Sendung von Jim Carter war - wie viele andere auch - vorproduziert. Hier einige der gespielten Titel: Johnny Horton - North To Alaska / Porter Wagoner - I Thought I Heard You Call My Name / Johnny Cash - Girl From Saskatoon / Grandpa Jones - Old Blue / Skeeter Davis - My Last Date (With You) / Eddy Arnold - Before This Day Ends. Ich war damals zu Besuch bei Jim Carter in München und hatte ihm tags zuvor meinen Wunschtitel aufgetragen: I Thought I Heard You Call My Name.

Und dann kam Anfang April 1977 die 1. Reise nach Nashville und am 2. April der 1. Besuch der Grand Ole Opry. Alles klappte. Unser Freund Kermitt Goell ermöglichte den Aufenthalt im hinteren Bereich der Bühne, ja er wollte mich sogar auf der Bühne dem Publikum vorstellen - doch ich verging vor Platzangst, bekam einen roten Kopf und überwand mich nicht dazu. Und zu allem Unglück fehlte ausgerechnet an jenem Samstagabend der Sänger, den ich über alles verehrte: Porter Wagoner war irgendwo in den USA auf Tournee. Doch bei den vielen Besuchen der Grand Ole Opry in den folgenden Jahren bekam ich viele Gelegenheiten, Porter Wagoner auf der Bühne zu erleben. Und am 3. April 1993 hatte ich im heute nicht mehr bestehenden Opryland- Vergnügungspark schließlich die Gelegenheit, mich mit ihm zu unterhalten. Und irgendwann Mitte/Ende der 90er Jahre war ich zu Besuch in Missouri, und ein Bekannter führte mich nach West Plains und zum Geburtshaus von Porter Wagoner. Oder besser: am Geburtshaus vorbei. Na gut, Country Freaks soll man halt nicht bremsen.

Am 26. Juli 2003 saßen Monika, Florian und ich in Reihe 1 der Grand Ole Opry mit der besten Gelegenheit Fotos zu schießen. Einige Wochen später konnte ich die Show im Internet als Radio-Sendung aufzeichnen. Die letzte Begegnung mit Porter Wagoner fand dann am 12. August 2003, seinem 76. Geburtstag in der Dienstag-Nachmittag-Show der Grand Ole Opry in Nashville, Tennessee, statt.

Die Musik von Porter Wagoner hat mich mein ganzes Leben lang begleitet, nachdem ich die Country Music entdeckte. Und sie wird es auch weiterhin tun.

Hauke Strübing
am 2. November 2007

Eine Diskographie sämtlicher Alben und CDs von Porter Wagoner finden Sie hier:
Porter Wagoner: LP-Diskographie (1) 
Porter Wagoner: LP/CD-Diskographie (2)