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Eine AFN-Chronologie (Teil 10)
Von Hauke Strübing

"With AFN on your way – you´ll be happy all the day!"

Welche Bedeutung  AFN mit seinen Sendungen für die Entwicklung der Country Music bei uns und vor allem für jeden einzelnen persönlich hatte, das schildere ich in dem Beitrag "Wie es war - wie es ist Country im Radio" auf dieser Seite. In der Serie "Eine AFN-Chronologie" werden nun  in lockerer Folge alle mir zugänglichen Beiträge aus den verschiedensten  Publikationen im deutschsprachigen Raum wiedergegeben - Beiträge aus Country Zeitschriften, Country Newsletter etc. und auch aus eigenen Aufzeichnungen. AFN hatte seine Studios in den ursprünglich amerikanischen Besatzungszonen und in West Berlin. Die Nähe der Schweiz zum süddeutschen Raum brachte es mit sich, dass der in der Schweiz ansässige von Charles "Chuck" Steiner betriebene "Ole Hillbilly Drifters"-Club hauptsächlich die Aktivitäten der AFN-Stationen in München, Stuttgart und Frankfurt beleuchtete. Der erste Bericht dieser Serie stammt aus dem Jahr 1957. Anzumerken ist noch, dass die Clubzeitschriften der "Ole Hillbilly Drifters" anfangs in englischer Sprache erschienen, später wurden Beiträge auch in deutscher Sprache abgedruckt. Die Sendezeiten der Country-Sendungen (damals verwendete man noch die Terminologien "Hillbilly Music" und etwas fortgeschritten schon "Country & Western") sind in allen Beiträgen hervorgehoben. Ergänzungen zu dieser Chronologie sind jederzeit willkommen.

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Nachdem “Country Singin´ and Pickin´ News” der Ole Hillbilly Drifters eingestellt war, veröffentlichte Chuck Steiner bis zum Erscheinen des HILLBILLY-Magazins das Info-Heft "Drifters´ Roundup" in deutscher Sprache (ab Oktober 1960 insgesamt 9 Ausgaben) und in englischer Sprache (ab März 1961 insgesamt 4 Ausgaben). Alle Artikel, Leserzuschriften und Antworten, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema AFN und Country Music beschäftigten, sind in diesem und den folgenden Teilen der AFN-Chronologie wiedergegeben.

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Diese Leserzuschrift befaßt sich mit der ersten Country-Sendung des NDR:
"Wichtig ist jetzt der deutsche Rundfunk. Was meint Ihr, wenn  JEDER innerhalb der nächsten Wochen einen Brief oder eine Karte an einen Rundfunksender schreiben würde, mit der Bitte Country und Western Musik regelmässig zu senden - jeder von uns - was das geben würde?.....Zum Schluss darf ich Euch die freudige Mitteilung machen, dass der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am 21. Oktober 1960 um 22.00 Uhr auf UKW-Nord und auf der Kurzwelle im 49 m Band eine erste Hillbilly-Sendung ausstrahlen wird. Eine weitere Sendung ist bereits in Vorbereitung! Schreibt bitte alle nach dieser Sendung an den Norddeutschen Rundfunk Hamburg.....wie Euch diese Sendung gefallen hat. Auf Grund dieser Zuschriften entscheidet es sich, ob wir eine ständige Sendereihe erhalten. HANS - HARALD KOOPMANN
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960

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CHUCK  antwortet.....

Im Nachfolgenden werde ich immer zuerst Eure Briefe "sprechen" lassen und im Anschluss daran meine ausführlichen und  verbindlichen  Antworten geben.

Hallo Chuck,  ich glaube jetzt wird es Zeit, dass ich Dir doch mal schreibe. Eben habe ich die neue Nummer von "Country Singing´ and Pickin´ News" aus dem Briefkasten genommen und mich natürlich gleich darauf gestürzt.....Heute morgen habe ich im Radio von Jim Carter gehört und nun auch in der Clubzeitschrift gelesen, dass Peter Gisin auf einer USA-Tour ist. Der Glückliche. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie gern ich an seiner Stelle wäre, denn es ist nun mal mein erster und einziger Wunsch einmal in Nashville, Tennessee zu sein. Sicher wird er viel erleben "im Herz der Country Music“, und ich wünsche ihm viel Glück dazu. Ich hoffe, es wird nachher ein grosser Bericht von ihm in der Clubzeitschrift kommen. Zur Zeit bin ich auf Jim Carter ein bisschen böse wegen "Nichterfüllung eines Wunsches", d.h., er hat schon ein Lied für mich gespielt, aber ich hatte das Lied für alle "Ole Hillbilly Drifters and especially for Willi in Unna" gewünscht......
MARGRIT SOKOLOWSKI, Esslingen 

Liebe Margrit :... Was heisst "Nichterfüllung eines Wunsches"? Meine Betonung liegt auf dem Wort „eines". Es muss hier leider einmal gesagt werden, dass Jim Carter zeitweise dutzende von Wünschen nicht erfüllt und die ihm zugeschickten Postkarten gleich "bündelweise" verschwinden lässt. Auch spielt er selten die Platten, die verlangt werden, obwohl er sie manchmal besitzt, aber es macht ihm vielleicht zuviel Mühe die Platten zu "suchen"!?!?! Jim Carter vom AFN München, den ich persönlich kenne, ist ein netter und fröhlicher Bursche, aber leider kein  echter  C&W Disc-Jockey. Zwischendurch gibt er sich wieder einmal grosse Mühe, doch meistens stellt er seine Sendungen zu wenig sorgfältig zusammen. Zu seiner Entlastung ist zu beachten, dass er die Betreuung des "Hillbilly Reveille" nur so neben seinen anderen militärischen Pflichten ausübt. Hier in der Schweiz kenne ich verschiedene Clubmitglieder die keine Wünsche mehr bei Jim aufgeben, eben infolge Nichterfüllung derselben, aber ich finde dies komplett falsch, denn im Interesse des Clubs - damit jedermann am Radio hört, dass wir immer noch "da" sind - und zur eigenen Freude und auch der der anderen zuhörenden C&W Fans, sollte es kein Mitglied unterlassen von Zeit zu Zeit Briefe und Postkarten an AFN's "Hillbilly Reveille" zu richten mit dem Ersuchen C&W Platten zu spielen. Viele "requests" werden trotzdem erfüllt, wenn es auch nicht die verlangte Platte ist ...      
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960
 

Sehr geehrter Herr Steiner! Vielen Dank für die Uebersendung Ihrer Clubzeitschrift, sie gefällt mir so gut, dass ich sofort die beiliegende Anmeldung ausgefüllt habe. Ich bin auf dem Gebiet der Hillbilly-, und C&W-Music noch ein ziemlicher Neuling, meine kleinen Kenntnisse hierin verdanke ich den Sendungen „Hillbilly Reveille" und „Stickbuddy Jamboree" beim AFN....Mich beschäftigt da nun ein Problem, und zwar:  Auf Grund des Titels oder des Sängers einer neuen C&W Platte kann ich nicht ermessen, ob dieses Lied gut ist, ausser ich höre es auf AFN, genausowenig bietet mir die Notierung eines Liedes in den „C&W Big 50" eine Gewähr, dass mir das Lied dann gefällt, bzw. dass es etwas taugt. Wie könnte man dieses Problem lösen? Ich kann doch nicht 20-30 Songs beim AFN anmelden, damit diese dort gespielt werden. Ihre Meinung hierzu würde mich interessieren.
JOHANN PÜRTINGER, Post Waging a/See (Oberbayern)

Lieber Johann:  Nein, nein Du gehst mir bestimmt nicht auf die "Nerven", schneidet Dein Brief doch ein sehr wichtiges Problem an. Ja, mir stellt sich genau das gleiche Problem, denn auch ich bin nicht in der Lage auf Grund eines Titels zu entscheiden, ob ein Lied das in den "C&W Big 50" aufgeführt ist, auch wirklich gut ist und gekauft werden sollte oder muss. Heute werden nämlich in diesen sogenannten "C&W Big 50" Songs erwähnt, die alles andere als C&W sind, z.B. Schlager, Rock 'n' Roll und Rhythm´n´Blues Aufnahmen, also absolut nicht mehr zu den Country Songs gezählt werden dürfen. Es gibt leider nur zwei ganz bescheidene Möglichkeiten diesem Problem wenigstens teilweise auf den Leib zu rücken: 1. regelmässig alle  C&W Programme des AFN, und 2. alle Sendungen von Radio Luxernbourg auf der Mittelwelle 208 m (Englisches Programm), täglich von 19.00 - 01.30 Uhr, abzuhören. Radio Luxembourg bringt ja keine ausgesprochenen Hillbilly-Sendungen, aber immer die neuesten amerikanischen Schallplatten, worunter sich immer viel ganz moderne C&W Songs, oder auch Hillbilly ähnliche Lieder befinden. Auch dürfte es von Nutzen sein, wenn diejenigen Mitglieder, die in der Nähe der Stationen von CAE (Canadian Army Europe) wohnen auch die Programme dieses Senders verfolgen ...
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960
 

Lieber Chuck....Du wirst sicher verstehen, dass das für eine arme Schülerin wie mich eine Menge Geld ist. Aber nun habe ich mich doch entschlossen, Mitglied des OLE HILLBILLY DRIFTERS Clubs zu werden. Nun möchte ich Dir noch kurz von mir erzählen, dass Du ein ungefähres Bild von Deinem neuen Clubmitglied hast....Ich bin 15 Jahre alt und gehe noch zur Schule. Seit vielen Jahren höre ich den AFN und besonders natürlich die Hillbilly Sendungen "Hillbilly Reveille" und "Stickbuddy Jamboree". Ich habe nichts gegen Schlager aber ich finde, die C&W-Music ist eben die Musik. Und es ist wirklich schade, dass diese Musik gerade hier in Deutschland kaum gefördert wird. Aber was ich tun kann, um meine Freunde und Bekannten für die Hillbilly-Music zu gewinnen, will ich tun.
RENATE KROHA, Frankfurt/Main  
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960

 

Die genaue Adresse von AFN's "Stickbuddy Jamboree", welches von Montag bis Freitag von 15.05 bis 15.30 Uhr gesendet wird, lautet:

A/Sp TOMMY  CASH "Stickbuddy Jamboree" AFN Frankfurt, APO 757,  US Forces Frankfurt  (Main)   GERMANY

Nebenbei bemerkt, für die welche es noch nicht wissen sollten. Army Specialist Tommy Cash ist der jüngere Bruder des berühmten „fabulous" Johnny Cash.  
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960
 

Sehr geehrte Herrn!  Ich habe die Absicht, Ihrem Club beizutreten und habe deshalb heute den Beitrag überwiesen. Ihr Zeitung gefällt mir ganz gut, sie bringt ja allerhand Neues und Wissenswertes... Meine Quelle war Radio AFN. Leider kann ich diesen Sender hier in Schweden nicht empfangen. Ich hörte schon vor 7 Jahren die Sendung "Stickbuddy Jamboree" des AFN, als ich noch zur Schule ging. Das war die Zeit, als noch der leider viel zu früh verstorbene "late and great Hank Williams" diese Musik beherrschte. Dann kam der Beruf, und ich konnte "Stickbuddy Jamboree" - nachmittags um 15.05 Uhr - nicht mehr hören. Dann "entdeckte" ich, dass AFN auch morgens "Hillbillies" bringt und wurde ständiger Hörer von "Hillbilly Reveille" bis zu meinem Weggang von Deutschland nach Schweden. Ich erwarb mir an Schallplatten was in Deutschland zu bekommen war; leider ist das bedrückend wenig. Auch der Rundfunk bringt bewusst keine C&W Songs. Das Fatale an der Sache ist: die meisten Leute kennen gar keine "Hillbillies"! Einige ganz Schlaue denken, das hat etwas mit Bill Haley zu tun...
MOHNS MOHNSSEN

Lieber Mohns:  Was Bill Haley anbetrifft möchte ich nur festhalten, dass er vor einigen Jahren wirklich ein "Hillbilly" war (!), aber nachdem der Rock ´n´ Roll aufkam und er damit viel Geld verdiente, wurde Bill Haley - wie so viele andere - der guten alten Country Music untreu.
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960

Lieber Charles Steiner,  Ich schreibe hier in einer Angelegenheit des OLE HILLBILLY DRIFTERS Clubs die ich nicht ganz billigen kann. Ich bekam am 2. September 1960 die Aufforderung, innerhalb der nächsten vierzehn Tage zweimal "Alabam" von Cowboy Copas zu wünschen. Ob diese Aufnahme nun "wirklich gut" ist, sei dahingestellt. Ueber Geschmack lässt sich streiten. Ich persönlich würde sie im Mittelfeld plazieren. Ich finde es daher unfair, zu versuchen, diese Aufnahme - oder überhaupt irgendeine - durch solche Mittel als "Top Hit" herauszubringen zumal noch mit einer Anspielung auf die aktive Mitgliedschaft. Das hört sich so nach Sollerfüllung an.. Ich hoffe, Sie können Kritik vertragen und sind mir deshalb nicht böse.
Mit freundlichen Grüssen HAUKE PAUL, Bremen

Lieber Hauke:  Selbstverständlich kann ich Kritik vertragen, nein, ich begrüsse sie sogar, wenn sie so gut begründet ist wie die Deine. Es ist mir nämlich viel lieber, wenn man sich bei mir beschwert und mit der Kritik zu mir kommt und nicht "hinter meinem - zugegeben breiten - Rücken" an die "falsche Adresse" gelangt oder sogar seine Gedanken und Vorschläge für sich "im stillen Kämmerlein" behält. Und noch etwas, wir leben hier in der ältesten Demokratie der Welt, wo jeder sagen darf, was er will und seine eigene Meinung vertreten kann. Nun, zugegeben "Alabam" ist kein alles überragender Klassesong, aber - und das scheint mir das Wichtigste zu sein - es ist ein echter Country Song, und meines Erachtens gegenwärtig in der AFN "C&W Hitparade" das einzige Lied, das wirklich Country ist. Du willst sicher nicht behaupten, dass z.B. Don Gibson's "Far Far Away" oder Jim Reeves´ "I Know One" ganz echte C&W Songs seien, oder? Diese Lieder sind zweifellos gut, bis sehr gut sogar, aber sie gehören der ganz äusserst modernen C&W-Music an, die von vielen Fans nicht mehr als Country, sondern als Pop-Music angesehen wird. Es sei hier nur noch beigefügt, dass es heute auch für den Fachmann schwer bis unmöglich ist, hier die genauen Grenzen zu ziehen. Nun wieder zur Sache, um den Einsatz und die Unterstützung der vielen neuen Mitglieder zu "erproben" wurde dieses Zirkular gestartet, und da "Alabam" der einzige wirkliche C&W Song war, der eine Chance hatte, ist die Wahl auf ihn gefallen. Am 19. September 1960 ist "Alabam" für den OLE HILLBILLY DRIFTERS Club gespielt worden, wobei Herb Nesmith - der damalige Disc-Jockey - mindestens zwei Dutzend Namen von Clubmitgliedern verlas, ebenso am 23. September mit ca. zehn "requests" von unserer Seite. Ehrlich gesagt bin ich von diesem Erfolg überrascht gewesen, denn ich glaubte nicht, dass wir so gut ankommen werden. Nun lieber Hauke, vielleicht denkst Du jetzt ein bisschen anders und schaust die Sache von einem neuen Gesichtspunkt an, ohne tierischen Ernst ....  Ferner ist es Dein eigener Wille, ob Du die "Sollerfüllung" - um dieses schlimme Sohlagwort zu gebrauchen - mit Deinem Beitrag unterstützen willst, oder nicht. Ich hoffe, dass damit diese Angelegenheit erledigt ist, wenn nicht, bitte ich Dich höflich mir unverblümt Deine Meinung zu sagen, denn ich lasse mich gerne auf einen "Feder - Krieg" mit Dir ein, den wir im Rahmen dieses Rundschreibens ausfechten werden. Okay? Okay!
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960
 

Nun liebe Clubmitglieder, das wäre "mein erster Streich" gewesen! Ich hoffe nur, dass Euch mein langes Geplauder nicht gelangweilt hat. In den kommenden Ausgaben von DRIFTERS' ROUNDUP werde ich in der gleichen Art und Weise Eure interessanten Zuschriften "zerpflücken". Song-Texte und Eure Beiträge - falls vorhanden - werden ebenfalls hier abgedruckt werden. Auch einige Briefe aus der Schweiz würden sich in diesem Rundschreiben gut ausnehmen, nicht?

Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht verfehlen, allen denjenigen Mitgliedern herzlich zu danken, welche mir in den vergangenen Wochen und Monaten so viele Wünsche in AFN's "Hillbilly Reveille" widmen liessen.
Aus "Drifters´ Roundup" des Ole Hillbilly Drifters Fan-Club Nummer G 1 vom Oktober 1960

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